Formel-1-Teamchef Frank Williams wird 70 Vom "Witz der Branche" zum Ritter

Shanghai · Seit 26 Jahren sitzt Frank Williams im Rollstuhl. Seinen 70. Geburtstag am Montag feiert er dennoch als Teamchef seines Formel-1-Rennstalls.

 Frank Williams mit Ayrton Senna. Der Brasilianer verunglückte 1994 tödlich.

Frank Williams mit Ayrton Senna. Der Brasilianer verunglückte 1994 tödlich.

Foto: dpa

Den schlimmen Unfall am 7. März 1986 hat Frank Williams bei vollem Bewusstsein erlebt. "Das Auto ist mir plötzlich ausgebrochen, hat sich sechs oder sieben Mal überschlagen, dann habe ich einen stechenden Schmerz in meinem Nacken verspürt", sagt er über jenen Moment, der sich vor seinem inneren Auge seitdem unzählige Male wiederholte. Williams versuchte, nach dem Gurt des Mietwagens zu greifen, mit dem er von der Rennstrecke in Le Castellet zum Flughafen fahren wollte, doch er konnte seinen Arm nicht mehr bewegen.

"Frank mag keine Geburtstage"

Seit jenem Tag vor mehr als 26 Jahren sitzt Sir Francis Owen Garbatt Williams, genannt Frank, im Rollstuhl. Er muss rund um die Uhr betreut werden. Dennoch wird Frank Williams auch seinen 70. Geburtstag am Montag noch als Teamchef seines Formel-1-Rennstalls feiern. Wenn auch nicht im Wortsinne. "Sir Frank mag keine Geburtstage", sagt ein Crew-Mitglied schmunzelnd: "Und er hasst Geburtstagskarten."

Schnell betrachtete Williams jenen Unfall in Frankreich einfach als den Beginn einer neuen Episode. "Ich sehe es so, Ginny", sagte er zu seiner Ehefrau Virginia: "Ich hatte 40 fantastische Lebensjahre. Nun werde ich eben noch 40 Jahre eines völlig anderen Lebens haben."

Seinen langjährigen Weggefährten ringt Williams Haltung höchsten Respekt ab. "Er ist ein absoluter Fels in der Brandung und einfach ein toller Mann", sagt Mercedes-Sportchef Norbert Haug. Auch der heutige Mercedes-Pilot Nico Rosberg, der von 2006 bis 2009 selbst für Williams fuhr und dessen Vater Keke 1982 als Pilot des britischen Rennstalls Weltmeister wurde, ist tief beeindruckt: "Es ist unglaublich, was er geleistet hat. Ich respektiere ihn vor allem als Person sehr."

Dass Williams, 1999 von Queen Elisabeth II. zum Ritter geschlagen, heute noch als gleichzeitig eisenharter wie humorvoller Teamchef mit klaren Prinzipien in der Formel 1 wirkt, ist in der Tat bewundernswert. Doch Frank Williams war schon immer ein Kämpfer. Der Sohn eines Offiziers der Royal Air Force erlebte nach eigenen Angaben eine "schwere Kindheit", nach der Scheidung der Eltern musste er in ein katholisches Internat. Als Rennfahrer war er nicht talentiert genug und chronisch pleite, auch als Mechaniker und Händler gebrauchter Rennwagen war sein Weg beschwerlich. Er sei damals "der Witz der Branche" gewesen, sagte Williams einst dem Spiegel.

Der Durchbruch kam, als er 1977 mit dem unbekannten Konstrukteur Patrick Head einen eigenen Rennstall aufbaute. Williams arbeitete erfolgreich in der Sponsoren-Aquise, seine Menschenkenntnis und sein Gespür ließen das Team zum heute dritterfolgreichsten der Formel-1-Geschichte werden. Die meisten Erfolge feierte es übrigens nach dem Schicksalsschlag, der seinen Gründer ereilte: 81 von 113 Rennsiegen, fünf der sieben Fahrer-Titel und sieben von neun WM-Titeln in der Konstrukteurs-Wertung gewann Williams nach 1986.

Der Förderer vieler Stars

Bei Williams, der beim Grand Prix in Shanghai fehlte, aber bei mehr als der Hälfte der Rennen vor Ort ist, feierten auch zahlreiche deutsche Piloten ihre größten Erfolge. Wie Ralf Schumacher, der seine sechs Rennsiege für das Team aus Grove einfuhr, Heinz-Harald Frentzen als Vize-Weltmeister 1997 oder zuletzt Nico Hülkenberg mit seiner Sensations-Pole in Brasilien 2010. Top-Stars wie Nelson Piquet, Nigel Mansell, Alain Prost oder Ayrton Senna zieren die glanzvolle Ahnengalerie, letzterer steht aber auch für die schwärzeste Stunde von Williams: An den 1994 tödlich verunglückten Senna erinnert seitdem ein kleines "s" auf den Boliden des Teams.

Dass das inzwischen börsennotierte Team, aus dessen Geschäftsführung Frank Williams vor wenigen Tagen ausstieg, seit 1997 keinen Titel mehr gewann, ist aber auch dem Starrsinn seines Gründers geschuldet. Technik-Genie Adrian Newey wollte damals Anteile am Team erwerben, Williams verweigerte sie ihm, Newey baute schließlich für McLaren und zuletzt für Sebastian Vettel Weltmeister-Autos. "Rückblickend war das ein Fehler. Adrian Newey gibt es nur einmal", sagt Williams.

Dass sein Team im Vorjahr mit mickrigen fünf Punkten nur Neunter der WM-Wertung wurde, ärgert den Boss. Sein Ausstieg ist vorbestimmt, aber so wird er nicht aufhören. Noch einmal will er zurückkommen. Denn eines weiß er genau: "Ohne Motorsport wäre ich wohl wirklich krank."

(sid)
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