Neue Säulen im Löw-Team Bei Bayer spielt die Zukunft des DFB

Leverkusen · Leverkusen hat die Talente, die Bundestrainer Löw nach der WM für seinen Neuaufbau braucht. Havertz, Brandt und Tah können tragende Säulen der Nationalmannschaft werden.

 Schon jetzt ein Mann für Bundestrainer Joachim Löw (links): der Leverkusener Stürmer Julian Brandt.

Schon jetzt ein Mann für Bundestrainer Joachim Löw (links): der Leverkusener Stürmer Julian Brandt.

Foto: dpa/Christian Charisius

Insgesamt 14 Profis von Bayer 04 Leverkusen haben seit 2006 unter Bundestrainer Joachim Löw für Deutschland debütiert. Kein anderer Bundesliga-Klub kommt in dieser Zeit auf mehr Spieler, die es in die Nationalmannschaft geschafft haben. Wären die Werkself und der Deutsche Fußball-Bund in einer Beziehung auf Facebook, stünde der Status wohl dennoch auf „Es ist kompliziert“.

 Stefan Kießling, der seine Karriere inzwischen beendet hat, wurde von Löw auch als Torschützenkönig nicht nominiert. In Julian Brandt stand bei der verkorksten Weltmeisterschaft in Russland zudem nur ein Leverkusener im Aufgebot des DFB. Beim erwarteten Umbruch im Nationalteam könnte der Werksklub trotzdem eine entscheidende Rolle spielen. Bei keinem anderen Verein der Liga ist die Qualität und Quantität an jungen, deutschen Spielern so hoch wie in Leverkusen.

 Der ehemalige Nationalspieler Simon Rolfes, der seit Juli die neu geschaffene Position des Leiters für Jugend und Entwicklung unterm Bayer-Kreuz einnimmt, hat unlängst betont, seinen Verein zu einem der besten in Europa machen zu wollen, „was die Qualität der Ausbildung und Entwicklung unserer Spieler angeht“. Schon jetzt ist der Werksklub auf einem guten Weg. Außerdem gehört es seit vielen Jahren zum Vereinskonzept, junge und hochveranlagte Spieler zu verpflichten und ihnen sehr früh Spielpraxis zu gewähren. In Julian Brandt, Jonathan Tah und Kai Havertz hat Trainer Heiko Herrlich ein Trio zur Verfügung, das eine tragende Säule des neuen DFB-Teams bilden könnte.

 Havertz ist bereits Kapitän der deutschen U19 und wurde vergangene Woche mit der Fritz-Walter-Medaille in Gold als bester Nachwuchsspieler seines Jahrgangs geehrt. Schon als 17-Jähriger lief er für die Werkself in der Bundesliga auf und erreichte als jüngster Spieler in der Geschichte die 50-Spiele-Marke. Teamkollege Brandt, der mit 22 Jahren nur unwesentlich älter als Havertz (19) ist, hat ihn bereits als potenziellen „Weltstar“ geadelt.

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Foto: AP/Jose Coelho

 Mesut Özil ist nicht nur das spielerische Vorbild von Havertz. Mittelfristig ist es denkbar, dass der gebürtige Aachener den nach Özils Rücktritt freigewordenen Platz in der Nationalelf einnimmt. Noch steht eine Berufung durch Löw allerdings aus. Sollte sich der Linksfuß aber weiter so entwickeln wie bisher, ist es wohl nur eine Frage der Zeit, bis der Bundestrainer ihn anruft.

 Teamkollege Tah ist hingegen schon mehrere Schritte weiter. Der Innenverteidiger von Bayer 04 gehörte bereits dem EM-Kader 2016 an. Kaum ein zweiter Abwehrspieler in der Liga vereint körperliche Robustheit mit fußballerischer Klasse so wie Tah – und erst recht niemand, der erst 22 Jahre jung ist. Vergleiche mit Jerome Boateng sind erlaubt. Dass bereits Topklubs wie der FC Barcelona den in Hamburg geborenen 1,92-Meter-Mann regelmäßig beobachtet haben sollen, zeigt, dass auch er das Potenzial hat, ein Profi von internationalem Format zu werden.

 Brandt zählte in Russland zu einem der wenigen Lichtblicke im deutschen Kader. Nicht wenige behaupten, dass der 22-Jährige Flügelstürmer in seinen wenigen Einsatzminuten für mehr Gefahr in der gegnerischen Hälfte gesorgt habe als einige Positionskollegen im gesamten Turnier. Brandt ist technisch hochbegabt, hat einen starken Abschluss und spielt zudem mannschaftsdienlich. Sein Faible für die von Löw so geschätzten „besonderen Aktionen“ machen ihn zu einem Kandidaten, der das Gesicht der Nationalelf auf Dauer prägen kann.

 Doch nicht nur Brandt, Tah und Havertz dürften in den kommenden Jahren auf viele Einsätze im DFB-Team kommen. Auch Benjamin Henrichs, der 2017 den Confed Cup mit Deutschland gewann, sollte nicht abgeschrieben werden. Der Rechtsverteidiger der Werkself hat alle Anlagen, sich mit seinen defensiven und offensiven Qualitäten für eine Position zu empfehlen, in der es Deutschland nach dem Lahm-Abgang zweifellos mangelt.

 Das gilt ebenfalls für Leverkusens Sommerzugang aus Berlin: Mitchell Weiser. Auch der U21-Europameister von 2017 ist erst 24 Jahre jung. Im Vergleich zu Henrichs (21) hat er zwar noch kein A-Länderspiel absolviert, dürfte bei entsprechender Leistung aber schnell ins Blickfeld geraten.

 Das letzte Mal, dass Bayer einen großen Block in der DFB-Auswahl gestellt hat, war 2002. Bei der WM in Japan und Südkorea setzte der damalige Teamchef und heutige Sportgeschäftsführer von Bayer 04, Rudi Völler, auf „seine“ Leverkusener. Im Endspiel, das 0:2 gegen Brasilien verloren ging, standen gleich drei Bayer-Profis in der Startformation: Oliver Neuville, Bernd Schneider und Carsten Ramelow. Zudem zählten auch noch der im Endspiel gesperrte Michael Ballack und Ersatztorhüter Jörg Butt zum Kader.

 Die Chancen stehen nicht schlecht, dass es schon bald wieder einen Bayer-Block im Nationalteam gibt. So Löw will.

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