Markus Anfang im Interview „Jeder Kölner ist auch ein bisschen FC-Trainer“

Köln · Kölns Trainer Markus Anfang spricht im Interview über die Personalien Anthony Modeste und Simon Terodde. Er erklärt, warum er damals nicht bei der Fortuna verlängert hat und worin der Unterschied zwischen Düsseldorfer und Kölner Mentalität besteht.

Köln-Trainer Markus Anfang blickt optimistisch in die Zukunft.

Köln-Trainer Markus Anfang blickt optimistisch in die Zukunft.

Foto: dpa/Marius Becker

Was für ein Typ Markus Anfang ist, wird sofort deutlich. Wir sprechen über seine Anfänge als Trainer. Speziell über ein Spiel der U19 von Bayer Leverkusen bei Rot-Weiss Essen. Anfang erinnert sich sofort. „Simon Rhein hat damals das entscheidende Tor gemacht“, sagt er. Über zwei Jahre ist das nun her. Dennoch weiß Anfang noch alles über die Partie. Ein Beweis dafür, wie akribisch der 44-Jährige arbeitet. Zwei Wochen nach dieser Begegnung heuerte Anfang bei Holstein Kiel an und schaffte mit den Störchen fast den Aufstieg in die Bundesliga. Seit dieser Saison ist der gebürtige Kölner wieder zurück in seiner Heimat. Als Trainer des 1. FC Köln scheint seine Aufgabe klar: Er soll die Rheinländer zurück in die Bundesliga führen.

Markus Anfang, 17 Spiele sind gespielt, der 1. FC Köln hat keine 51 Punkte auf dem Konto. Woran hat es gelegen?

Anfang (lacht) Sie haben Recht, ich bin ja auch ein Optimist. Es hätte noch besser laufen können.

Spaß beiseite, die Erwartungshaltung im Umfeld ist enorm. Der FC ist quasi bereits vor der Saison aufgestiegen. Wie gehen Sie damit um?

Anfang Wir haben auch hohe Erwartungen an uns selbst. Wir wollen jedes Spiel gewinnen. Und wir sind genauso enttäuscht wie die Fans, wenn wir das nicht schaffen. Genauso wie sie uns bei Siegen tragen, ist es nachvollziehbar, dass sie dann ihren Frust rauslassen.

Die Grundstimmung im Allgemeinen war vor der Saison negativ.

Anfang Wir sind in der vergangenen Spielzeit abgestiegen. Dafür gab es Gründe, die darf man nicht unter den Teppich kehren. Jetzt neigen manche dazu, zwischen den Extremen zu wandeln. Aber insgesamt muss man der Mannschaft die Zeit geben, diese Periode zu verarbeiten und wieder Erfolgserlebnisse zu sammeln. Entscheidend wird sein, dass wir geduldig sind.

Sie sind seit Ende Mai zurück in Ihrer Heimat. Wie fällt Ihr bisheriges Fazit aus?

Anfang Zu Beginn hat man schon gemerkt, dass die vergangene Spielzeit sehr enttäuschend war. Daran haben alle noch ein wenig geknabbert. Nach dem guten Start hatten wir eine Phase, in der wir nicht gewonnen haben. Aber wir haben das gut gelöst und zuletzt fünf Mal in Folge gewonnen. Insgesamt befinden wir uns auf einem guten Weg.

 Köln-Trainer Markus Anfang (rechts) mit RP-Redakteur Pascal Biedenweg.

Köln-Trainer Markus Anfang (rechts) mit RP-Redakteur Pascal Biedenweg.

Foto: privat

Merken Sie, dass die Spieler dem Verein und den Fans nach dem vergangenen Jahr etwas zurückzahlen möchten?

Anfang Müssen sie denn überhaupt etwas zurückzahlen? Sie können ja nichts wiedergutmachen. Den Abstieg können sie nicht mehr rückgängig machen. Aber sie können versuchen, das, was in der Zukunft kommt, positiv zu beeinflussen. Und das versuchen sie.

Was sagt das über die Charaktere der Spieler aus? Jonas Hector ist deutscher Nationalspieler, Timo Horn steht zumindest im erweiterten Kreis. Sie hätten die 2. Liga nicht nötig gehabt.

Anfang Das liegt daran, dass es hier ein Umfeld gibt, was du nicht überall hast. Auch wenn wir in der 2. Liga spielen. Der FC ist ein besonderer Klub, die Identifikation ist sehr groß.

