Transfer perfekt Kai Havertz wechselt zum FC Chelsea

Leverkusen · Nationalspieler Kai Havertz verlässt Bayer Leverkusen und wechselt mit sofortiger Wirkung zum FC Chelsea. Der Premier-League-Klub aus London akzeptierte die Leverkusener Transferbedingungen. Havertz hat bei den „Blues“ einen Fünf-Jahres-Vertrag unterschrieben.

 Kai Havertz.

Kai Havertz.

Foto: dpa/Martin Meissner

„Kai hat zehn Jahre lang für uns gespielt, vier Jahre davon in unserer Lizenzmannschaft. In dieser Zeit ist er bei uns Nationalspieler geworden und hat trotz seiner Jugend bereits Herausragendes geleistet“, betont Sport-Geschäftsführer Rudi Völler. Für ihn ist der erst 21-Jährige „schon jetzt Weltklasse, mit Sicherheit einer der Besten, die jemals für Bayer 04 gespielt haben. In den kommenden Jahren wird Kai auch in der extrem fordernden englischen Liga beweisen, welch großartiger Fußballer er ist.“

Kai Havertz bei der EM 2021: Das deutsche Ausnahmetalent im Porträt
15 Bilder

Das ist Kai Havertz

15 Bilder
Foto: AP/Jose Coelho

Havertz verlässt Leverkusen mit durchaus zwiespältigen Gefühlen: „Ich war so lange hier und habe mit so vielen Menschen – mit Trainern, Mitspielern, Betreuern und Fans – wirklich wunderbare Dinge erlebt. Das legt man nicht einfach mit einem Trikottausch ab“, betont der Offensivspieler. „Ich möchte allen in Leverkusen, die mich in diesen zehn Jahren begleitet und unterstützt haben, von Herzen danken. Hier bin ich groß geworden, hier wurde ich erwachsen – als Fußballer und auch als Mensch“, sagt Havertz. „Aber jetzt sehe ich die Zeit gekommen, etwas Neues zu beginnen. Und auch darauf freue ich mich.“

Eine Ahnung, dass Havertz tatsächlich der Ausnahmespieler ist, für den er schon als Jugendspieler gehalten wurde, beschlich die breite Öffentlichkeit wohl spätestens im Februar 2017. Die Werkself gewann 3:1 in Augsburg, Karim Bellarabi erzielte das 50.000. Tor der Bundesligageschichte und der an den FCA ausgeliehene Dominik Kohr traf gegen seinen Ausbildungsverein. Der Sieg verschaffte Bayers damals in der Kritik stehenden Trainer Roger Schmidt Luft. Es war ein Spiel, das viele Geschichten hergab. Und doch interessierten sich alle nur für den jungen Mann, der zwei Tore vorbereitete, nach dem Schlusspfiff aber trotzdem wortlos mit Kopfhörern und Kapuze auf dem Kopf an Kameras und Mikrofonen vorbei Richtung Mannschaftsbus ging: Kai Havertz.

Teuerste deutsche Fußballer: Kai Havertz, Timo Werner, Leroy Sané
24 Bilder

Die teuersten deutschen Fußballer

24 Bilder
Foto: AP/Martin Meissner

Andere Spieler sprachen dafür über den Bubi, der sich gerade anschickte, die Bundesliga zu erobern – oder besser gesagt: sie schwärmten. Bellarabi beschrieb die Fähigkeiten des Teamkollegen als „sagenhaft“ und Lars Bender adelte den Jungspund als den „komplettesten 17-Jährigen, den ich je im Training erlebt habe“. Aus dem Teenager, war sich der Kapitän sicher, könne „noch richtig was werden.“ Er sollte recht behalten. Gut drei Jahre später wechselt der längst zum Nationalspieler avancierte Leistungsträger der Werkself für kolportierte 100 Millionen Euro zum FC Chelsea in die Premier League und ist der teuerste deutsche Fußballspieler aller Zeiten. „Kai ist ein außergewöhnlicher Spieler. Er war zehn Jahre bei uns, ist hier ausgebildet worden und natürlich hätten wir ihn gerne behalten. Wirtschaftlich betrachtet gibt uns der Transfer aber auch neue Chancen und Möglichkeiten“, sagt Geschäftsführer Fernando Carro. Sein neues Jahresgehalt liegt dem Vernehmen nach bei etwa 20 Millionen Euro.

