Unberechenbare Werkself So mischt Bayer Leverkusen die Liga auf

Analyse | Leverkusen · Mit dem 4:2 gegen Stuttgart ist Leverkusen seinem Ruf als Spitzenteam erneut gerecht geworden. Der jüngste Erfolg fußt auf einem Mix aus neuem Selbstverständnis, Resilienz und der Fähigkeit, Spiele auf unterschiedliche Weise zu entscheiden.

 Leverkusens Edmond Tapsoba (l.) und Stuttgarts Doppeltorschütze Tiago Tomas kämpfen um den Ball.

Leverkusens Edmond Tapsoba (l.) und Stuttgarts Doppeltorschütze Tiago Tomas kämpfen um den Ball.

Foto: dpa/David Inderlied

Die Werkself macht weiter von sich reden. Nach dem mühsamen aber verdienten 4:2 (1:0)-Erfolg gegen den abstiegsbedrohten VfB Stuttgart belegt die Mannschaft von Trainer Gerardo Seoane nach 22 Spieltagen mit 41 Punkten hinter München und Dortmund den dritten Platz. Besser waren die Leverkusener zu diesem Zeitpunkt der Saison zuletzt in der Spielzeit 2013/14, als sie 43 Zähler auf dem Konto hatten. Bayer 04 ist auf Kurs in Richtung Champions League – und das hat Gründe.

Bayer 04 findet viele Wege, um zu gewinnen. Bei der jüngsten, vier Spiele andauernden Siegesserie hat die Mannschaft des Werksklubs bewiesen, dass sie Partien auf unterschiedliche Arten für sich entscheiden kann. In Gladbach und Dortmund überzeugte sie mit Tempo- und Umschaltspiel, gegen Augsburg und Stuttgart mit viel Ballbesitz und starken Einzelaktionen. „Das zeigt, dass wir gegen unterschiedliche Gegner bestehen können – und das bringt natürlich Selbstvertrauen“, betont Seoane. Oft wurde bei den Vorgängern des Schweizers ein fehlender Plan B kritisiert. Inzwischen macht es den Eindruck, als gebe es unter dem Bayer-Kreuz nicht nur diesen, sondern auch einen Plan C und D.

Bayer 04 lässt sich nicht mehr schocken. Späte Gegentreffer, verschossene Elfmeter (sogar zwei in einem Spiel), Eigentore, Corona-Infektionen oder Länderspielabstellungen – Leverkusen hätte genügend Ausreden, warum es in den vergangenen Duellen hier und da nicht zum Sieg hätte gereicht haben können. Doch im Unterschied zur Hinrunde, als die Werkself gleich drei Mal einen Zwei-Tore-Vorsprung aus der Hand gab, präsentiert sich die Mannschaft in 2022 bislang besonders widerstandsfähig. Das Team hat Antworten auf fast alle Fragen, die ihm auf dem Rasen gestellt werden. Stuttgart gleich kurz nach dem Wiederanpfiff aus? Bayer geht prompt erneut in Führung. Stuttgart verkürzt auf 3:2 – Bayer entscheidet das Spiel im nächsten Angriff endgültig. Die Resilienz, der vergangenen Wochen ist eine neue Qualität der Rheinländer.

Bayer 04 ist nicht mehr abhängig von den Leistungen einzelner Spieler. Eins vorweg: Natürlich gibt es nach wie vor Schlüsselspieler im Kader der Werkself. Das Genie eines Ausnahmetalents wie Florian Wirtz oder der Torriecher eines Patrik Schicks lassen sich freilich nur schwer bis gar nicht ersetzen. Allerdings wirkt der Kader in dieser Spielzeit harmonischer zusammengestellt. Jede Position ist doppelt besetzt. Wohl und Wehe des Werksklubs korrelieren nicht mehr so stark mit den Leistungen einzelner Profis wie früher von Kai Havertz oder denen der Bender-Zwillinge. Die neue Unberechenbarkeit spiegelt sich auch in der Statistik wider. In der Rückrunde hat Bayer bislang 18 Tore geschossen – bei neun unterschiedlichen Torschützen.

Noten: Bayer Leverkusen in der Einzelkritik gegen VfB Stuttgart
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Bayer – Stuttgart: die Werkself in der Einzelkritik

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Foto: AFP/UWE KRAFT

Bayer 04 glaubt an die eigene Stärke. Das Team weiß, was es kann und zeigt es. Dazu gehört, dass es gegen jede Mannschaft der Liga zu jedem Zeitpunkt eines Spiels ein Tor erzielen kann. Diese Denk- und die daraus resultierende Spielweise birgt Risiken: Der letzte Zu-Null-Sieg datiert vom 20. November (1:0 gegen den VfL Bochum). Bayer 04 nimmt den Umstand, Spiele eher spektakulär zu gewinnen, in Kauf. Das gilt auch für Lukas Hradecky „Die Gegentore bleiben ein Thema“, sagt der Torwart, „aber man sollte daraus jetzt auch nicht ein großes Problem machen.“

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