Bayers Kultfigur hört auf Rudi Völler übergibt einen Topklub
Leverkusen · Mit dem Spiel am Samstag gegen den SC Freiburg nimmt Rudi Völler als Sportgeschäftsführer von Bayer 04 Leverkusen Abschied. Er hinterlässt ein bestelltes Feld.
Was genau vor dem Anpfiff passiert, ist unklar. Gewiss ist aber, dass es emotional in Leverkusen werden dürfte. Nach dem Sieg vergangene Woche bei der TSG Hoffenheim waren Erleichterung und Freude die vorherrschenden Gefühle bei Rudi Völler. Platz drei und damit die Rückkehr in die Champions League sind seitdem gesichert. Vor dem Spiel zum Abschluss der Saison gegen den SC Freiburg kommt bei dem scheidenden Sportgeschäftsführer wohl auch eine große Portion Wehmut hinzu.
Völlers Zeit als die prägende Persönlichkeit des Werksklubs endet, aber er geht nicht so ganz. Die Kultfigur mit bundesweiter Strahlkraft wechselt in den Gesellschafterausschuss und soll als Botschafter erhalten bleiben. Dennoch übertrifft der Abschied des 62-Jährigen am Samstag das Sportliche. Womöglich fließt bei ihm auch die ein oder andere Träne, wenn er von Fans und Wegbegleitern gefeiert wird.
Gründe dafür gibt es reichlich. Der gebürtige Hanauer gehört seit Jahrzehnten zur Identität Fußballdeutschlands. Bei Werder Bremen avancierte Völler in den 1980er Jahren zum Weltklasse-Stürmer, 1990 wurde er Weltmeister, 1991 gewann er mit der AS Rom den italienischen Pokal und 1993 mit Olympique Marseille die Champions League. Ein Jahr später kehrte er nach Deutschland zurück – genauer gesagt nach Leverkusen, wo er 1996 seine Karriere als Profi beendete, von Ruhestand aber nichts wissen wollte. Stattdessen wurde er Bayers Sportdirektor, von 2000 bis 2004 Teamchef des DFB, und nach einem Intermezzo als Trainer der AS Rom wieder Sportdirektor in Leverkusen. Seit 2018 ist er Sportgeschäftsführer.
Die Entwicklung zu einem Topklub der Bundesliga ist Völlers Vermächtnis. Das gilt auch für seine legendären Wutreden, wenn es mal nicht so lief, wie erhofft. All das ist Teil des kollektiven Fußballgedächtnisses. Zu seiner Geschichte gehört ebenfalls die Spuck-Attacke von Frank Rijkaard oder die von ihm nicht unbedingt geschätzte, dafür umso einprägsamere Fan-Hymne, die seine Einzigartigkeit betont. Vielleicht geht ihm all das vor dem Anpfiff wie im Zeitraffer durch den Kopf – gekoppelt an den Gedanken, dass er seinem seit 2018 aufgebauten Nachfolger Simon Rolfes ein bestelltes Feld hinterlässt.
Alle Leistungsträger sind langfristig gebunden, in Patrik Schick hat die Werkself zudem einen Ausnahmestürmer in ihren Reihen, den Völler als Kenner der italienischen Liga lange auf dem Zettel hatte. Der Wechsel des zuvor von der AS Rom an RB Leipzig ausgeliehenen Tschechen ins Rheinland vor knapp zwei Jahren ist einer von vielen gelungenen Transfers unter Völlers Regie.
Trainer Gerardo Seoane will dem Abschied der Klubikone einen würdigen Rahmen bereiten – auch, weil es für den Gegner aus Freiburg noch um viel geht. Das Team von Trainer Christian Streich kann theoretisch noch Historisches schaffen und erstmals in die Champions League einziehen. „Wir wollen noch einmal eine gute Leistung auf den Platz bringen, um Rudi zum Schluss einen Sieg zu schenken“, sagt der Coach. „Wir haben alle von seiner Erfahrung und seinem Know-how profitiert und wissen, was er nicht nur für Bayer, sondern auch für den deutschen Fußball geleistet hat.“