Bis dahin war es freilich ein langer Weg. Im Grundschulalter wechselte Havertz aus der Jugend von Alemannia Aachen nach Leverkusen. Zuvor lernte er bei Alemannia Mariadorf die ersten Schritte in Fußballschuhen. Beim Werksklub durchlief er alle Jugendmannschaften, wurde 2016 mit Bayer in der B-Junioren-Bundesliga Deutscher Meister und war mit 19 Toren sowie einer Vorlage in 29 Spielen eine Säule des Erfolgs. Im August gleichen Jahres erhielt Havertz einen langfristigen Vertrag bei der Werkself und trainierte fortan bei den Profis. Bereits im September gehörte er erstmals dem Bundesligakader an, im Oktober kam er beim 1:2 bei Werder Bremen zu seinem Bundesligadebüt.

Es folgte ein Aufstieg, der steiler kaum sein könnte. Der Sportgerichtshof sperrte im Februar 2017 Hakan Calhanoglu wegen Transferquerelen für vier Monate. Coach Schmidt vertraute in der Not dem eigentlichen Nachwuchsspieler die Rolle des Spielmachers an – und nicht nur die Gala in Augsburg bestätigte ihn in der Entscheidung. Im April erzielte das Eigengewächs gegen Wolfsburg sein erstes Bundesligator und löste damit seinen guten Freund Julian Brandt als jüngster Torschütze der Klubgeschichte ab.

Havertz spielte viel und überzeugte. Quasi „nebenbei“ bestand er zudem sein Abitur am Landrat-Lucas-Gymnasium in Leverkusen Opladen. Darauf legte der Verein stets großen Wert. Zum Trainingsstart der Saison 2017/18 unterschrieb er seinen ersten Profivertrag bis 2022. Auch unter Schmidts Nachfolger Heiko Herrlich war der gebürtige Aachener Stammspieler und absolvierte 35 von 39 möglichen Pflichtspielen. In der folgenden Spielzeit stieg Havertz endgültig zum wertvollsten Profi beim Werksklub auf. Kein zweiter Offensivspieler der Liga brachte die Bälle sicherer an den Mann als das Bayer-Juwel, kaum ein anderer Spieler sprintete schneller als er.

Den krassesten Sprung, den er in der Saison aber machte, war der zum Torjäger. Nach vier Bundesliga-Treffern im Vorjahr steigerte Havertz seine Ausbeute auf 17. Neun Mal gelang ihm dabei das 1:0 für seine Mannschaft. Bayers Sportgeschäftsführer Rudi Völler adelte ihn zu dem Zeitpunkt bereits als Jahrhunderttalent. „Er hat dieses Selbstverständliche, den Ball zu streicheln und Dinge, die bei ihm ganz einfach aussehen, in absoluter Gelassenheit vorzubereiten“, schwärmte der Weltmeister von 1990.

Sein Debüt in der Nationalmannschaft gab der Leverkusener im September 2018 in einem Test gegen Peru. Bundestrainer Joachim Löw bezeichnete den technisch versierten, schnellen, spielintelligenten, torgefährlichen und kopfballstarken Offensivakteur als „Spieler der nächsten Jahre“. Eine Meinung über den ersten U20 –Spieler der Bundesligageschichte, dem 17 Tore gelangen, mit der er gewiss nicht alleine ist.

An Angeboten für Havertz dürfte es dem Werksklub schon im Sommer 2019 nicht gemangelt haben. Dennoch einigten sich Klub und Spieler auf eine weitere Saison unter dem Bayer-Kreuz. Und auch in der durch die Corona-Pandemie zerpflückten vergangenen Spielzeit enttäuschte der inzwischen 21-Jährige nicht. Nach einer für seine Verhältnisse durchwachsenen Hinrunde, die in Pfiffen der eigenen Fans im letzten Heimspiel vor dem Jahreswechsel mündeten, war es in der Rückrunde wieder einmal Havertz, der den Ton angab. 15 Tore erzielte der von Coach Peter Bosz nach dem Neustart häufig auch als zentrale Spitze eingesetzte Angreifer allein im Kalenderjahr 2020.

Keine Frage: In Leverkusen fand das Eigengewächs ideale Bedingungen vor, um sich zu dem Spieler zu entwickeln, der er ist. Das Umfeld ist vergleichsweise ruhig, die Bedingungen erstklassig, und jungen, talentierten Spielern wird Vertrauen sowie Einsatzzeit gewährt. Doch nun ist er bereit für den nächsten Schritt. Im Sommer 2019 sagte Havertz, dass er seine Zukunft bei einem absoluten Topklub sieht, dass er möglichst viele Titel gewinnen und irgendwann auf eine Weltkarriere zurückblicken will. Der Schritt in die Premier League ist daher folgerichtig. Was die Zukunft für den teuersten deutschen Fußballspieler aller Zeiten bringt, wird sich zeigen. Setzt er seine Entwicklung wie bislang fort, sind ihm sportlich keine Grenzen gesetzt.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort