Interview mit Ex-Fortuna-Marketingchef Steinforth „Vielleicht haben wir manchmal zu viel gewollt“

Düsseldorf · Die Corona-Krise trifft Sport-Vermarkter besonders hart. Einer, der davon ein Lied singen kann, ist Alexander Steinforth. Bis Ende 2019 war er Marketing-Chef bei Fortuna, inzwischen vermarktet er den Deutschen Olympischen Sport. Im Interview spricht er über Herausforderungen in der Pandemie.

 Alexander Steinforth.

Alexander Steinforth.

Foto: RP/Falk Janning

Hinter Alexander Steinforth liegen ereignisreiche Monate. Erst verließ er Ende 2019 als Marketingchef Fortuna Düsseldorf. Dann heuerte er Anfang 2020 in der Geschäftsführung der Deutschen Sport Marketing an. Es folgte die Corona-Krise, der Gau für alle Vermarkter. Ein Gespräch über die Herausforderung von verlegten Olympischen Spielen und den Fußball vor leeren Rängen.

Herr Steinforth, verfolgen Sie die Spiele von Fortuna überhaupt noch?

Steinforth Natürlich, ich verfolge immer noch genau, was bei Fortuna passiert und versuche, alle Spiele zu schauen. Im Stadion ist das ja leider derzeit nicht möglich, aber so drücke ich eben auf dem Sofa vor dem TV die Daumen. Ich freue mich über jeden Erfolg der Mannschaft. Meine Trennung von Fortuna ändert ja nichts daran, dass ich dem Verein vom ganzen Herzen den Klassenerhalt wünsche. Auf den wichtigen Verbleib in der Liga im zweiten Jahr nach dem Aufstieg haben wir ja alle hingearbeitet.

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Foto: AP/Christof Stache

Wie bewerten Sie denn die Trennung mit etwas Abstand?

Steinforth Es war ein sehr bewegtes und ereignisreiches Jahr 2019 für alle. Manche Dinge hätte ich mir natürlich anders gewünscht, aber ich hadere nicht und schaue auch ohne Gram und Groll zurück. Vielmehr freue ich mich, dass es eine persönlich, sportlich und wirtschaftlich erfolgreiche Zeit bei Fortuna war – und vor allem über meine neue spannede berufliche Herausforderung.

Was hat denn Ihrer Meinung nach zur Trennung geführt? Welche Fehler kreiden Sie sich an?

Steinforth Zu Beginn meiner Fortuna-Zeitstand der Klub kurz vor dem Absturz in die Dritte Liga. 2019 war dann die sportlich und wirtschaftlich erfolgreichste Phase seit 30 Jahren. Es waren spannende und erfolgreiche Jahre. In dieser Zeit wurde viel bewegt und wurden viele Änderungen herbeigeführt. Dabei bleibt niemand fehlerfrei – auch ich nicht. Vieles war richtig, doch vielleicht hätte man noch mehr fragen müssen: Kann die Organisation die hoheGeschwindigkeit mitgehen? Aber hier gilt, wie so oft: Im Nachhinein ist man immer schlauer.Vielleicht haben wir manchmal zu viel gewollt, aber ich hadere nicht mit meinen Entscheidungen.

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Foto: dpa/Roland Weihrauch

Nun kümmern Sie sich federführend um die Vermarktung rund um den Deutschen Olympischen Sportbund. Wie ist das Berufsleben außerhalb des Fußballs?

Steinforth Spannend. Für mich war es fast schon ein nächster logischer Schritt. Wir verantworten die Vermarktung für die Olympiateams, organisieren die Deutschen Häuser bei den kommenden Spielen in Tokio und Peking. Dabei arbeiten wir mit vielen der größtendeutschen und internationalen Unternehmen eng zusammen, die wir für langjährige Partnerschaften haben gewinnen können. Es macht einfach Spaß, so nah an der gesamten Breite des Spitzensports angedockt zu sein. Und mit Claudia Wagner habe ich eine tolle Co-Geschäftsführerin.

Wie war es denn für Sie, als entschieden wurde, dass Sie Ihre ersten Olympischen Spiele in verantwortlicher Funktion nicht 2020, sondern 2021 vor Ort verfolgen können?

Steinforth Es war insgesamt ein bewegender Start, als ich Anfang Februar begonnen habe. Das Deutsche Haus war fix für den Sommer in Tokio geplant. Es sollte das größte und bisher spektakulärste Deutsche Haus in der Olympia-Geschichte werden. Innerhalb von sechs Wochen hat sich dann alles komplett gedreht. Jetzt müssen wir uns – wie so viele Unternehmen, Vereine und Verbände – mit den Folgen von Corona auseinandersetzen: Was bedeutet das für uns, für den deutschen Sport und für unsere Partner? Die größte organisatorische Herausforderung ist natürlich, die Planungen von 2020 auf 2021 zu übertragen und anzupassen. Wir führen viele Gespräche, insbesondere mit unseren Partnern, etwa der Messe Düsseldorf, und dem IOC.

