Wie Technik das Scouting verändert „Es gibt noch keine Maßeinheit für Leistung im Fußball“

Wie verändert Technik das Scouting im Fußball? Darüber haben Ex-Fußballprofi Stefan Reinartz und Jonas Boldt, Sportdirektor von Bayer 04 Leverkusen, beim digitalen Sportgipfel von „Whatsgoal“ in Düsseldorf gesprochen.

 Bayer 04-Sportdirektor Jonas Boldt.

Bayer 04-Sportdirektor Jonas Boldt.

Foto: KSMediaNet

Als Jonas Boldt (36) im Scoutingbereich von Bayer 04 Leverkusen angefangen hat, da funktionierte das Rekrutieren junger Fußballtalente noch per Videokassette. „Es war ein echter Akt, Videos zu drehen und aufzubereiten“, sagte Boldt am Donnerstagabend bei seinem Vortrag im Düsseldorfer Stahlwerk. Gemeinsam mit Ex-Bayer-04-Spieler Stefan Reinartz erklärte er, wie sich das Scouting weiterentwickelt hat.

In vielen Klubs laufe der Prozess oft auf diese Weise ab: Talentscouts fahren raus auf die Sportplätze und versuchen, sich einen Überblick über den Markt zu verschaffen. „Reiner Calmund hat Spieler in Südamerika oder Asien ausgegraben, die vorher keiner kannte“, sagte Reinartz. Das gebe es längst nicht mehr. „Jeder Verein kennt jeden Spieler auf dem Markt.“ Problematisch sei das System dennoch, weil Scouts irren könnten und zudem teuer seien, zudem seien sie subjektiv. „Die Schwierigkeit lag immer darin, vielversprechende Talente aus der Masse herauszufiltern. Fußballdaten hat es lange Zeit nicht gegeben“, sagte Reinartz.

Der ehemalige Fußballprofi ist vor einigen Jahren angetreten, um für das Scouting eine Datenbasis zu schaffen. Er ist Mitbegründer des Unternehmens „Impect“, das Leistungsdaten erfasst. Reinartz will mit dem Analysetool „Packing“ Leistung im Fußball messbar machen. Es beschreibt das Überspielen von „x“ Gegnern mit einem einzigen Pass. „Packing“ ist ein Ansatz von vielen, sagt er. „Es gibt noch keine Maßeinheit für Leistung im Fußball“, erklärte er. „In der Leichtathletik gibt es das: beim Sprinten die Sekunden, beim Springen die Meter und beim Gewichtheben die Kilogramm.“ Die Zahl der Tore im Fußball hingegen sei kaum ein valider Wert, auch die Aufgaben der Spieler auf dem Feld zu unterschiedlich, als dass sie vergleichbar wären. Neue Kameras könnten mittlerweile 25 Mal pro Sekunde aufzeichnen, wo der Spieler wann auf dem Feld steht und wie er sich in Spielsituationen verhält. Die Technologie helfe, dass sichtbar wird, was das Auge eines Scouts nicht erkennen kann. Die Ergebnisse wiederum machten Leistung transparent und Spielerqualität besser messbar.

Boldt lobte die neuen Ansätze, stellte aber auch klar: „Eine Datenbank kann so viele Namen ausspucken, wie sie möchte. Am Ende braucht es Menschen mit Charakter in einem Team.“ Eine Fußballmannschaft sei nach wie vor ein Gefüge: „Da stehen Menschen auf dem Platz. Und die unterschiedlichen Charaktere müssen auf dem Platz harmonieren“, so Boldt. Er nutze Statistiken auch, aber: „Der Bezug zum Fußball ist entscheidend. Es kommt am Ende auf den Faktor Mensch an.“

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