Herr Völler, Sie sagten vor Ihrem Abschied am letzten Spieltag in der BayArena, Sie würden nicht wehmütig werden. War es so?
Rudi Völler im Interview „Ich werde sicher nicht den Besserwisser geben“
Der scheidende Sportgeschäftsführer von Bayer 04 Leverkusen, Rudi Völler, spricht darüber, wie es nach seinem Abschied für ihn weitergeht.
Völler Obwohl ich lange in Südeuropa gelebt habe, bin ich in solchen Dingen deutsch geblieben. Wenn ich mit etwas abschließe, schließe ich damit ab. Aber es war natürlich ein sehr bewegender Tag. Auch die Stimmung war außergewöhnlich. Es macht mich stolz, dass die Leute Freude haben an unserem Fußball und sich richtig viel entwickelt hat in Leverkusen. Ich hätte nie für möglich gehalten, dass wir mehr Tore schießen als die Weltklasse-Mannschaft von 2002.
Werden wir Sie denn künftig noch sehen und hören?
Völler Ich werde sicher auch mal ab und zu meine Meinung sagen, wenn ich das Gefühl habe, meinen Club verteidigen zu müssen oder dass mal was Kritisches gesagt werden sollte. Aber, da kann man sich auf mich verlassen, alles mit einem gewissen Augenmaß. Ich werde ganz sicher nicht den Besserwisser geben.
Wofür werden Sie künftig mehr Zeit aufbringen außer für die Familie?
Völler Vor allem freue ich mich auf freie Wochenenden. Gefühlt habe ich seit ich 17 oder 18 bin kein klassisches Wochenende mehr gehabt. Der Samstag ist immer der wichtigste Termin gewesen. Und der Sonntag konnte auch sehr anstrengend sein, wenn man verloren hat. Ich freue mich, dass dieser Druck abfällt. Ich bin nicht so scheinheilig zu sagen, ich habe so viel erlebt, dass ich über den Dingen stehe. Es hat mir schon auch zugesetzt, wenn es nicht lief.
Sie wurden oft nach dem Geheimnis Ihrer Popularität gefragt. Ist es Authentizität?
Völler Ich versuche, mich immer anständig und rücksichtsvoll auszudrücken, aber der Kern meiner Meinung sollte schon deutlich rüberkommen. Möglichst, ohne jemandem vor den Kopf zu stoßen.
Geht das in diesem Geschäft noch?
Völler Ich bin da bei Uli Hoeneß. Er sagt manchmal Dinge, von denen er weiß, dass sie nicht gut ankommen werden und er sich damit Gegner machen wird. Er sagt sie trotzdem – und wenn man genau hinschaut, stimmen sie oft. Grundsätzlich bin ich natürlich in einer anderen Medienwelt aufgewachsen. Heute bist du vorsichtiger. Heute musst du kein Interview mehr mit einem überregionalen Medium machen, wenn du etwas platzieren willst. Du kannst auch mit einer Schülerzeitung reden. Wenn du da jemanden in die Pfanne haust, steht es zehn Minuten später überall im Netz. Oder du kannst es sogar selbst posten, dann musst du nicht mal ein Interview geben. Es ist nicht immer meine Welt, das muss ich zugeben, aber ein bisschen dran gewöhnt habe ich mich.
Wie hat sich der Fußball in den 45 Jahren, in denen Sie nun dabei sind, entwickelt?
Völler Er hat sich natürlich verändert, sich modernisiert. Bei aller Tradition ist das auch wichtig. Am Anfang war ich zum Beispiel gegen den Videobeweis. Jetzt kann ich mir gar nicht mehr vorstellen, dass er nicht mehr da ist – auch wenn es manchmal nervt. Man kann es immer noch besser machen, Menschen machen eben auch Fehler. Dass die Auswärtstor-Regel abgeschafft wurde, war höchste Zeit. Auch die fünf Auswechslungen sind gut. Die Pandemie war für alle furchtbar. Das einzige, was sie für den Fußball gebracht hat, waren die fünf Auswechslungen. Ich hoffe, sie bleiben.
Sie haben in Ihrer Karriere einige Male als Trainer aushelfen müssen. Haben aber immer betont, dass Sie das nicht wollen und sich alsbald wieder zurückgezogen. Wieso?
Völler Ich wollte nie Trainer werden. Und auch wenn ich eingesprungen bin, ist nie der Gedanke aufgekommen, dass ich es doch will. Mir war klar: Ich kann das zwar machen als Vereinstrainer, ein paar Wochen, vielleicht auch zwei, drei Monate. Aber nicht langfristig. Es gibt einige, die sind als Trainer geboren. Ralf Rangnick zum Beispiel. Auch, wenn er auch als Sportdirektor arbeiten kann, er ist ein Fußball-Trainer, das ist seine Berufung. Ich selbst habe mich schon immer dafür interessiert, ins Management zu gehen. Schon am Ende meiner Profi-Karriere habe ich ein bisschen über den Tellerrand geschaut. Zum Beispiel, als ich dem Präsidenten von AS Rom empfohlen habe, Thomas Häßler zu verpflichten, weil das genau der Spieler war, der uns noch gefehlt hatte. Ich hatte auch nur zu Beginn meiner Karriere einen Berater. Den Großteil – 13, 14 Jahre lang – hatte ich gar keinen, sondern habe alles alleine oder zumindest mit einem Anwalt gemacht. Deshalb war das Angebot damals von Reiner Calmund, ihm zu assistieren, für mich super.
DFB-Teamchef waren Sie immerhin vier Jahre lang...
Völler Nationaltrainer ist ein ganz anderer Job. Da bist Du im Grunde beides – Manager und Trainer.
Gibt es Dinge, die Sie bereuen?
Völler Wer tut das nicht? 2004 hätte ich auf meine Frau hören sollen, die mir abgeraten hat, Trainer bei AS Rom zu werden. Als ich 2004 beim DFB zurückgetreten bin, war ich etwas ausgelaugt. Ich hatte viele Angebote als Trainer, aber wollte erstmal ein halbes Jahr Pause machen. Doch es gibt zwei Klubs, bei denen ich nicht nein sagen kann: Bayer Leverkusen und AS Rom. Ich wollte in einer schwierigen Situation helfen. Im Nachhinein war es falsch.
Welche Entscheidung ist Ihnen am Schwersten gefallen?
Völler Es ist nicht leicht, Trainern sagen zu müssen, dass man sich von ihnen trennt. Oder Spielern mitzuteilen, dass sie keinen neuen Vertrag bekommen. Das ist nicht schön, aber so ist das Geschäft. Richtig schwergefallen ist es mir bei Roger Schmidt. Er hat in den fast drei Jahren, die er da war, richtig guten Fußball spielen lassen und ist ein Trainer, der seinen eigenen Weg geht. Aber es ging nicht anders.