Pokal-Blamage in Essen Bayer Leverkusens Krise ist real

Essen · Vor rund drei Wochen wollte sich Sportgeschäftsführer Rudi Völler angesichts schlechter Ergebnisse der Werkself keine Krise einreden lassen. Doch nach dem 1:2 im Pokal gegen Viertligist Rot-Weiss Essen steht fest: Sie ist längst da.

 Bayers Trainer Peter Bosz steht mit verschränkten Armen im Essener Dauerregen.

Bayers Trainer Peter Bosz steht mit verschränkten Armen im Essener Dauerregen.

Foto: dpa/Martin Meissner

Der Weg ins Viertelfinale schien geebnet. Leon Bailey hatte nach 105 ebenso verregneten wie umkämpften Minuten das 1:0 für die Werkself erzielt. Der Matchplan für den Rest der Verlängerung war offensichtlich: Den Vorsprung über die Zeit bringen, egal wie. Doch so einfach ließ sich der krasse Außenseiter dann doch nicht den Schneid abkaufen. Stattdessen schrieb der Viertligist das nächste Kapitel der ewigen David-gegen-Goliath-Saga im DFB-Pokal. Oguzhan Kefkir glich nur drei Minuten später aus, Torjäger Simon Engelmann machte die Sensation in der 117. Minute perfekt. Rot-Weiss Essen schlägt Bayer Leverkusen und zieht in die Runde der letzten acht Mannschaften ein.

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Wie konnte das passieren? Knapp 30 Torschüsse feuerte die Mannschaft von Trainer Peter Bosz im Stadion an der Hafenstraße ab. Doch entweder scheiterte die oft gerühmte, in den vergangenen Wochen aber frappierend erfolglose Offensive am Pfosten, eigener Unzulänglichkeit oder dem überragenden Essener Schlussmann Daniel Davari. Entsprechend bedient war der Niederländer nach der Blamage. Sonst gängige Ausreden wie etwa den desolaten Rasen wollte er nicht gelten lassen. „Gratulation an Essen. Sie haben eine sehr gute Partie gespielt und zurecht gegen uns gewonnen“, sagte Bosz. „Aber trotzdem bin ich sauer und enttäuscht, dass wir nicht gewonnen haben.“

Der 57-Jährige sah in der mangelhaften Chancenverwertung den Hauptgrund für die Niederlage – ein altbekanntes Problem, dass Bayer nun schon seit dem Jahreswechsel mit zunehmender Hartnäckigkeit begleitet. Auch in der Liga läuft es nicht mehr in der Offensive. Zuletzt blieb Leverkusen zwei Mal ohne Treffer, vier Punkte aus den vergangenen sieben Spielen sind zudem eine Bilanz, die zur akuten Gefahr für die hoch gesteckten Saisonziele wird.

„Das ist momentan das Problem: Wir schießen die Dinger nicht rein. Das muss besser werden“, resümierte Bosz. Und selbst als Bailey das zu dem Zeitpunkt erlösende 1:0 erzielte, fehlte der Werkself die Souveränität, den Vorsprung gegen den tapfer kämpfenden Viertligisten über die Bühne zu bringen. „Wenn wir 1:0 führen, dürfen wir das mit der Erfahrung in unserer Mannschaft nie wieder abgeben. Das darf nicht passieren, aber es ist passiert.“

Das habe auch nichts mit dem Rasen, dem Regen, dem Gegner oder anderen externen Gründen zu tun gehabt. Der Fehler liege bei seiner Mannschaft, sonst nirgendwo. „Wir müssen dieses Spiel gewinnen“, betonte Bosz. Doch RWE und das Schicksal hatten andere Pläne – sehr zur Freude von Essens Trainer Christian Neidhart. Ein besseres Drehbuch für den Abend hätte man nicht schreiben können, sagte der 52-Jährige, der die Glückwünsche seines Kollegen freilich sehr gerne entgegennahm. „Ich bin megastolz auf meine Mannschaft und für den Fight, den sie abgeliefert hat.“

Vor drei Wochen fühlte sich Rudi Völler angesichts schwacher Ergebnisse bereits genötigt, aufkeimendes Gerede von einer Talfahrt unterm Bayer-Kreuz zu unterbinden. Er wolle sich keine Krisen einreden lassen, sagte der Sportgeschäftsführer. Inzwischen ist klar: Die Krise ist längst da. Leverkusen droht die Saison komplett zu entgleiten. Binnen weniger Wochen hat die zwar verletzungsgeplagte, aber dennoch stets hochkarätig besetzte Mannschaft viel von dem verspielt, was sie sich im starken ersten Saisondrittel aufgebaut hatte: die Tabellenführung, den Status als erster Bayern-Jäger, einen überragenden Punkteschnitt, das Selbstvertrauen, die Leichtigkeit – und nun auch die Chance auf den immer wieder anvisierten Pokalsieg.

Am Samstag geht es in der Liga gegen den VfB Stuttgart weiter (15.30 Uhr). Es bleibt also wenig Zeit, um die Blamage aus Beinen und Köpfen zu bekommen, um den freien Fall zu stoppen. Torwart Lukas Hradecky wirkte nach dem Schlusspfiff relativ ratlos, wie die Wende gelingen könnte. „Es ist nicht mehr nur das Spielglück, was fehlt“, sagte er. „Jeder muss jetzt in den Spiegel schauen und sich selbst fragen, was er besser machen kann – vorne, aber auch hinten. Jetzt ist die Enttäuschung natürlich riesig, aber es geht immer weiter.“

Das kann allerdings auch für Krisen gelten, wie Bayers Jahr 2021 bislang beweist.

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