Der FC steht auf Rang zwei, hat fünf Punkte Vorsprung auf Union Berlin und den Relegationsplatz. Hätten Sie das vor der Saison so unterschrieben?

Anfang Wenn wir vor der Saison gewusst hätten, dass Union Berlin in der Hinrunde kein Spiel verliert, der HSV ebenfalls kontinuierlich punktet und wir unsere Punkte holen, wäre das in Ordnung. Es geht aber noch besser (lacht).

Ist es für Sie als Trainer ein Vorteil in Köln aufgewachsen zu sein und die Mentalität der Stadt zu kennen?

Anfang Natürlich. Dennoch ist jede sportliche Situation eine andere. Es ist auch ein Irrglaube, dass es in Kiel total ruhig ist. Meine Vorgänger hatten alle die Vorgabe, aufsteigen zu müssen. Alle haben das nicht geschafft. Und als ich kam, hatte ich auch den Druck, aufsteigen zu müssen.

Sie haben es geschafft.

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Anfang Aber als wir dann aufgestiegen sind und eine tolle Hinrunde gespielt haben, haben alle auch erwartet, dass die Rückrunde genauso gut läuft. Dann hatten wir eine schlechtere Phase, die Leute wurden unruhig. So ist das immer, wenn Menschen sehen, dass mehr geht. Dass man mehr herausholen kann.

Dennoch ist der Druck in Köln ein anderer.

Anfang Dass der Klub hier ganz anders aufgestellt ist und eine komplett andere Wahrnehmung in Deutschland hat, das ist mir bewusst. Und dass die Leute in der Stadt alle etwas verrückter sind, das weiß ich auch. Das hat aber auch positive Aspekte. Wenn wir gut spielen, dann sind die Fans wahnsinnig gut drauf. Das können wir auf jeden Fall für uns nutzen.

Köln hat gefühlt 500.000 FC-Trainer. Nervt Sie das manchmal?

Anfang Das könnte man meinen (lacht). Aber das zeigt das Interesse an dem Klub. In der Tat ist jeder Kölner auch ein bisschen FC-Trainer, und jeder weiß, wie es am besten geht. Damit muss man leben.

Nach dem Spiel gegen den Hamburger SV, das 0:1 verloren ging, haben Sie eine Änderung am System vorgenommen. Wieso?

Anfang Wir brauchten einen neuen Impuls in der Mannschaft und hatten das bereits in Freundschaftsspielen und im Training einstudiert. Ich möchte mir die Möglichkeit bewahren, immer etwas ändern zu können. Dazu haben wir auch die Qualität im Kader. Nach dem Spiel gegen Hamburg war der richtige Zeitpunkt, einen neuen Reiz zu setzen.

Das hat gut funktioniert. Die kommenden Spiele wurden allesamt hoch gewonnen.

Die Trainer des 1. FC Köln seit 2005
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Anfang Das stimmt. Generell ist bei uns aber nicht die Grundordnung entscheidend, sondern wie die Räume besetzt sind. Es geht darum, wie wir uns in Räumen bewegen.

Hat man mit der Personalie Anthony Modeste ein unnötiges Störfeuer gelegt?

Anfang Natürlich machen sich die Jungs Gedanken, aber wir sind im permanenten Austausch mit ihnen und haben auch darüber gesprochen.

Modeste wird vorerst allerdings noch nicht spielen können.

Anfang Die Situation, die nun entstanden ist, ist nicht alltäglich, klar. Aber die Verpflichtung von Tony ist ja nicht nur kurzfristig gedacht, sondern auch eine für die Zukunft.

Aber Sie haben doch einen Spieler, der keine allzu schlechte Torausbeute hat.

Anfang Wenn du als Spieler an dich selbst glaubst, dann spielst du gern mit anderen guten Spielern zusammen. Und ich als Trainer bin froh, wenn wir viele gute Spieler haben.

Können Sie sich vorstellen, Simon Terodde, Jhon Cordoba und Modeste gleichzeitig spielen zu lassen? Ein ähnliches Modell praktiziert Eintracht Frankfurt.

Anfang Auch das ist vorstellbar. Aber es geht nicht darum, dass ich mir das vorstellen kann. Es geht darum, was der Mannschaft hilft und dem Klub Erfolg bringt. Danach muss ich handeln. Wer auch immer auf der Bank oder auf der Tribüne sitzt – es geht darum, dass die Mannschaft, die auf dem Platz steht, ein gutes Gefühl hat.

Sie kennen Jogi Löw. Er war früher Ihr Trainer in Innsbruck. Haben Sie mal über Terodde gesprochen?

