Bayer Leverkusen Wie Heiko Herrlich die Werkself prägt

Leverkusen · Seit der 45-jährige Trainer unter dem Bayer-Kreuz wirkt, hat sich nicht nur aus sportlicher Sicht einiges verändert. Eine Zwischenbilanz.

Heiko Herrlich: Torjäger, Aufstiegstrainer, Leverkusen-Coach
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Das ist Heiko Herrlich

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Foto: dpa/Federico Gambarini

Als Ende Mai die Suche nach dem neuen Trainer auf Hochtouren lief, kursierten viele Gerüchte im Umfeld von Bayer 04: Peter Bosz, David Wagner oder Martin Schmidt galten als Kandidaten, auch Thomas Tuchel wurde als möglicher Nachfolger für Interimscoach Tayfun Korkut gehandelt. Der hatte das völlig verunsicherte Team von Roger Schmidt übernommen und die missratene Spielzeit 2016/17 mit Ach und Krach auf Platz zwölf beendet. Den Namen Heiko Herrlich hatten indes nur wenige auf dem Zettel. Entsprechend groß war die Überraschung, als Geschäftsführer Michael Schade und Sportchef Rudi Völler den 45-Jährigen aus dem Hut zauberten, um die Werkself wieder in den internationalen Fußball zu führen.

Herrlich kam mit der Empfehlung von zwei Aufstiegen an den Rhein. Bei Jahn Regensburg hatte er vorab den Durchmarsch von der vierten in die zweite Liga geschafft. Dass Herrlich 1989 seine schillernde Profikarriere in Leverkusen begann und mit Bayer 04 1993 den DFB-Pokal gewann, passte gut ins Bild. Das biblische Gleichnis des verlorenen Sohnes war ein häufig bemühtes Bild, um seine Rückkehr an die alte Wirkungsstätte zu beschreiben.

Nun geht Herrlich in den sechsten Monat als Cheftrainer der Werkself. Die nüchternen Zahlen: Elf Ligaspiele, vier Siege, vier Unentschieden, drei Niederlagen, 16 Punkte, Platz neun, 23:16 Tore. Dazu hat Leverkusen das Achtelfinale des DFB-Pokals erreicht. Seit sieben Pflichtspielen ist Bayer 04 nun ungeschlagen.

Der Saisonstart verlief holprig. Das Eröffnungsspiel bei Bayern München ging 1:3 verloren - obwohl sich Leverkusen etliche Torchancen erspielte. Danach gab es ein 2:2 gegen Hoffenheim, bei dem Bayer erneut beste Gelegenheiten ausließ. Dem 1:3 in Mainz folgten ein 4:0 gegen Freiburg und ein 1:2 in Berlin. Danach startete die bis dato anhaltende Serie ohne weitere Niederlage. "Wir haben die ersten Spiele eine Durststrecke gehabt, was die Ergebnisse angeht", resümiert Herrlich. "Jetzt haben wir uns stabilisiert. Der Trend geht in die richtige Richtung."

Er setzt im Gegensatz zu Roger Schmidt nicht auf bedingungsloses Pressing und Gegenpressing, sondern auf Ballbesitz, Struktur, Spielaufbau und das geduldige Herausspielen von Torchancen. Die Offensivkraft geht dabei nicht verloren: Rund 15 Mal schießt Bayer 04 pro Spiel auf das gegnerische Tor. Im Schnitt hat die Werkself 58 Prozent Ballbesitz, bei einer erfolgreichen Passquote von 82 Prozent.

Herrlichs Ansprache auf und neben dem Platz ist ebenso klar, wie seine Fußballphilosophie. Unter der Woche kritisierte er öffentlich die lasche Einstellung seiner Profis im Training. Immer wieder betont er, dass Fußball vor allem ein Kampfspiel sei. "Mentalität schlägt Qualität" ist einer seiner Leitsätze. Teamgeist, Einsatzwille, Laufbereitschaft, harte Arbeit sowie das agieren als Kollektiv sind Werte, die er seit seinem Amtsantritt propagiert.

Auch das Binnenklima hat sich geändert, seit Herrlich das Kommando hat. Seine ersten Tage unterm Bayer-Kreuz nutzte der 45-Jährige dem Vernehmen nach unter anderem dafür, sich bei allen Mitarbeitern des Klubs vorzustellen - auch, wenn sie nicht direkt im sportlichen Bereich tätig sind. Er lebt vor, dass das Ganze mehr ist als die Summe seiner Teile. Unter dem als eigenwillig bis schwierig geltenden Ex-Coach Schmidt war das nur bedingt der Fall.

Dieser Stil kommt bei den Spielern an. "Ich bin begeistert vom Trainer", sagt Dominik Kohr. "Wir haben ein Konzept, spielen guten Fußball und kreieren viele Torchancen. Er weiß, wie man als Spieler tickt und wie er mit uns umgehen muss." Auch Kevin Volland äußerte sich zuletzt ähnlich. "Wir sind auf einem guten Weg und bleiben in Reichweite", sagt er mit Blick auf das obere Tabellendrittel - und gibt die Marschrichtung vor: "Wir müssen so weiter machen und Woche für Woche hart arbeiten."

Klingt, als hätte er Herrlichs Philosophie verinnerlicht.

(RP)
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