Gastbeitrag von Günter Bannas Warum ich trotz allem den 1. FC Köln liebe

Köln · Der 1. FC Köln hat unseren Autor schon zum Weinen gebracht. Aber seiner Liebe zum Verein hat das keinen Abbruch getan. Seit 1962 ist er dem Klub eng verbunden.

 DFB-Pokal 1972/1973: Kölns Wolfgang Weber (l.) im Zweikampf mit Borussia Mönchengladbachs Jupp Heynckes.

DFB-Pokal 1972/1973: Kölns Wolfgang Weber (l.) im Zweikampf mit Borussia Mönchengladbachs Jupp Heynckes.

Foto: imago / Sven Simon/Imago

Einmal, als Kind, habe ich des Fußballs wegen, wegen des „FC“, Tränen vergossen, früh morgens im September 1962, noch vor der Schule. Es waren die Zeiten, als es noch keine Bundesliga gab, mit einem 4:0 im Endspiel gegen den 1. FC Nürnberg, waren „wir“ deutscher Meister geworden und hatten gerufen „Lasst das mal den Schäfer machen, Schäfer macht die tollsten Sachen“. Die Champions League gab es auch noch nicht. „Europapokal der Landesmeister“ hieß der Wettbewerb, nur mit K.o.-Runden, und der erste Gegner hieß FC Dundee, der schottische Meister, ein leichter Gegner für „uns“, die wir das „Real Madrid“ des Nordens genannt wurden, weil der FC gut, sehr gut spielte, und das auch noch in weißen Trikots mit weißen Hosen, ganz so wie die „Königlichen“. Die Sache nahm ein ungutes Ende. Der Torwart des FC, Fritz Ewert, wurde gleich zu Beginn verletzt, es durfte noch nicht ausgewechselt werden. Der FC spielte mit einem Mann weniger. Toni Regh musste ins Tor. Der war ein ordentlicher Verteidiger, aber eben kein Tormann. Das Spiel endete 8:1 für Dundee, wie mir der Vater am Frühstückstisch schonend beizubringen versuchte. Doch es war zu viel des Schlechten.

Gute zwei Jahre später sah es besser aus. Wieder war der FC deutscher Meister geworden, der erste der neu geschaffenen Bundesliga. Bis ins Viertelfinale gelangte er – gegen den berühmten FC Liverpool. Hinspiel 0:0. Rückspiel 0:0. Toni Schumacher hieß der Tormann, der wahre Toni Schumacher und nicht der Harald Schumacher von später, den sie wegen seines Vorgängers auch „Toni“ nannten. Der wahre Toni wurde zum „Held von Liverpool“. Entscheidungsspiel in Rotterdam. Zu dessen Held wurde Wolfgang Weber, der – Auswechseln gab es immer noch nicht – eine Stunde mit gebrochenem Wadenbein „spielte“. 2:2 nach Verlängerung. Auch Elfmeterschießen gab es nicht. Dafür einen Münzwurf. Beim ersten Wurf blieb die Münze senkrecht im Rasen stecken. Beim zweiten hatte Liverpool Glück, der FC aber Pech. Solches Schicksal verbindet lebenslang – in guten wie in schlechten Zeiten.

Das Stadion in Köln-Müngersdorf hieß noch „Hauptkampfbahn“, die vom Kölner Oberbürgermeister Konrad Adenauer (ja, der!) geschaffen worden war und wo für uns Schüler die Bundesjugendspiele stattfanden. Das erste Spiel, das ich dort sah, ging gegen Borussia Mönchengladbach. Deren Star hieß Albert Brülls, der wenig später als „Legionär“ nach Italien zum FC Modena wechselte. Köln gewann und, wiewohl ein gebürtiger Kasseläner, freute ich mich. Als Schüler kamen wir fast umsonst ins Stadion – zur zweiten Halbzeit. Der Kauf einer Bratwurst vorm Stadion galt quasi als Eintrittskarte. Stolz waren wir auf unseren FC und seine Nationalspieler. 1978, da schon Student: deutsche Meisterschaft und Pokalsieg. Bis zur Weltmeisterschaft 2014 galt das Gesetz, Deutschland könne nur Weltmeister werden, wenn FC-Spieler im Endspiel dabei waren. Nicht einmal Bayern München hatte das aufzubieten, das für uns ohnehin ein neureicher Emporkömmling war. 1954: Hans Schäfer, der Helmut Rahn mittels Flanke dessen Siegtor möglich machte. 1974: Wolfgang Overath, Spielmacher im Mittelfeld. 1990: Torwart Bodo Illgner und die Mittelfeldstars Thomas Häßler und Pierre Littbarski. Schön auch: Wenn vom „FC“ die Rede ist, ist sogar in Kaiserslautern und München mein Verein gemeint.

Günter Bannas: Ehemaliger Politik-Redakteur bekennt sich zum 1. FC Köln
Foto: Schneider

Was kam, waren bittere Zeiten – gerade für den, der in der Fußballdiaspora lebt. Abstiege, Aufstiege, Konzeptlosigkeit. Pech auch. Der Kranz des Vereins am Grab seines Gründers „Boss“ Franz Kremer auf dem Kölner Südfriedhof ist von peinlicher Schlichtheit. Die Legende machte sich breit, der FC-Fan glaube schon an die Champions League, wenn – sagen wir – Wacker Burghausen bezwungen wurde. Das ist natürlich grober Unfug von Leuten, die Frohsinn mit Realitätsverweigerung verwechseln. Andererseits: Erinnerungen an glorreiche Zeiten können einem nicht genommen werden, und nächste Saison geht es wieder um die Meisterschaft! Oder wenigstens um die Macht am Rhein. Von wegen Karnevalsverein!

Unser Autor Günter Bannas (66) leitete als politischer Journalist das Hauptstadtbüro der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Für sein Lebenswerk wurde er mit dem „Theodor-Wolff-Preis“ ausgezeichnet. Bannas wuchs in Köln auf und studierte dort Politik und Volkswirtschaftslehre.

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