Anfang Nein. Das muss letzten Endes auch Jogi Löw beantworten.

Trauen Sie Terodde eine Karriere in der Nationalelf zu?

Anfang Man neigt im Fußball gern dazu, nur die aktuelle Situation zu bewerten. Nach dem schlechten Abschneiden der Nationalmannschaft bei der WM wurde ein Umbruch gefordert. Simon Terodde ist 30 Jahre alt. Ganz losgelöst davon, in welcher Liga Simon spielt und wie viele Tore er macht. Ich glaube, das wäre nicht wirklich zukunftsorientiert.

Sie spielen mit Ihren Mannschaften einen attraktiven „Hurra-Fußball“.

Anfang (lacht) Ich habe Probleme mit diesem Begriff.

Wieso? Wie würden Sie Ihre Art, Fußball spielen zu lassen, beschreiben?

Anfang Natürlich wollen wir versuchen, so viele Chancen wie möglich zu kreieren. Aber wir wollen auch so wenig wie möglich in der Defensive zulassen. Man neigt immer dazu, zu sagen: 'Der Anfang lässt Hurra-Fußball spielen, weil seine Mannschaft viele Tore schießt.' Aber eigentlich wollen wir sowohl viele Tore schießen als auch wenige bekommen. Das ist uns zu Beginn nicht so gut gelungen, den Anspruch haben wir aber. Und den wollen wir auch nicht verlieren.

Denken Sie, das klappt auch in der Bundesliga, wenn es schon eine Etage tiefer ab und an hapert?

Anfang Wir haben das gegen Schalke im Pokal genauso gespielt und lange Zeit geführt…

Vielleicht sollte man aber auch mal, losgelöst vom DFB-Pokal, mit einem Punkt zufrieden sein.

Anfang Wir gehen nicht raus, um zu verhindern, dass wir ein Spiel verlieren oder vielleicht mit Glück einen Punkt mitnehmen. Wir gehen raus, um ein Spiel zu gewinnen. So sollen die Jungs auch auftreten. Und das ist vollkommen unabhängig von der Liga, in der wir spielen.

Sie haben früher noch alle Analyseszenen selbst zusammengeschnitten. Sie haben in Köln überhaupt nichts mehr zu tun, oder?

Anfang Das ist auch übertrieben (lacht). In der Drittliga-Saison in Kiel haben Tom Cichon und ich tatsächlich noch alles selbst gemacht, weil wir nicht die Möglichkeit hatten, das Funktionsteam zu erweitern.

Erklären Sie uns das bitte genauer.

Anfang Wir haben drei Spiele unseres kommenden Gegners geschnitten und die Szenen den Spielern gezeigt. Dann haben wir trainiert, haben daraus wieder Szenen rausgeschnitten, die wir dann vor dem Spiel gezeigt haben. Nach der Partie haben wir die Analyse gemacht, das nächste Spiel wieder vorbereitet und so weiter. Das war schon zeitintensiv. In der Zweitliga-Saison konnten wir einen weiteren Co-Trainer hinzunehmen und hatten einen externen Mitarbeiter, der uns zugearbeitet hat.

In Köln haben Sie hauptamtliche Mitarbeiter.

Anfang Und wir sind sehr froh darüber, dass wir uns da die Arbeit teilen können. Dadurch haben wir mehr Zeit, um uns auf wesentlich mehr Details zu konzentrieren.

Was ist Ihr Ausgleich zum Fußball?

Anfang Ich versuche täglich Laufen zu gehen. Das schaffe ich nicht immer. Ansonsten dient mir die Familie als Rückzugsort.

Als Sie noch Jugendtrainer bei Bayer Leverkusen waren, haben Sie auch Kai Havertz trainiert. Konnte man damals schon sehen, was aus ihm werden kann?

Anfang Vor Kurzem ist mir noch eine Beurteilung über Kai nach dem ersten Jahr in der B-Jugend in die Hände gefallen. Unsere Einschätzung ist genauso eingetroffen.

Was steht dort drin?

Anfang Dass Kai ein herausragender Bundesliga- und Nationalspieler werden könne.

Dann mussten Sie von ihm sehr überzeugt gewesen sein.

Anfang Als Trainer im Nachwuchsbereich beurteilst Du die Fähigkeiten. Ob die dann später auch zum Tragen kommen, ist die andere Frage. Im zweiten Jahr in der U17 hat er einen wahnsinnigen Schub gemacht und konnte die Fähigkeiten, die wir vorher erkannt haben, immer besser umsetzen. Dass Kai in der Bundesliga so durchstartet ist, freut uns umso mehr.

