Topspiel ohne Sieger Bayern gegen Bayer – ein sonderbares Gipfeltreffen

München · Das 1:1 zwischen dem FC Bayern München und Bayer 04 Leverkusen liefert eine ganze Reihe statistischer Ausreißer – und wirft letztlich mehr Fragen auf, als es Antworten gibt.

Bayers Torschütze Robert Andrich (r.) holt seinen DFB-Kollegen Jamal Musiala vor den Augen von Schiedsrichter Felix Zwayer von den Beinen.

Foto: dpa/Peter Kneffel

Trainerlegende Sepp Herberger erklärte die Faszination des Fußballs einst wie folgt: „Die Leute gehen ins Stadion, weil sie nicht wissen, wie es ausgeht.“ Nun ist die Punkteteilung zwischen Meister Bayer Leverkusen und Rekordsieger Bayern München sicher kein Ergebnis, mit dem im Vorfeld niemand hätte rechnen können. Und doch brachte das 1:1 (1:1) beim Gipfeltreffen in der bayrischen Landeshauptstadt viel Unvorhergesehenes mit sich.

Zum einen wäre da die Art und Weise, wie dominant der unter Trainer Vincent Kompany umstrukturierte FCB auftrat. Der Tabellenführer drängte die seit nun 20 Ligaspielen auf fremden Plätzen ungeschlagene Werkself die gesamte Spielzeit über tief in deren eigene Hälfte und eroberte sich verlorengegangene Bälle umgehend zurück. Die Folge waren nur 31 Prozent Ballbesitz für Bayer – nie zuvor hatte Leverkusen unter Trainer Xabi Alonso weniger.

Bayern München – Bayer Leverkusen: die Werkself nach Noten
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Bayern München – Bayer Leverkusen: die Werkself nach Noten

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Foto: AP/Matthias Schrader

Zum anderen hatte das fehlende Spiel mit dem Ball Auswirkungen auf die Offensive der Werkself. Lediglich drei Torschüsse gaben die Profis der Rheinländer ab. Auch das ist ein Negativrekord unter Alonso. Die zuletzt anfällige Abwehr des Doublesiegers zu stärken, gehörte zwar zum Plan des Spaniers. Wie selten die zweitstärkste Offensive der Liga dann aber ihr eigenes Spiel aufziehen konnte, wird dem 42-Jährigen dennoch missfallen haben.

Nicht wenige hatten erwartet, dass Florian Wirtz und Jamal Musiala, der Partie ihren Stempel aufdrücken würden. Leverkusens Ausnahmekönner war jedoch vorrangig mit defensiven Aufgaben beschäftigt, und auch sein DFB-Teamkollege Musiala trat nicht als Spielentscheider in Erscheinung. Dafür rückten zwei Abräumer aus der deutschen Nationalmannschaft in den Fokus. Robert Andrich brachte Bayer nach 31 Minuten in Führung, Aleksandar Pavlovic traf wenig später sehenswert aus der Distanz noch vor der Halbzeit zum Endstand (39.).

Einen sonderbaren Abend erlebte zudem Harry Kane. Bayerns Top-Torjäger blieb zum ersten Mal seit drei Jahren als Startelfspieler in der Liga ohne Abschluss. Damals stand der Mittelstürmer noch als Profi bei Tottenham Hotspur unter Vertrag. In den ersten sechs Pflichtspielen dieser Saison hatte der Engländer für herausragende zehn Tore und fünf Vorlagen verantwortlich gezeichnet.

In der Analyse der Partie gingen die Meinungen, ob die Punkteteilung nun gerecht war, stark auseinander. „Wir hätten mehr verdient, weil wir die klar bessere Mannschaft waren“, sagte Bayerns Torhüter Manuel Neuer. Jonathan Tah hingegen weigerte sich, von einem für Leverkusen glücklichen Remis zu sprechen. „In den vergangenen Wochen wurden wir gefragt, ob wir bereit wären, eine defensive Top-Leistung gegen einen Top-Gegner abzuliefern. Jetzt haben wir gezeigt, dass wir es sind“, sagte der Abwehrchef der Werkself. „Wenn die Bayern zehn klare Chancen gehabt hätten, hätte man von einem glücklichen Punkt sprechen können.“ Das aber war nicht der Fall.

Bleibt die Frage, was von diesem – gemessen an den Erwartungen – ebenso ungewöhnlichen wie unspektakulären Gipfeltreffen am fünften Spieltag bleibt. Da wäre die Erkenntnis, dass dieses Bayern-Team nur noch wenig mit der Mannschaft gemein hat, die in der Vorsaison erstmals seit mehr als einer Dekade ohne Titel geblieben ist. Sich noch einmal so von der Konkurrenz düpieren zu lassen, erscheint nach den Leistungen in den ersten Saisonwochen ausgeschlossen.

Aus Leverkusener Sicht war es wichtig, zu sehen, dass auch im aktuellen Team Wille und Qualität vorhanden sind, stark zu verteidigen. Schließlich war das allen offensiven Glanzleistungen im Meisterjahr zum Trotz der Schlüssel zum Erfolg. „Ich brauchte mehr Energie von der Mannschaft, damit bin ich zufrieden. Wir waren bereit, zu leiden und das haben wir gemacht. Wir brauchen die Disziplin und die Leidenschaft der Spieler“, sagte Alonso.

Durch das Remis bleibt es vorerst beim Drei-Punkte-Vorsprung der Münchner auf Leverkusen. „Wir wollten hier unbedingt punkten. Die Bayern sollten nicht das Gefühl bekommen, dass ihnen niemand hinterherläuft“, sagte Gäste-Kapitän Lukas Hradecky.

Ein spannender Titelkampf ist sicher auch im Sinne der Liga. Schließlich will niemand schon jetzt wissen, wie die Saison im Mai endet.