Inka Grings über Veränderungen im Fußball „Die Zeit ist reif für eine DFB-Präsidentin“

Exklusiv | Straelen · Inka Grings, Trainerin beim Regionalligisten SV Straelen, spricht im Interview über Gleichberechtigung im Fußball, den Abstiegskampf und eine mögliche DFB-Präsidentin.

 Trainerin am Arbeitsplatz: Inka Grings am Freitagnachmittag im Stadion des SV Straelen.

Trainerin am Arbeitsplatz: Inka Grings am Freitagnachmittag im Stadion des SV Straelen.

Foto: Evers, Gottfried (eve)

Der Wirt in der Vereinskneipe des SV Straelen ist zufrieden. „Die Inka“, sagt er. „findet den richtigen Ton. Die Jungs reden alle nur gut über sie.“ Inka Grings ist seit knapp zwei Wochen im Amt. Im ersten Spiel gab es eine Niederlage, am Samstag muss der Regionalligist beim Bonner SC antreten.

Frau Grings, es ist viel darüber geredet worden, dass Sie als erste Frau einen Regionalligisten betreuen. Wie sehr ist das ein Thema in der Kabine?

Grings Ehrlich gesagt, überhaupt keins. Für meine Spieler ist entscheidend, ob ich ihnen ein vernünftiges Training anbiete und sie mein Spielsystem verstehen. Es geht um fachliche Fragen und nicht darum, welches Geschlecht ich habe.

Es gibt Astronautinnen, Chefärztinnen, eine Bundeskanzlerin – warum tut sich der Fußball so schwer damit, eine Frau in einer Spitzenposition zu akzeptieren?

Grings Das muss man in allererster Linie die Personen fragen, die sich damit schwer tun. Aber tatsächlich finde ich es verblüffend, welche Kommentare ich nach meiner Vorstellung zu lesen bekommen habe. Da musst du dir schon die Frage stellen, was für Kleingeister im Jahr 2019 noch so rumlaufen. Wahnsinn, was sich vor allem Männer für Gedanken darüber machen, was ich für berufliche Qualifikationen habe.

Inka Grings leitet erstes Training beim SV Straelen
54 Bilder

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Foto: Evers, Gottfried (eve)

Beim SV Straelen haben Sie jetzt die Chance bekommen. Der Verein steckt mitten im Abstiegskampf. Bedeutet das für Sie ein erhöhtes Risiko zu scheitern?

Grings Die Gesamtkonstellation muss natürlich passen. Es war für viele lange ein Tabuthema. Natürlich ist das traurig für unsere Gesellschaft. Ich kann verstehen, wenn man ein wenig Skepsis hat. Auf der anderen Seite sind für mich die ganzen Kommentare nichtig und nicht nachvollziehbar. Ich bin in Straelen nicht als Aktivistin für Frauenrechte angetreten, sondern als Fußballtrainerin. Mein Ziel ist es, die Klasse zu halten. Ich bin davon überzeugt, dass uns das auch gelingen wird.

Ist die Zeit für eine Frau an der Spitze des Deutschen Fußball Bundes (DFB) reif?

Grings Ich denke schon. Es hatten ja jetzt eine ganze Reihe von Männern die Gelegenheit zu zeigen, was sie können. Aber im Ernst: Es geht am Ende darum, den Kandidaten mit den besten Qualifikationen zu finden. Es ist doch wirklich absurd, dass Frauen im Jahr 2019 sich immer noch rechtfertigen müssen und es viele Bereiche gibt, in denen sie eben noch nicht gleichgestellt sind. Da geht es nicht nur um Fußball. Es ist doch völlig anmaßend, wenn Männer glauben, sie könnten Jobs per se besser machen als eine Frau. So etwas will nicht in meinen Kopf. Wie gesagt, der Mensch muss Ahnung von seinem Job haben – nicht mehr und nicht weniger.

Als mögliche Kandidatinnen wurden unter anderem die früheren Bundestrainerinnen Silvia Neid und Steffi Jones genannt. Trauen Sie einer von beiden das Amt zu?

