Borussia Dortmund Wie der BVB beinahe Unnas Kreisliga-Messi verpflichtet hätte

Dortmund/Düsseldorf · Es klingt wie ein Märchen: Ein 19-Jähriger spielt den Kreisliga-Verteidigern in Unna so lange Knoten in die Beine, bis sein Herzensverein Borussia Dortmund anklopft. Kurz vor der Vertragsunterschrift folgt eine bittere Diagnose. Dabei hat Joel Grodowskis Traum vom Profifußball erst begonnen.

 Joel Grodowski war zum Probetraining beim BVB geladen, fiel dann aber durch den Medizincheck. Dieses Foto stammt von der Internetseite seines Klubs PSV Bork.

Joel Grodowski war zum Probetraining beim BVB geladen, fiel dann aber durch den Medizincheck. Dieses Foto stammt von der Internetseite seines Klubs PSV Bork.

Foto: PSV Bork

"Mundpropaganda", glaubt Ingolf Grodowski. Intensive Recherche mussten Borussia Dortmunds Scouts jedenfalls nicht anstellen, um das Kreisliga-A-Spiel zwischen TuS Niederaden und dem PSV Bork 45 am 18. September 2016 in ihren Terminkalender einzutragen. Auch wenn es nicht üblich ist, dass die Talentspäher der Profiklubs schon vorab ihr Interesse an bestimmten Spielern hinterlegen, kann das Objekt ihrer Begierde an diesem Tag nur Joel Grodowski heißen. "Er ist von kleinauf schon immer in aller Munde gewesen", berichtet Ingolf Grodowski — Trainer, Vater und zuletzt vor allem Berater des Talents.

Mit zarten 19 Jahren eilt Grodowski bei den Kreisligisten in Unna und Umgebung bereits ein Ruf wie Donnerhall voraus. Er könnte beinahe noch in der A-Jugend spielen, bestreitet aber bereits seine zweite Saison bei den Senioren und stempelt dort Arbeitnachweise in der Größenordnung eines Lionel Messi. 94 Tore waren es in seinen ersten beiden Jahren in der Kreisliga A, allein in dieser Saison 51 Treffer in 27 Spielen. "Dazu legt er seinen Mitspielern noch Dreiviertel der Tore auf. Er hat alleine 25 Elfmeter in dieser Saison herausgeholt, wobei man sagen muss, dass die auch berechtigt waren. Er bekommt schon richtig viel auf die Knochen", berichtet sein Vater. Das Verwandeln der Strafstöße überlässt er allerdings seinem älteren Bruder Philipp, dritter Vertreter des Grodowski-Clans. Darüber, wie viele Vorlagen Joel seinen Mitspielern genau aufgelegt hat, ist eines zweifelsfrei verbürgt: es waren viele.

"Beidfüßig, rattenschnell und kopfballstark"

Selbst die Gegner hoffen inzwischen inständig, dass der PSV Bork, mit 17 Punkten Vorsprung auf den ersten Verfolger BSV Heeren inzwischen weit enteilt, nur bitte die Aufstiegs-Relegation gewinnen möge. Ein Spieler mit Grodowskis Fähigkeiten ist der fleischgewordene Albtraum der meisten Kreisliga-Verteidiger. "Jeder Gegner wäre froh, wenn Joel wechseln würde", glaubt Ingolf Grodowski. "Er ist beidfüßig, rattenschnell und ein Kopfballspiel hat er inzwischen auch bekommen." Über seine Torgefahr ist alles gesagt. Unabhängig davon, ob dem PSV der Sprung in die Bezirksliga gelingt — der Messi der Kreisliga Unna-Hamm wäre auch in der Bezirksliga heillos überqualifiziert.

Natürlich rutscht so einer heute nicht mehr durchs System. Die Scouting-Abteilungen der Profiklubs sind viel zu sensibel justiert, als dass sie nicht längst Alarm geschlagen hätten. Auch der FC Schalke prüfte einst, ob Grodowski in die Knappenschmiede gepasst hätte, doch so recht wollte der Junior nur in der Obhut seiner Familie funktionieren. "Wenn die Familie nicht dabei war, hatte er plötzlich Magenschmerzen und ich habe ihn zu nichts gezwungen, aber jetzt muss er irgendwann den Sprung schaffen, sonst wird ihn das einholen", ahnt der Senior.

Der Hunger des Filius ist aber längst geweckt. Schon vor der Einladung des BVB hat er gemeinsam mit seinem Bruder beim Regionalligisten Rot-Weiß Ahlen vorgespielt, wusste die Verantwortlichen dort aber nicht zu überzeugen. Damit konnte er noch besser leben als mit den geradezu dramatischen Verlauf seines Probetrainings bei Borussia Dortmund. Der BVB ließ sich von den Qualitäten des Angreifers überzeugen, ein Vertrag bei seinem Herzensverein war praktisch aufgesetzt. "Das war wie ein kleines Träumchen, erstmal überhaupt höherklassig Fußball zu spielen und dann noch in Dortmund", sagt Joel. Erst der obligatorische Medizincheck bremste ihn unsanft aus, Ärzte entdeckten im MRT eine Verengung des Spinalkanals an seiner Wirbelsäule. Nichts akut Bedrohliches, gleichwohl ein Risiko, das Borussia Dortmund nicht eingehen wollte. "Das war ein Schlag ins Gesicht, alles lief super, ich hatte mich schon so gefreut ...", sagt der vorerst verhinderte Torjäger.

Einige Tage lang brauchte er, um dieses Tief zu verarbeiten, hat inzwischen aber neuen Mut gefasst. Mediziner haben ihm signalisiert, dass er mit ausreichender physiotherapeutischer Nachhilfe professionell Sport betreiben können wird. "Mein Ziel ist jetzt erstmals, zu 100 Prozent fit zu werden. Ich habe die richtige Behandlung, das wird sich bessern", sagt Joel. Schon jetzt setze er die Übungen mit beeindruckendem Trainingseifer um, berichtet der stolze Vater.

Angesichts seines herausragenden Talents soll die Reise für Joel Grodowski schließlich auf kurzem Wege in den Profifußball führen. "So gesehen hätte ich es sportlich ja bei einem Regionalligisten geschafft, daher ist das jetzt schon mein Ziel", kündigt er an. Angebote dürften sich zwangsläufig einstellen. Dieses Ende der Geschichte sollt erst der Anfang seiner Laufbahn gewesen sein.

(ako)
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