Minimalziele in Gefahr Bayer spürt den Druck auf allen Ebenen

Leverkusen · Das Spiel bei Hertha BSC ist wohl die letzte Chance, die schwierige Saison in die richtige Richtung zu lenken – für Bayer Leverkusens Trainer Peter Bosz, die verunsicherte Mannschaft und die Entscheider in der Chefetage des Werksklubs.

 Leverkusens Peter Bosz (r.) und Sportdirektor Simon Rolfes sitzen mit ernstem Blick auf der Trainerbank.

Leverkusens Peter Bosz (r.) und Sportdirektor Simon Rolfes sitzen mit ernstem Blick auf der Trainerbank.

Foto: dpa/Andreas Gora

Wenn es bei einer Mannschaft im Profifußball nicht läuft, ist schnell von den „üblichen Mechanismen der Branche“ die Rede. Gemeint ist die unausweichliche Konsequenz aus anhaltend schlechten Ergebnissen: Der Trainer muss gehen. Man habe nach reiflicher Überlegung entschieden, einen neuen Impuls zu setzen, weil die Saisonziele in akuter Gefahr seien, heißt es dann in den entsprechenden Klubmitteilungen. Man sei bei aller Wertschätzung für die hervorragende tägliche Arbeit des Trainers zum Handeln gezwungen gewesen. So bedauerlich das auch sei. Danke, alles Gute und auf Wiedersehen.

So weit ist es bei Peter Bosz und der Werkself noch nicht, doch der 57-Jährige ist angezählt. Sieben Punkte aus bislang acht Rückrundenspielen sind viel zu wenig. Das gilt auch für drei Siege aus den vergangenen 13 Partien in der Liga. Öffentlich stärken Sportdirektor Simon Rolfes und Sportgeschäftsführer Rudi Völler dem Niederländer den Rücken, doch von Nibelungentreue kann keine Rede sein. Der Anspruch von Bayer Leverkusen ist, Champions League zu spielen. Klappt das nicht, soll es mindestens die Europa League sein. Nach dem 1:2 gegen Bielefeld wackelt aber selbst das Minimalziel.

Die Werkself belegt mit 40 Punkten Platz sechs, dahinter lauern Union Berlin (38) sowie der VfB Stuttgart (36). Immerhin: Eintracht Frankfurt ist auf Platz vier noch in Reichweite (44). Am Sonntag steht Bayer quasi unter Siegzwang, wenn es nicht tiefer in den Abwärtsstrudel gesogen werden will. Neun Spiele sind in der Bundesliga noch zu absolvieren, 27 Punkte zu vergeben. Gewänne Leverkusen ab jetzt alle Partien, stünden 67 Zähler und damit wohl Platz drei oder vier in der Endabrechnung. In den vergangenen Jahren hätte es jedenfalls dafür gereicht. Zudem wäre die Idealvorstellung von Geschäftsführer Fernando Carro, im Schnitt zwei Punkte pro Partie zu gewinnen und am Ende mit 68 Punkten dazustehen, nur knapp verfehlt.

Doch dieses Szenario ist extrem unrealistisch. Der Druck, in Berlin gewinnen zu müssen, ist indes real. Das gilt nicht nur für Bosz, sondern auch für die Spieler. „Natürlich wäre es sportlich eine große Enttäuschung und hätte auch finanziell Auswirkungen für uns als Klub. Dann müssten wir einige Dinge anpassen“, sagte Rolfes unlängst mit Blick auf das mögliche Verpassen der Champions League. Völler wurde noch deutlicher und sprach davon, dass im Ernstfall Spielerverkäufe drohen – erst recht, wenn europäischer Fußball in der kommenden Saison gar komplett ohne Leverkusen stattfände.

Und die Chefetage des Werksklubs steht unter dem Druck, die richtigen Entscheidungen zu treffen, wenn auch das Spiel bei der Hertha nicht wie erhofft mit drei Punkten endet. Die unangenehmste Frage dürfte dabei sein: Gelingt die Wende mit Bosz – oder nur noch ohne ihn? Bei allem Verletzungspech bleibt es bemerkenswert, dass die Mannschaft, die im ersten Saisondrittel überragte und bis auf Platz eins vorrückte, seit dem Jahreswechsel bis auf wenige Ausnahmen einen Fehlschlag an den nächsten reiht – inklusive des kläglichen Ausscheidens aus DFB-Pokal und Europa League.

Die berüchtigten Mechanismen der Branche greifen bei Bayer zwar noch nicht komplett, aber sie sind bereits in Bewegung geraten, angetrieben von der Ergebniskrise.

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