Grings (lacht) Ich weiß noch nicht einmal, ob die beiden sich das Amt selbst zutrauen. Der DFB ist gut beraten, sich erst einmal in Ruhe um seine Strukturen zu kümmern und erst danach einen Kandidaten zu küren. Ich bin mir sicher, es wird ausreichend Bewerber geben, und natürlich wäre es toll, wenn darunter auch eine Frau wäre.

Die Regionalliga zählt noch nicht als Profiklasse. Wie hoch ist dennoch der Arbeitseinsatz für Sie?

Grings Wir haben in Straelen schon sehr professionelle Bedingungen. Wir trainieren mehrmals in der Woche. An zwei Tagen sogar zweimal am Tag. Die Spieler können sich hauptsächlich auf den Fußball konzentrieren.  Einige studieren noch nebenbei oder gehen einem anderen Job nach. Es ist ein Privileg, im Fußball arbeiten zu dürfen – selbst in der vierten Liga kann sich hier keiner beschweren.

Das ist Inka Grings
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Foto: dpa, Boris Roessler

Haben Sie selbst eigentlich bereits einen Vertrag unterschrieben?

Grings Bisher noch nicht. Ich bin aber ganz zuversichtlich, dass wir das zeitnah hinbekommen werden.

Wenn Sie in Straelen zum Bäcker gehen oder tanken fahren – werden Sie erkannt? Und welche Reaktionen erhalten Sie?

Grings Ja, ich fürchte der eine oder andere erkennt mich schon. Die Menschen hier sind unheimlich herzlich. Sie wünschen mir viel Erfolg für die Aufgabe.

Wie sieht die Idealvorstellung von einem Fußballspiel für Sie aus?

Grings Mich begeistert Angriffsfußball. Aber du musst dich natürlich immer mit den Begebenheiten, die du zur Verfügung gestellt bekommst, auseinandersetzen.

Wie beurteilen Sie die Trainerausbildung in Deutschland?

Grings Es kommt immer darauf an, was wir wollen. Viel zu oft sind Trainer nur daran interessiert, bereits im Jugendbereich immer nur zu gewinnen. Dabei wird aber leider vergessen, die Individualität der Spieler zu fördern. Das ist schon ein großes Problem, und es wäre gut, wenn wir da mutiger wären. Um in der Weltspitze erfolgreich zu sein, brauchen wir die sogenannten Unterschiedsspieler.

Der Druck im Nachwuchsbereich ist groß. Viele Trainer wollen sich mit den Erfolgen für einen Job im Profibereich empfehlen. Verständlich?

Grings Jein. Es geht natürlich darum, was man ihnen für Zielvorgaben gibt. Das ist in der Verantwortung der Vereine und Verbände. Die Trainer sollten sich darauf konzentrieren, was ihre Aufgabe ist – eine Mannschaft und ihre Spieler besser zu machen. Wir verlieren viele Talente, weil wir einfach nicht richtig mit ihnen umgehen.

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Foto: dpa/Pascal George

Wie wichtig ist es für Sie, in der Fußballbranche eine Haltung zu haben und diese auch vorzuleben?

Grings Extrem wichtig. Der Fußball ist eine gigantisch große Bühne und bietet eine ideale Möglichkeit, Themen zu transportieren. Warum sollte man sich da zurückhalten? Ich bin so, wie ich bin und melde mich zu Wort, wenn ich es für nötig halte.

Sie leben mit einer Partnerin zusammen. Im Fußball gibt es diese Offenheit nur selten. Würden Sie es sich wünschen, dass auch ein Bundesligaspieler sich offen zu seiner Homosexualität bekennt?

Grings Ich wünsche es einfach jedem. Wenn du dich immer nur verstecken musst, ist das ganz bestimmt kein einfaches und angenehmes Leben. Ich könnte das nicht, ich möchte niemandem irgendetwas vorspielen. Mein Leben gehört mir. Aber jeder ist für sich selbst verantwortlich. Ich würde mir jedenfalls den Mut wünschen, mehr Offenheit zuzulassen.

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