Bayer-Wunder gegen Espanyol Barcelona Wie Christian Schreier „Mr. Europacup" wurde

Leverkusen · Vor 30 Jahren gewann Bayer 04 Leverkusen den Uefa-Pokal. Christian Schreier war im Finale dabei - obwohl er es nicht hätte sein dürfen.

 Rudiger Vollborn (r.) ballt seine Fäuste, nachdem er den Elfmeter von Manuel Zuniga (Nr. 14) gehalten hat.

Rudiger Vollborn (r.) ballt seine Fäuste, nachdem er den Elfmeter von Manuel Zuniga (Nr. 14) gehalten hat.

Foto: Peter Thönes (archiv)

Es ist Mittwoch, der 18. Mai 1988. Das Ulrich-Haberland-Stadion ist mit 22.000 Zuschauern restlos gefüllt. Um sich den Traum vom Titel zu erfüllen, hoffen die Fans von Bayer Leverkusen auf ein Fußballwunder. Zum Finalrückspiel um den Uefa-Pokal empfängt der Bundesligist an diesem Abend den Favoriten Espanyol Barcelona. Das Hinspiel zwei Wochen zuvor haben die Spanier nach einem Doppelpack von Sebastián Losada und einem weiteren Treffer durch Miquel Soler klar mit 3:0 gewonnen - die von Erich Ribbeck trainierte Werkself steht mit dem Rücken zur Wand.

 Zünftige Kabinenfeier inklusive Sektdusche: Knut Reinhardt, Christian Schreier und Klaus Täuber (v.l.) begießen den bis heute größten Erfolg in der Leverkusener Vereinsgeschichte nach dem Sieg im Elfmeterschießen gegen Espanyol Barcelona.

Zünftige Kabinenfeier inklusive Sektdusche: Knut Reinhardt, Christian Schreier und Klaus Täuber (v.l.) begießen den bis heute größten Erfolg in der Leverkusener Vereinsgeschichte nach dem Sieg im Elfmeterschießen gegen Espanyol Barcelona.

Foto: imago

Christian Schreier erinnert sich noch gut an die Stimmungslage vor dem Rückspiel. "Niemand hat mehr einen Pfifferling auf uns gewettet", sagt der ehemalige Leverkusener. Dass er an jenem Abend in der Startformation stand, war bereits das erste Fußballwunder, das die Fans erlebten. Nach einem Foulspiel von Uli Borowka im Halbfinale des Uefa-Cups gegen Ligakonkurrent Werder Bremen hatte sich Schreier einen Adduktorenanriss zugezogen. Eine Diagnose, die unter normalen Umständen das sichere Saison-Aus für ihn bedeutet hätte.

Aufgrund der Verletzung verpasste Schreier zehn Pflichtspiele in Serie. In Anbetracht der drohenden Finalpleite gegen Barcelona bekniete ihn Ribbeck jedoch, für das Rückspiel auf die Zähne zu beißen. "Ich hätte nicht dabei sein dürfen", sagt der heute 59-Jährige. "Aber der Trainer hat mir gesagt, dass ich spielen muss. Also habe ich gespielt."

Obwohl Schreier nach eigenem Bekunden "kaum laufen" konnte, kam er als Mittelstürmer noch zu zwei Kopfballchancen. Ribbecks Plan, allein mit Schreiers Präsenz auf dem Rasen den Gegner zu verunsichern, ging aber nur halb auf. Nach 45 Minuten stand es 0:0 - das Wunder schien auszubleiben. Den angeschlagenen Schreier ersetzte Herbert Waas zur Halbzeit. "Ich habe die Jungs dann von der Bank aus heiß gemacht", blickt der gebürtige Castrop-Rauxeler zurück.

Der Rest ist der Partie ist Leverkusener Klubgeschichte: Tita (57.), Falko Götz (63.) und Bum-kun Cha (81.) erzwangen die Verlängerung. "Die Atmosphäre im Stadion war außergewöhnlich", sagt Schreier. Ob jemals Zweifel bei ihm aufkamen? "Nein. Wir haben immer an unsere Chance geglaubt."

Nachdem es auch in der Verlängerung torlos blieb, wurde der Sieger im Elfmeterschießen ermittelt. Rüdiger Vollborn, der sich entschlossen hatte, die spanischen Schützen mit den Armbewegungen einer rudernden Ente nervös zu machen, avancierte zum Helden, parierte einen Strafstoß von Manuel Zuniga und brachte auch Santi Urkiaga und Losada dazu, das Tor zu verfehlen. Für Leverkusen trafen derweil Wolfgang Rolff, Waas und Klaus Täuber. Was folgte, war Ekstase pur. "In der Liga haben wir unsere Leistung in der Saison nicht immer abgerufen, aber im Endeffekt war alles gut", sagt Schreier rückblickend.

Auch wenn er im Finale keine entscheidende Rolle spielte, ist Leverkusens größter Kluberfolg eng mit seinem Namen verknüpft. Nicht nur half Schreier mit seinem Tor zum 2:2-Endstand am letzten Spieltag der Saison 1985/86 in Gelsenkirchen, dass sich Bayer erstmalig für den Europapokal qualifizierte. Nein, er erzielte in der darauffolgenden Spielzeit auch gleich die ersten beiden Treffer beim 4:1-Sieg in Schweden bei Kalmar FF. Auf dem Weg zum Titel 87/88 gelangen ihm sogar drei Treffer - darunter das 1:0-Siegtor in der 2. Runde gegen den FC Toulouse. Seinen Spitznamen "Mr. Europacup", den er aufgrund seiner Tore auf dem Weg ins Endspiel verpasst bekam, hört er freilich auch heute noch gerne.

Darauf bestehen will der Held von 1988 aber nicht: "Wenn mich jemand Christian ruft, ist mir das genauso lieb."

(sb)
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