Leverkusener über Nationalmannschaft Kießling ist enttäuscht von Löws Umgang mit ihm

Leverkusen · Stefan Kießling hat kurz vor seinem Karriere-Ende Bundestrainer Joachim Löw kritisiert. Der Leverkusener Torjäger war seit 2010 nicht mehr für das Nationalteam nominiert worden. Öffentlich begründet hatte Löw dies nie.

Stefan Kießling – Franke, Torschützenkönig, verhinderter Nationalspieler
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Das ist Stefan Kießling

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Foto: dpa, hei fux

In einer Aussprache habe ihm Löw bereits 2013 gesagt, "dass ich nicht in sein System passe. Das habe ich akzeptiert", sagt der Torjäger von Bayer Leverkusen im Interview mit der Deutschen Presse-Agentur: "Doof für mich war nur, dass er das nie öffentlich gesagt hat und das Thema immer wieder unnötig aufkam."

Kießling war nach seinem sechsten Länderspiel im Spiel um Platz 3 bei der WM 2010 nicht mehr von Löw nominiert worden. Als Kießling im Jahr 2013 Bundesliga-Torschützenkönig wurde, forderten viele Fans und Experten öffentlich seine Rückkehr ins DFB-Team. "Es hat sich ehrlich gesagt durchaus auch gut angefühlt, dass die Menschen mich in der Nationalmannschaft sehen wollten", sagt der 34-Jährige heute: "Nur der Bundestrainer wollte mich eben nicht. Ich habe aber nie verstanden, warum öffentlich eine Aussprache zwischen uns gefordert wurde. Ich hatte ja nichts getan. Und der Bundestrainer auch nicht."

Ob Löw ein Problem mit ihm hatte? "Da müssen Sie ihn fragen. Ich hatte keine Probleme mit ihm. Ich war ja auch nur ein kleiner Fisch im Teich, war nur selten dabei. Und ich war sicher kein Stinkstiefel", beteuert Kießling. Gerüchte über einen Disput bei der WM 2010 bestreitet er nicht gänzlich. "Natürlich war ich unzufrieden, denn ich hätte gerne mehr gespielt", sagt er. "Aber ich habe nix angestellt oder gegen den Trainer geschossen."

Auf die US-Reise 2013, für die er wohl nominiert worden wäre, verzichtete er freiwillig. Was er nicht bereut. "Warum auch?", fragt er: "Als Notnagel ohne Aussicht auf eine Perspektive - das musste nicht sein. Da war der Urlaub schöner."

15 Jahre Profi-Fußball haben auch körperlich ihre Spuren hinterlassen. Kießling hat sich nie geschont. Zwischenzeitlich hatte er die meisten Zweikämpfe aller Spieler in den Top-5-Ligen Europas bestritten. Ein Knorpelschaden und Arthrose im Hüftgelenk quälen ihn heute. Nach hartem Training oder längeren Einsätzen kann er sich am nächsten Morgen vor Schmerzen kaum die Schuhe binden.

Dass er in einigen Jahren wohl ein künstliches Hüftgelenk brauchen wird, ist Kießling bewusst. "Ich bin in jedem Fall gefasst darauf", sagt der Ex-Nationalspieler. "Im Moment denke ich bewusst noch nicht darüber nach. Aber wenn die Schmerzen nach dem Karriereende nicht weniger werden sollten, muss ich mir darüber Gedanken machen."

Und deshalb hält sich die Wehmut des 34-Jährigen vor seinem 403. und letzten Bundesliga-Spiel am Samstag gegen Hannover 96 in Grenzen.
"Ich werde alles in mich aufsaugen und es wird sicher hochemotional werden", sagt der Bundesliga-Torschützenkönig von 2013: "Natürlich werde ich auch Dinge vermissen. Aber die schmerzende Hüfte sagt mir: Es ist der richtige Zeitpunkt."

Viele haben ihm geraten, schon im vergangenen Sommer aufzuhören. "Aber da wäre es schwierig gewesen, weil es vorher nicht klar war und somit kein bewusster Abschied gewesen wäre." Deshalb hat er ein Jahr drangehängt, in dem er sportlich nur Ergänzungsspieler war, als Führungsspieler in der Kabine aber dennoch eine wichtige Rolle eingenommen hat. "Körperlich war das zusätzliche Jahr eine Quälerei, meinem Körper habe ich damit sicher keinen Gefallen getan", sagt er.

Insgesamt ist er im Rückblick auf seine Karriere "superstolz. Ich habe zwölf Jahre in einem Top-Club gespielt, war mehr als zehn Jahre Stammspieler. Ich wurde Torschützenkönig, habe für mein Land bei einer WM gespielt und bin Dritter geworden, stand im Pokalendspiel, wurde Vizemeister - ich denke, auf all das darf man stolz sein."

Doch ein Titel blieb ihm verwehrt und sechs Länderspiele sind für einen Torjäger mit seiner Vita wenig. Insgesamt galt Kießling immer als untadeliger Sportsmann. Nur nach seinem Phantomtor 2013 in Hoffenheim beschimpften ihn viele, weil er angeblich gesehen habe, dass der Ball nicht im Tor war. "Da haben Leute in einer Art und Weise über mich geredet, das geht gar nicht", sagt er und versichert: "Plötzlich lag der Ball im Tor - wie er dahingekommen ist, habe ich nicht gesehen."

Nach Samstag will Kießling erst einmal eine Auszeit nehmen und reisen. Im Herbst fängt er dann wieder bei Bayer an. In welcher Funktion, ist noch offen. Ob ihm der Jubel der Fans fehlen wird, "kann ich in zwei, drei Jahren beantworten. Aber ich glaube nicht. Ich war immer fannah, aber ich brauche das Rampenlicht nicht. Ich habe nichts dagegen, in Zukunft ruhig zu leben."

(rent/dpa)
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