Antisemtismus im Amateurfußball Maccabi-Vereine klagen über judenfeindliche Beleidigungen

Düsseldorf · Mehr als 1,3 Millionen Fußballspiele werden pro Saison bundesweit ausgetragen. Nur ein Bruchteil wird von Gewalt oder Diskriminierung überschattet. Doch jüdische Vereine beklagen, Opfer von Antisemitismus auf dem Sportplatz zu werden – auch in Düsseldorf.

 Im Fokus von antisemitischen Beleidigungen? Fußballer von Maccabi Düsseldorf.

Im Fokus von antisemitischen Beleidigungen? Fußballer von Maccabi Düsseldorf.

Foto: Verein

Die Kreisliga C ist ein Sammelbecken von Feierabend-Fußballern ohne große sportliche Ambitionen, hier geht es gerne mal etwas derber zu, am Ball wie abseits davon. Die Fußballer von Maccabi Düsseldorf sind das gewohnt, sie sind selbst Teil der niedrigsten Düsseldorfer Spielklasse. Doch Mitte April sollen die überwiegend jüdischen Fußballer von einem Gegenspieler als "Scheiß Juden" beschimpft worden sein - für den Verein war damit erstmals eine Grenze überschritten.

"Wir sind vorher nie mit Antisemitismus in Berührung gekommen", sagt Boris Zagrebelsky. Er ist im Vorstand des jüdischen Vereins, der neben Fußball auch eine Vielzahl anderer Sportarten anbietet. "Egal ob beim Fußball, Volleyball, Basketball oder Turnen – wir hatten bis dato nur gute Erfahrungen im Düsseldorfer Sport gemacht", sagt Zagrebelsky. Umso entsetzter reagierte der Verein auf die Schilderungen seiner Spieler. Demnach soll der Torwart eines Gegners schon beim Betreten des Maccabi-Sportplatzes durch den Ausruf "Wo sind die Juden" aufgefallen sein. Nach einem Platzverweis soll es schließlich zu den Beleidigungen gekommen sein.

Schiedsrichter hat von mutmaßlichen Beleidigungen nichts mitbekomme

Der beschuldigte Düsseldorfer Verein* weist die Vorwürfe scharf zurück: Keiner der anwesenden Trainer und Spieler habe die mutmaßlichen Beleidigungen mitbekommen oder bestätigt. Laut Maccabi soll auch der Schiedsrichter der Partie nach dem Spiel erklärt haben, von dem mutmaßlichen Vorfall nichts mitbekommen zu haben. Beim Fußballverband Niederrhein blieben mehrere Anfragen unserer Redaktion bezüglich etwaiger Ermittlungen des Sportgerichts unbeantwortet. Gleiches gilt für einen Brief des Maccabi-Vorstands an den Verband. "Diese Reaktion finden wir befremdlich, die Beleidigungen sollen deutlich zu hören gewesen sein und bleiben nun wohlmöglich unbestraft", sagt Zagrebelsky.

Kölner demonstrieren gegen Antisemitismus
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Sollte dem so sein, wird der mutmaßliche Vorfall auch nicht in einer vom Deutschen Fußball-Bund geführten Statistik erfasst. Seit zwei Jahren zählt der Verband dort unter anderem diskriminierende Vorfälle. In der Saison 2016/2017 gab es davon bundesweit 2858 bei insgesamt rund 1,3 Millionen erfassten Spielen. Zahlen für antisemitische Vorfälle werden nicht separat geführt, sie fallen unter die Diskriminierungsfälle.

Zahlreiche Regional-Verbände erklären auf Anfrage unserer Redaktion, dass keinerlei antisemitische Vorfälle bekannt seien. Der Fußballverband Südbaden teilt beispielsweise mit: "Das spezielle Problemfeld Antisemitismus ist für unseren Bereich sportrechtlich als nicht vorhanden anzusehen." Gleichzeitig betonen die Verbände zahlreiche Projekte gegen Diskriminierung und die drastischen Strafen für jene, die negativ auffallen. So drohen Spielern für antisemitische Beleidigungen beispielsweise mehrwöchige Spiel-Sperren.

Kölner Schiedsrichter werden gezielt geschult

Noch weiter ging im September 2015 der Kölner Verein ESV Olympia: Nachdem mehrere Zuschauer und Spieler der dritten Mannschaft in einem Kreisliga D-Spiel Akteure von Maccabi Köln antisemitisch beleidigten, meldete der Verein die Mannschaft später vom Spielbetrieb ab, vier Spieler wurden suspendiert, die Zuschauer erhielten ein Platzverbot für die ESV-Spiele.

"Durch diesen Vorfall ist das Thema bei uns nochmal auf die Tagesordnung gekommen. Wir haben Schulungen für unsere Schiedsrichter eingeführt, um für das Thema Antisemitismus und Diskriminierung zu sensibilisieren", sagt Alex Feuerherdt. Er sitzt im Kölner Schiedsrichter-Ausschuss und sagt: "Vorher herrschte eine große Unsicherheit, wie mit dem Thema Beleidigung und Diskriminierung umzugehen ist. Da wurde dann auch eher mal weggehört, um keine Probleme zu bekommen." Die Reaktionen der über 400 Unparteiischen auf die Schulung seien deshalb äußerst positiv gewesen. "Vielen war die Problematik vorher gar nicht richtig bewusst. Da wurde 'Jude‘ nicht als Schimpfwort interpretiert, als solches wird es aber verbreitet benutzt", sagt Feuerherdt.

Flashmob gegen Antisemitismus in Berlin
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Maccabi Deutschland sieht muslimische Vereine in der Verantwortung

Die Täterschaft ist dabei vielfältig. Im Düsseldorfer Kreisliga-Spiel soll ein Deutscher für die Beleidigungen verantwortlich gewesen sein. Alon Meyer, Präsident des jüdischen Turn- und Sportverbands Maccabi in Deutschland, sieht heute aber vor allem muslimisch geprägte Vereine in der Verantwortung. "Es gibt Mannschaften, da wissen wir genau, was uns erwartet", sagt Meyer. Aus den Großstädten im Westen Deutschlands seien ihm zuletzt verstärkt Vorfälle zwischen Maccabi-Vereinen und arabischen Gegnern gemeldet worden.

"Mit dem Zuzug vieler Flüchtlinge ist das Thema Antisemitismus grundsätzlich aber speziell im Fußball wieder gewachsen", sagt Meyer. "Viele Geflohene sind mit den Feindbildern Judentum und Israel aufgewachsen. Dieses Feindbild müssen wir gemeinsam abbauen." Dafür müssten die Vereine in ihrem Engagement "noch eine Schippe drauf legen". Meyer sagt: "Wir wollen weiterhin mit dem David-Stern auf der Brust Sport betreiben. Wenn das als provozierend empfunden wird, lassen wir uns die Arbeit und das Selbstverständnis der letzten Jahrzehnte kaputt machen".

* Der beschuldigte Verein ist unserer Redaktion bekannt. Weil in dem Fall Aussage gegen Aussage steht und es keine offiziellen Ermittlungen gibt, verzichten wir auf die Nennung des Vereins, um Klub und Vertreter zu schützen.

(cbo)
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