„Wir sind erwachsener geworden“ Tah will nicht Chef, sondern Leader sein

Leverkusen · Am Sonntag empfängt der Tabellenzweite Bayer Leverkusen den Tabellenführer Bayern München. Das Spiel verspricht Fußball auf höchstem Niveau – und viel Arbeit für die jeweiligen Abwehrreihen. Jonathan Tah ist heiß darauf.

Jonathan Tah ist in dieser Saison zum aktiven Dirigenten von Bayers Viererkette avanciert.

Jonathan Tah ist in dieser Saison zum aktiven Dirigenten von Bayers Viererkette avanciert.

Foto: dpa/Marius Becker

Odilon Kossounou ist 20 Jahre alt, Jeremie Frimpong ebenfalls – und Mitchel Bakker 21. Bayer Leverkusens Viererkette als „Kinderriegel“ zu bezeichnen, mag despektierlich anmuten. Aber es ist nicht völlig absurd, auf die Tatsache hinzuweisen, dass der Tabellenzweite der Bundesliga mit einer Defensive auf den Platz geht, der eine wichtige Währung im Fußball fehlt: Erfahrung. Für die steht Jonathan Tah. Mit seinen 25 Jahren und 184 Bundesligaspielen in den Beinen ist er der mit Abstand erfahrenste Mann in der Abwehr der Werkself. Es ist eine Rolle, in der sich Tah wohlfühlt. Er ist vor dem Topspiel gegen Bayern München am Sonntag (15.30 Uhr) in bestechender Form.

„Wir sind alle heiß auf das Spiel“, sagt der Innenverteidiger. „Die gesamte Mannschaft freut sich darauf und wir wollen mit den gleichen Leistungen auf dem Platz sein, wie in den vergangenen Spielen.“ Das könnte für den Rekordmeister wie eine subtile Drohung klingen. Denn nicht nur Tah ist gut aufgelegt, sondern Bayer insgesamt. Das Team hat mit dem 3:4 gegen Dortmund nur eins von bislang zehn Pflichtspielen verloren, stellt mit 20 Toren die zweitbeste Offensive der Liga hinter den Bayern und hat ebenso wie München erst sieben Gegentreffer kassiert.

An Letzterem hat der Defensivmann großen Anteil. Er gewinnt rund 75 Prozent seiner Kopfballduelle, 65 Prozent seiner Zweikämpfe und weist eine überragende Passquote von 95 Prozent auf. Dazu hat er Ende September vorzeitig seinen Vertrag bis 2025 verlängert. „Ich fühle mich mit der Mannschaft in der Konstellation sehr wohl auf dem Platz“, sagt der gebürtige Hamburger, der seit 2015 für Leverkusen spielt. Trainer Gerardo Seoane habe großen Anteil an seiner starken Entwicklung. „Das war sicherlich auch ein Grund, warum ich meinen Vertrag verlängert habe. Ich habe das Gefühl, dass sich hier etwas zum Positiven verändert. Das beeindruckt mich und ich freue mich, dass ich das noch miterleben darf.“

Das Wort „Abwehrchef“ mag er hingegen nicht so gerne, wie Tah betont. Viel eher liege ihm die Bezeichnung „Leader“, also Anführer. „Ich wünsche mir, dass ich auf und neben dem Platz ein Leader bin, einer der vorangeht. Aber der Trainer und wir alle fordern das untereinander von uns ein. Keiner soll sich verstecken und jeder soll Verantwortung tragen“, sagt der 25-Jährige. „Ich denke, dass bei vielen unserer Spieler auch in der Persönlichkeitsentwicklung etwas passiert, das am Ende auch auf dem Platz zu sehen ist.“ Bei Tah ist das deutlich zu erkennen. Er dirigiert seine Nebenleute, gibt Kommandos, organisiert die Viererkette. „Kommunikation ist das Wichtigste auf dem Platz“, betont er.

Eine der Erfahrungen, die ihn zu einem gestandenen Profi reifen ließen, stammt aus dem letzten Aufeinandertreffen mit München in Leverkusen. Im Dezember 2020 war Bayer Tabellenführer und München Verfolger. Tah leistete sich kurz vor dem Abpfiff einen Patzer, den Robert Lewandowski postwendend für den 2:1-Endstand nutzte. Danach fiel die damals noch von Peter Bosz trainierte Mannschaft in ein Leistungsloch, der Coach musste im März nach einem Negativlauf gehen. „Wir sind als Mannschaft gewachsen und auch erwachsener geworden“, sagt Tah. „Jeder gibt alles für jeden. Ich bin mir sicher, dass das diesmal nicht passieren wird – egal, wie das Spiel am Sonntag ausgeht. Wir alle wachsen an Fehlern und müssen hinfallen, um wieder aufzustehen und besser zu werden.“ Erfahrung eben.

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