Schiedsrichter im Amateurfußball Führungskraft gesucht

Düsseldorf · Jedes Wochenende wird auf Tausenden Plätzen in der Republik Fußball gespielt - noch. Der Deutsche Fußball-Bund registriert nämlich seit einigen Jahren sinkende Schiedsrichter-Zahlen. Das kann schon bald zu größeren Problemen für den Spielbetrieb führen.

Bei Wind und Wetter sorgen sie für Recht und Ordnung, rennen im Winter über knochenharte Aschenplätze, müssen sich nach jeder Entscheidung etwas anhören, werden teilweise bespuckt, bedroht, verprügelt. Und dennoch ist kaum einer von ihnen davon abzubringen, sich am nächsten Wochenende wieder die Pfeife um den Hals zu hängen und ein Fußballspiel zu leiten.

Ohne Schiedsrichter wäre im deutschen Fußball nichts möglich. Nicht im Jugendbereich, nicht in der Kreisliga, nicht in der Bundesliga. Rund 130.000 Mannschaften waren im vergangenen Sommer zum Meisterschaftsspielbetrieb unter dem Dach des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) gemeldet. Auf tausenden Plätzen wird an jedem Wochenende deutschlandweit gekickt - und eigentlich gehören die Männer und Frauen an der Pfeife zum Spiel dazu wie der Ball.

So wie Karl Heinz Kobus. Der 74jährige Neusser steht seit nunmehr 45 Jahren als Schiedsrichter in der Kreisliga auf dem Platz. Und hat dort so einiges erlebt. Doch auch er merkte schon vor einigen Jahren: "Das Spiel ist ernster geworden in den letzten 40 Jahren." Die Spieler seien aggressiver gegenüber ihren Gegnern, und oft müsse er "einfach mal weghören".

Vielleicht ist es daher auch eine Folge dieser Entwicklung, dass sich der DFB seit einigen Jahren immer stärker sinkenden Schiedsrichter-Zahlen ausgesetzt sieht. Im Jahr 2014 waren laut offizieller Verbandsstatistik noch 72.292 Unparteiische gemeldet, zum Ende der vergangenen Saison waren es nur noch 58.241. Ein Rückgang von knapp 20 Prozent.

Der DFB weist in diesem Zusammenhang zwar darauf hin, dass es zur Saison 2015/2016 eine Umstellung auf eine Einsatzstatistik gab und dementsprechend nur noch die Unparteiischen erfasst worden seien, die in der abgelaufenen Saison mindestens einen Einsatz als Schieds-, Linienrichter oder vierter Offizieller absolviert hatten. Es wurden sozusagen Karteileichen aussortiert. Das führte vor drei Jahren dazu, dass auf einen Schlag mehr als 12.000 Schiedsrichter aus der Statistik herausfielen.

Dennoch reicht ein Blick auf die vergangenen beiden Jahre, um eine besorgniserregende Entwicklung festzustellen: Nicht nur die Zahl der aktiven Schiedsrichter ist stetig rückläufig, auch die neu ausgebildeten Unparteiischen werden immer weniger. Ließen sich 2016 noch 8828 Männer und Frauen zum ehrenamtlichen Dienst an der Pfeife ausbilden, waren es im vergangenen Jahr nur noch 7645.

Aber wer will es den größtenteils jugendlichen Kandidaten auch verübeln, dass das Schiedsrichterwesen für sie immer uninteressanter wird? Jungschiedsrichter werden auf den Plätzen oft nicht akzeptiert, auch Patenschaften durch erfahrene Kollegen haben bislang nicht geholfen, das Problem in den Griff zu bekommen.

Zudem haben viele Jugendliche durch den großen Aufwand für die Schule immer weniger Raum für ein Hobby - die kostbare Freizeit am Wochenende möchten viele dann nicht auch noch damit verschwenden, sich von irgendeinem dahergelaufenen Möchtegern-Messi anpöbeln zu lassen. Und von den bis zu 79.000 Euro, die ein Fifa-Schiedsrichter der Eliteklasse pro Jahr kassiert, können sie sowieso nur träumen.

Da wirken die Argumente, mit denen der DFB neue Leute an die Pfeifen locken will, geradezu ironisch: Die Ausstattung werde vom Verein gestellt, der Schiedsrichter-Ausweis berechtige mit Einschränkungen auch zum freien Eintritt für Bundesliga-Partien, man sei an der frischen Luft unterwegs. Zudem gehöre man einer sportlichen Gemeinschaft anund könne durch die Tätigkeit als Schiedsrichter die eigene Persönlichkeitsbildung fördern. "Alle diese erstrebenswerten Dinge bietet das Amt des Schiedsrichters", heißt es auf der DFB-Homepage.

Doch anscheinend sind diese Dinge doch nicht so erstrebenswert, wenn man sich die aktuellen Zahlen noch einmal vor Augen führt. Inzwischen gibt es deutschlandweit nur noch 0,45 Schiedsrichter pro am Spielbetrieb angemeldeter Mannschaft. Setzt sich dieser Trend fort, wird man sich beim DFB in absehbarer Zukunft überlegen müssen, wie ein geregelter Spielbetrieb überhaupt aufrecht erhalten werden kann. Noch sei dieser aber nicht in Gefahr, heißt es aus der Frankfurter Verbandszentrale - auch wenn es durchaus Regionen gebe, in denen bereits jetzt ein Schiedsrichtermangel herrsche. Dazu zählt offensichtlich auch der Niederrhein. Denn in bundesweit keinem Fußballverband war die Schiedsrichterquote in 2017 niedriger. Zwischen Kleve, Remscheid und Grevenbroich gab es gerade einmal 2540 Unparteiische - umgerechnet nur 0,34 pro Mannschaft.

Einer von ihnen war zu diesem Zeitpunkt auch noch Karl Heinz Kobus. In dieser Saison hat aber auch er noch kein Spiel geleitet. Dem deutschen Fußball gehen die Führungskräfte verloren.

(p-m)
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