Als Spieler haben sie am Anfang und am Ende Ihrer Karriere für Fortuna Düsseldorf gespielt. War das als Kölner nicht komisch?

Anfang Ich war damals noch für Bayer Leverkusen aktiv. Rudi Wojtowicz hat mich dann nach Düsseldorf gelotst. Reiner Calmund meinte sofort, ich solle das machen und hat mit Aleksandar Ristic über meinen Wechsel gesprochen. Ich wollte unbedingt Profi werden und bei Fortuna war die Wahrscheinlichkeit größer als in Leverkusen. Das erste Jahr in der Bundesliga war gut, im zweiten sind wir leider abgestiegen. Aber es war eine super Zeit.

War es ein Fehler nach dem Abstieg mit Fortuna zu Schalke zu wechseln? Dort konnten Sie sich nicht durchsetzen.

Anfang Nein, ich habe in diesem einen Jahr auf Schalke sehr viel gelernt. Da habe ich als junger Kerl mit den „Eurofightern“ trainiert, die in der Saison zuvor den Uefa Cup gewonnen hatten. Und in den Planungen der Fortuna spielte ich keine Rolle.

Wieso nicht?

Anfang Sie haben nicht geglaubt, dass ich weiter bei ihnen spielen wollte (lacht).

Jetzt sind wir gespannt.

Anfang Frank Mill war damals Manager. Er hat mir gesagt, dass er mich gern behalten wolle. Dann habe ich ihn gefragt, wie denn die Mannschaft aussehe. Er hat mir dann einen Zettel vorgelegt. Da stand mein Name aber gar nicht drauf.

Was haben Sie dann gesagt?

Anfang ‚Und was ist mit mir?‘, habe ich gefragt. Er hat einfach nicht daran geglaubt, dass ich bleiben würde. Dann dachte ich mir, dass es vielleicht auch keinen Sinn macht, zu bleiben.

Zehn Jahre später sind Sie dann doch zur Fortuna zurückgekehrt. Damals spielte Düsseldorf aber nur noch in der Regionalliga. Wie sehr freut es Sie, dass dieser Traditionsverein den Weg zurückgeschafft hat?

Anfang Als Kölner Trainer muss ich aufpassen, was ich sage (lacht). Aber das rheinische Denken ist ja irgendwo identisch. Die beiden Städte haben schon ein besonderes Flair. Es ist immer schön, wenn sich Traditionsvereine in der Bundesliga festsetzen. Und die Derbys sind ja auch immer etwas Besonderes, sie haben eine unheimliche Brisanz. Wieso gibt es denn diese Rivalität zwischen Köln, Düsseldorf und Gladbach?

Sagen Sie es uns.

Anfang Vielleicht weil die Menschen viele Dinge auch verbinden. Vieles ist identisch, jeder möchte gern das Beste haben, der Beste sein. Dieses Denken gehört einfach dazu, und es wäre schade, wenn es das nicht geben würde. Dann würde uns im Fußball viel fehlen.

Worin besteht der Unterschied zwischen der Düsseldorfer und der Kölner Mentalität?

Anfang Als ich in Düsseldorf gespielt habe, haben wir Spieler immer gesagt: 'Naja, wir haben halt die Kö. Und da gehen die Leute am Wochenende wohl lieber drüber als ins Stadion.'

In Köln ist das Stadion auch in der 2. Liga oft ausverkauft. Düsseldorf muss in der Bundesliga um Zuschauer kämpfen. Woran liegt das?

Anfang Wenn du in Düsseldorf gegen den Abstieg spielst, sind alle da. Und wenn du um den Aufstieg spielst, sind auch alle da. Deshalb glaube ich, dass am Ende dieser Saison auch wieder alles mobilisiert wird, falls Fortuna unbedingt Punkte für den Klassenerhalt benötigen sollte. Der Kölner dagegen feiert einfach gern, die Stadt genauso wie den FC. Genau deshalb kommt er immer ins Stadion.

Dann hoffen Sie in der kommenden Saison also auf sechs Derbys? Gegen Borussia, Fortuna und Bayer 04.

Anfang Das wäre natürlich toll. In erster Linie geht es für uns aber darum, dass wir den Aufstieg schaffen. Das wird ein harter Weg. Wir werden aber alles dafür tun, dass wir in der kommenden Saison wieder erstklassig sind.

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