Kritische Analyse Die Werkself gibt sich selbst Rätsel auf

Bern/Leverkusen · Bayer Leverkusen ließ sich 45 Minuten von den Young Boys Bern vorführen. Mut für das am Sonntag anstehende Spiel in Augsburg macht indes die zweite Halbzeit. Trainer Peter Bosz kann sich die frappierenden Formschwankungen nicht erklären.

 Jeremie Frimpong (l.) und Jonathan Tah fragen sich nach dem 0:3 zur Halbzeit in Bern, wie es eigentlich so weit kommen konnte.

Jeremie Frimpong (l.) und Jonathan Tah fragen sich nach dem 0:3 zur Halbzeit in Bern, wie es eigentlich so weit kommen konnte.

Foto: dpa/Peter Klaunzer

Viel schlafen konnte Peter Bosz nach dem 3:4 (0:3) bei den Young Boys Bern nicht. Wie nach jedem Spiel nahm sich der Trainer der Werkself auch in der Nacht von Donnerstag auf Freitag die Zeit und schaute sich die 90 Minuten genau an – ohne Emotionen, dafür mit Blick für Details. Das intensive Studium des Spiels und seiner Schlüsselszenen dauert in der Regel drei bis vier Stunden. Eine Erklärung für den desolaten Auftritt seines Teams in der ersten Halbzeit hatte der 57-Jährige nach der Niederlage im Sechzehntelfinal-Hinspiel der Europa League aber trotzdem nicht.

„Ärgerlich schlecht“ sei die Leistung seines Teams vor dem Seitenwechsel gewesen, wetterte Bosz direkt nach dem Schlusspfiff und übte zudem deutliche Selbstkritik. „Offenbar habe ich die Mannschaft nicht richtig vorbereitet. Wahrscheinlich habe ich einen Fehler gemacht und die Spieler nicht erreicht. Sonst hätten wir nicht so schlecht angefangen“, sagte der Niederländer.

Vor allem mit der Verteidigung der Standardsituationen – die ersten beiden Gegentreffer fielen nach Eckbällen – war er unzufrieden. „Amateurhaft“ sei das Abwehrverhalten gewesen, betonte Bosz. Aber die ersten 45 Minuten auf dem Berner Kunstrasen glichen insgesamt einer fußballerischen Horror-Show. Die Young Boys spielten Bayer regelrecht her. Es war demütigend für den Bundesligisten.

Europa League, Noten: Young Boyse Bern – Bayer 04 Leverkusen: die Einzelkritik
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Bern – Leverkusen: die Werkself in der Einzelkritik

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In der Halbzeit ging es entsprechend emotional zu. Er bemühe sich immer um eine klare und deutliche Ansprache, dieses Mal sei er aber zusätzlich auch sehr laut geworden, erzählte Bosz. Dass er die Profis zusammenstauchte und seine Taktik umstellte, trug Früchte. Mit einer imposanten Aufholjagd gelang Bayer noch das 3:3. Doch ein weiterer Gegentreffer entschied spät die Partie.

In der Bundesliga geht es am Sonntag in Augsburg weiter (13.30 Uhr). Stammtorhüter Lukas Hradecky wird weiterhin mit Fersenproblemen fehlen. Mitchell Weiser und Sven Bender sind wieder im Teamtraining, Karim Bellarabi ist im Einzeltraining, Lars Bender hingegen noch nicht. „Wir müssen aus den Fehlern lernen“, forderte Bosz, der sich nicht erklären konnte, warum sich sein Team 45 Minuten lang vorführen ließ. „Ich weiß nicht, wie das möglich sein konnte“, gab er unumwunden zu.

Entsprechend unkonventionell verlief die Nachbetrachtung der Schmach. Nach der Analyse des Spiels folgen sonst meist Einzelgespräche mit Spielern, manchmal auch mit Teilen der Mannschaft. Dieses Mal entschied sich Bosz für eine Besprechung mit dem gesamten Team. Der einfache Grund: „In der ersten Halbzeit war alles schlecht.“

Die Niederlage und vor allem ihr Zustandekommen wurmen den Niederländer, dessen Spielidee auf Kontrolle des Gegners durch Ballbesitz basiert. Davon war in Bern jedoch bis zur Pause nichts zu sehen. „Ich bin scharf darauf, Spiele zu gewinnen und ärgere mich, wenn es nicht so läuft, wie ich möchte“, sagte der 57-Jährige. Er ist nach durchwachsenen Wochen weiter auf der Suche nach der Erfolgsformel aus der Hinrunde. „Wir haben vor der Winterpause viele Spiele gewonnen“, sagte er. „In diesen Lauf müssen wir wieder kommen. Im Fußball kann es schnell gehen, das haben wir in der zweiten Halbzeit gegen Bern gesehen.“

Mut macht dem Trainer die Reaktion seiner Mannschaft. Die Spieler seien „absolut selbstkritisch“ nach der Pleite, die nach dem Seitenwechsel nur dank einer 180-Grad-Wende in Kopf und Beinen mit 3:4 noch relativ glimpflich ausfiel. „Die Reaktion, die die Mannschaft gezeigt hat, war genau das, was man sich als Trainer wünscht. Es war das einzig Richtige, was sie machen konnten. Das haben sie gezeigt.“

Beim FCA will er freilich das Bayer der zweiten Halbzeit sehen – und zwar über 90 Minuten. „Augsburg kann die Punkte genauso wie wir gebrauchen. Sie haben in den vergangenen Wochen ebenfalls keine überragenden Ergebnisse gesammelt. Das heißt, das zwei Teams aufeinandertreffen, die beide unbedingt gewinnen wollen.“

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