Was sind die größten Herausforderungen dabei?

Steinforth Es ist vor allem das erste Mal in der Geschichte, dass nur sechs Monate zwischen Sommer- und Winterspielen liegen. Es muss also parallel geplant werden. Zudem sind wir natürlich vom IOC abhängig, weil noch nicht ganz genau klar ist, wie die Spiele in Tokio 2021 genau aussehen werden.

Naiv könnte man davon ausgehen: Alles was für 2020 geplant war, wird einfach auf 2021 gelegt. Warum geht das nicht?

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Foto: dpa/Ina Fassbender

Steinforth Es fängt schon damit an, dass viele Flächen in Tokio, die 2020 für die Spiele angedacht waren, eigentlich schon weitervermietet wurden. Das Olympische Dort etwa sollte nach nach den Spielen 2020 in Wohnfläche umgewandelt werden. Es ist auch noch nicht klar,ob die Nationenhäuser auf der gleichen Fläche stehen können. Dann ist die Frage, welche Form der Darstellung für uns und unsere Partner in 2021 die angemessene ist. Da spielen natürlich auch wieder Budgets eine Rolle. Es gibt Hunderte Fragen, an deren finaler Beantwortung wir arbeiten.

Der Fußball wird um seine Erlöse beneidet. Wie ist es denn im Vergleich, nun andere Sportarten zu vermarkten?

Steinforth Der Fußball ist mit seiner Reichweite und mit seiner weltweiten Relevanz die Nummer eins bei den Sportarten. Das sieht man natürlich auch an den Vermarktungserlösen. Andere Sportarten können es nicht mit dem Fußball aufnehmen. Allerdings haben wir als Vermarkter des „Team Deutschland“ und der Olympischen Ringe in Deutschland eine unheimlich starke Position. Wir repräsentieren den Sport in seiner ganzen Breite – auch den Fußball. Bei unserer Vermarktung stehen Inhalte und Storytelling im Mittelpunkt, nicht nur reine Logopräsenz. Dass wir damit sehr gut fahren, beweist unsere Partner-Familie, zu der viele der ganz großen Unternehmen gehören. Und die pflegen teilweise schon seit Jahrzehnten eine Partnerschaft mit uns. Das ist ein gutes Zeichen und etwas anders als im Fußball, da sind die Partnerschaften meistens kürzer angelegt. Wir haben ein unheimlich attraktives Produkt – und allein rund 400 Sportlerinnen und Sportler, die zu den Sommerspielen geschickt werden. In Anbetracht der Diversität des Teams kann man von einer „echten Nationalmannschaft“ sprechen. Das kommt bei unseren Partnern gut an.

Es gibt Bemühungen, die Olympischen Spiele 2032 ins Rheinland und ins Ruhrgebiet zu holen. Wie wertvoll wäre es, die Spiel mal wieder nach Deutschland zu holen?

Steinforth Wir verfolgen die Initiative Rhein-Ruhr 2032 sehr intensiv und ich als Düsseldorfer natürlich nochmal ganz besonders. Ich drücke die Daumen, dass es die nächstenSchritte nach vorne geht. Auch für die Vermarktung ist das eine riesige Chance. Olympische Spiele im eigenen Land wären, auch aus Partnersicht, natürlich eine fantastische Sache.

Noch einmal zurück zum Fußball: Fortuna vermarktet sich ab der kommenden Spielzeit selbst. Sehen Sie das in der Corona-Krise als Chance oder als Gefahr?

Steinforth Der Fußball hat drei große Herausforderungen durch Corona: Die Ausschreibung der TV-Rechte, die nun zu einem sehr schwierigen Zeitpunkt erfolgt. Die Zuschauereinnahmen, die auf unabsehbare Zeit erst einmal ausfallen werden. Und dann gibt es die Säule der Vermarktung. Viele Unternehmen streichen in Krisenzeiten als Erstes ihre Marketingbudgets zusammen. Das ist zumeist ein Automatismus – unabhängig davon, ob es in Gänze sinnvoll ist. Grundsätzlich ist es natürlich so, dass man sich ohne Vermarkter die Provisionszahlungen einspart. Dafür fällt aber die Garantiezahlung aus, die als Fallschirm in wirtschaftlich schwierigen Zeiten gesehen wird. Deshalb lautet die Frage: Will man diesen Fallschirm,gerade in Corona-Zeiten, behalten, um in den kommenden Jahren eine wirtschaftliche Grundabsicherung zu haben? Der Schritt zur Eigenvermarktung wurde ja bereits vor Jahren angestoßen. Die Frage ist, ob es momentan der richtige Zeitpunkt ist, um sich eine solche Struktur aufzubauen. Chancen bieten sich allemal.

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