Bayer Leverkusen Gegen die Depression

Bayer Leverkusen · Ein sportlicher Umbruch voller Rückschläge, persönliche Eitelkeiten als wiederkehrende Störfeuer und ein Fan-Lager, dessen Enttäuschung entweder in Gleichgültigkeit oder Feindseligkeit umschlägt – bei Bayer 04 dominiert in dieser Saison die Tonart Moll. Doch es keimt Hoffnung.

 Es wäre fast schon eine Ironie des Schicksals, wenn die öffentlich zur Schau gestellte Feindseligkeit der Leverkusener Fans gegenüber Trainer Robin Dutt (im Bild) diesen mit seiner Mannschaft enger zusammenschweißen würde.

Es wäre fast schon eine Ironie des Schicksals, wenn die öffentlich zur Schau gestellte Feindseligkeit der Leverkusener Fans gegenüber Trainer Robin Dutt (im Bild) diesen mit seiner Mannschaft enger zusammenschweißen würde.

Foto: dpa/Bearbeitung: RP

Ein sportlicher Umbruch voller Rückschläge, persönliche Eitelkeiten als wiederkehrende Störfeuer und ein Fan-Lager, dessen Enttäuschung entweder in Gleichgültigkeit oder Feindseligkeit umschlägt — bei Bayer 04 dominiert in dieser Saison die Tonart Moll. Doch es keimt Hoffnung.

Im Prinzip geht es bei Bayer 04 in dieser Saison einzig um Sehnsucht. Um Sehnsucht nach Erfolg, nach Anerkennung, nach Verständnis, nach Unterhaltung. Und wer dieser Tage die Gründe zusammenträgt, warum eine derartige Unzufriedenheit in Verein und Stadt grassiert, der landet bei eben dieser Sehnsucht.

Einer unerfüllten Sehnsucht. Denn unerfüllte Sehnsucht erfüllt seit dem Sommer irgendwie alle, die mit Bayer 04 zu tun haben. Die Summe all dessen, worin sich diese Sehnsucht ausdrückt, wabert als zähe, negative und explosive Stimmung durch die Köpfe vieler Menschen.

Die Verantwortlichen können nicht verstehen, warum viele im Umfeld in Robin Dutt nicht den zu ihrer Zufriedenheit arbeitenden Trainer, sondern den Totengräber einer erfolgreichen Vorsaison sehen wollen. Dutt selbst konnte zunächst die Vorbehalte gegen seine Person nicht nachvollziehen, spätestens seit Samstag akzeptiert er sie wohl als leidigen Teil seines Jobs.

Die Spieler können das Thema Michael Ballack nicht mehr hören und wünschen sich überdies Zuschauer, bei denen frenetische Unterstützung im eigenen Stadion die Regel und nicht die Ausnahme ist. Die Anhänger ihrerseits sehnen sich so sehr nach besserem Fußball und größerer Leidenschaft ihrer Lieblinge, dass bei vielen das Verhalten wahlweise in Feindseligkeit oder Gleichgültigkeit umgeschlagen ist. Allen gemein ist zwar die Sehnsucht nach sportlichem Erfolg, doch der Frust des jeweiligen Blickwinkels verhindert ein nur noch in Fangesängen vorkommendes Zusammenstehen. Wer Bayer 04 von außen verfolgt, muss befürchten, der Verein als großes Ganzes stehe am Rande der Depression.

Doch in dem dichten Nebel voller Unzufriedenheit scheint in diesen Tagen etwas Bemerkenswertes durchzuschimmern. Pikanterweise ist es wohl gerade die verbale Entgleisung aus der Fankurve, die am Samstag diese Entwicklung befeuerte. Denn Bayers Profis sprangen nicht etwa auf Volkes Affront gegen Dutt an, sondern äußerten völliges Unverständnis, weil sie sich selbst auch angegriffen fühlten. Und wenn sich, wie in diesem Fall, zwei Parteien (Dutt und die Spieler) in derselben Rolle wiederfinden, ist der Strang, an dem man gemeinsam zieht, plötzlich sehr stabil. "Niemand aus der Mannschaft hat gesagt, dass es Probleme gibt. Man sieht, dass es läuft — auch mit dem Trainer", sagt Gonzalo Castro.

Die Mehrheit in der Mannschaft hat wohlwollend registriert, dass Dutt sich (in erträglichem Maße) vor sie stellt und dass die Analyse der Hinrunde zu Korrekturen auf dem Platz geführt hat, die im Sinne eben dieser Mehrheit sind. Auf Akteure wie Castro, Lars Bender, Bernd Leno, Daniel Schwaab, Stefan Reinartz oder André Schürrle kann sich Dutt beim Bau der Wagenbau gegen Widrigkeiten von außen jedenfalls verlassen.

Dutt sammelte im Verein am Wochenende durchaus Punkte dadurch, dass er die Schmährufe nicht dazu nutzte, sich in eine Opferrolle zu begeben, sondern die Situation professionell und gelassen zu überspielen. Rudi Völler und Wolfgang Holzhäuser machen bislang keine Anstalten, von ihrer Rückendeckung für den Trainer abzuweichen. "Die Faktenlage rechtfertigt die Kritik an Robin Dutt nicht", sagte Holzhäuser jetzt der "Frankfurter Rundschau". Es liest sich wie in Stein gemeißelt.

Dass der nächste Gegner Köln heißt, passt aus Leverkusener Sicht eigentlich perfekt. Ein Sieg im Derby würde einen Aufwärtstrend auch als solchen erkennbar machen und das Team für das 1:4 aus dem Hinspiel rehabilitieren. Womöglich kehrt dadurch sogar mal wieder die Zufriedenheit nach Leverkusen zurück.

(RP/rl)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort