Analyse Bayer ist gegen alle Widerstände erfolgreich

Leverkusen · Die Werkself offenbart im bisherigen Saisonverlauf eine Qualität, die meist nur absoluten Topmannschaften zugeschrieben wird: Sie gewinnt zur Not auch ohne Glanz. Von Rückschlägen lässt sich das Team von Trainer Peter Bosz nicht irritieren.

 Leon Bailey ist eines der Gesichter des Leverkusener Aufschwungs.

Leon Bailey ist eines der Gesichter des Leverkusener Aufschwungs.

Foto: imago images/Uwe Kraft/UWE KRAFT via www.imago-images.de

Leon Bailey brachte die Erfolgsformel nach Bayers 2:1-Sieg in Bielefeld auf einen vergleichsweise einfachen Nenner. „Es ist harte Arbeit. Wir sind auf und neben dem Platz für den anderen da und geben vom Anfang bis zum Ende 100 Prozent“, erklärte der Jamaikaner, der das 1:0 beim Aufsteiger erzielte. Das und die Taktik des Trainers sowie der Spaß am Fußball seien die Hauptgründe dafür, dass die Werkself in der Liga noch ungeschlagen ist, fünf Spiele in Serie gewonnen hat und auf Platz drei in der Tabelle vorgerückt ist. Das ist freilich eine Momentaufnahme, aber Leverkusen spielt derzeit mit einer Konsequenz erfolgreich, die beeindruckend ist. Das hat konkrete Gründe.

Moral Rückschläge steckt Bayer aktuell locker weg. Mit bemerkenswerter Regelmäßigkeit dreht die Mannschaft Rückstände. In der Liga gelang das in Freiburg (4:2) und gleich doppelt gegen Mönchengladbach (4:3), in der Europa League bei Hapoel Be´er Sheva (4:2). Auch zwischenzeitliche Ausgleichstreffer wie zuletzt durch den groben Patzer von Lukas Hradecky in Bielefeld (2:1) haben kaum demoralisierende Wirkung – im Gegenteil: Sie rufen eher eine Art Trotzreaktion hervor.

Auch Verletzungspech kann dem Siegeswillen nichts anhaben: Kapitän Charles Aránguiz fehlt seit Wochen (Achillessehnenprobleme), Edmond Tapsoba ist in Corona-Quarantäne, Santiago Arias (Wadenbeinbruch) sowie Exequiel Palacios (Brüche in den Querfortsätzen der Lendenwirbelsäule) zogen sich schwerste Verletzungen bei ihren Länderspielreisen zu – und in Patrik Schick stand seit Anfang Oktober der Königstransfer der Saison nicht zur Verfügung. Das schweißt die Mannschaft aber offenbar eher zusammen als sie zu verunsichern. Der Teamgeist ist stark, auch die Ersatzspieler bringen sich ein, wenn sie gefordert sind.

Kompensation Nach dem Abgang von Kai Havertz forderte nicht nur Sportdirektor Simon Rolfes, dass andere Spieler ihren nächsten Entwicklungsschritt machen müssen, um den Verlust des torgefährlichen Kreativspielers auszugleichen. Das funktioniert bislang gut. Vor allem Lucas Alario, Florian Wirtz, Leon Bailey, Moussa Diaby und auch Julian Baumgartlinger haben sich zu wichtigen Stützen der Mannschaft entwickelt.

In der Defensive wirkt die Werkself in den meisten Partien weitgehend stabil, Spektakel wie gegen Mönchengladbach sind eine die Regel bestätigende Ausnahme. Es gibt aber auch noch Spieler, bei denen in unterschiedlichen Größenordnungen noch Luft nach oben ist. Wendell, Daley Sinkgraven, Kerem Demirbay, Karim Bellarabi und Nadiem Amiri etwa – oder Jonathan Tah, der aber zuletzt immerhin eine positive Tendenz zeigte.

Taktik Trotz des durch die Verletzungen geschmälerten Kaders und der Dauerbelastung im eng getakteten Spielplan wirken die Spieler frisch und können – wie zuletzt in Bielefeld – in der Schlussphase noch eine Schippe drauflegen. Das kommt nicht von ungefähr und ist das Ergebnis ausgewogener sowie durchdachter Trainingsarbeit, die genug Raum für Regeneration lässt, ohne das die Kondition leidet. Belastungssteuerung ist das Zauberwort.

Zudem war Peter Bosz nach den Wechseln von Kai Havertz und Kevin Volland gezwungen, die Mannschaft umzubauen. Statt des in der Vorsaison bevorzugten 4-2-3-1 geht es nun meist im 4-3-3 auf das Feld – mit einem Sechser vor der Viererkette und schnellen Außen, um die Sturmspitze mit Hereingaben zu füttern. Bayer ist die Mannschaft, die bislang am dritthäufigsten flankt (109). Nur der FC Bayern (126) und Eintracht Frankfurt (120) spielen häufiger über außen.

Auch andere Statistiken offenbaren Bayers aktuelle Stärke: Keine Mannschaft hat bislang mehr Laufkilometer auf dem Tacho (1091,4). Zudem haben nur Dortmund sowie München eine bessere Passquote als Leverkusen (85,7 Prozent). Das führt nicht immer zu einem Chancenfeuerwerk. In der ligaweiten Torschuss-Statistik belegt Leverkusen lediglich Platz elf (99). Doch es spricht für die Effizienz der Mannschaft, aus relativ wenig Gelegenheiten viel zu machen.

Das ist ebenfalls eine neue Qualität unter dem Bayer-Kreuz, die das Team in dieser Spielzeit noch sehr weit bringen könnte.

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