Timo Glock im Interview „Der Name Schumacher würde die Formel 1 richtig ankurbeln“

Düsseldorf · DTM-Pilot Timo Glock spricht im Interview über Nachwuchssorgen und Gleichberechtigung im Motorsport und die Formel-1-Karriere von Mick Schumacher.

 Timo Glock war in unserer Redaktion in Düsseldorf zu Besuch.

Timo Glock war in unserer Redaktion in Düsseldorf zu Besuch.

Foto: Krebs, Andreas (kan)

Timo Glock kennt sich aus im deutschen Motorsport. Er fuhr jahrelang in der Formel-1 und ist jetzt DTM-Pilot. Im Gespräch mit unserer Redaktion kritisiert er zu hohe Startgelder im Nachwuchsbereich, denkt über Gleichberechtigung im Fahrerlager nach und verrät, warum eine Formel-1-Karriere von Mick Schumacher ein Traum für ihn wäre.

Herr Glock, gerade war das traditionelle DTM-Rennen am Nürburgring. Doch immer mehr deutsche Rennstrecken schließen oder stehen auf der Kippe. Warum sollte man die Standorte halten?

Glock „Erstens, weil sie eine Historie haben – speziell der Nürburgring und Hockenheimring, aber auch der Sachsenring. Das sind alles Rennstrecken, die man halten muss. Zweitens hängt da ein großes Business hinten dran. Und außerdem ist Deutschland Motorsport-verrückt.“

Wirklich? Wollen denn immer noch so viele Kinder und Jugendliche Rennfahrer werden?

Glock „Man sieht doch in allen Sportarten, dass die Jugend nicht mehr so wirklich total interessiert und fokussiert ist. Es ist alles sehr schnelllebig geworden, auch durch Social Media und so weiter. Es ist die Frage, wie sich der gesamte Sport in Zukunft ändern wird.“

Liegt das zurückgehende Interesse denn nur an der Jugend oder auch am Motorsport?

Glock „Das Finanzielle ist die größte Hürde. Es kann nicht sein, dass Nachwuchsklassen ab 500.000 Euro aufwärts im Jahr kosten. Und bei der GP2 reden wir schon von 1,5 bis 2 Millionen Euro. Da ist man auf dem falschen Weg. Deswegen kommt der Nachwuchs – die wahren Talente – immer weniger durch, und Leute, die einen großen finanziellen Background haben, haben es einfacher.“

Sie spielen auf die sogenannten „Paydriver“ wie Lance Stroll an, die sich ihre Startplätze kaufen.

Glock „Ja, oder gleich ein ganzes Team. Die Entwicklung ist dramatisch und zeigt, dass der Sport in die falsche Richtung geht und einfach zu teuer wird. In zehn Jahren kauft man sich wahrscheinlich die ganze Formel 1, ich weiß es nicht.“

Könnte man sagen, dass die Formel 1 nicht mehr die Rennserie der Besten, sondern die Liga der Reichsten ist?

Glock „Die besten Teams haben natürlich schon noch die besten Rennfahrer, die es weltweit gibt. Aber bei allem, was danach kommt, kann man mehr und mehr ein Fragezeichen dahinter setzen. In der Formel 1 gibt es momentan zwei Teams, die vorne weg fahren – Ferrari und Mercedes. Dann kommt lange nichts, dann Red Bull. Dann kommt wieder lange nichts, dann der Rest. Ich glaube, dass das fahrerische Niveau im Schnitt momentan in der DTM höher ist.“

Sie kennen beide Rennserien, waren vor ihrer Zeit als DTM-Pilot selbst lange Formel-1-Fahrer. Auf der Strecke waren Sie unter anderem mit den Deutschen Nick Heidfeld sowie Ralf und Michael Schumacher unterwegs. Wie war das so als „Team Deutschland“ in der Formel 1?

Glock „Wir waren teilweise fünf deutsche Fahrer. Das war schon verrückt, so viele in der Formel 1 zu haben. Bei der Fahrerparade wurde hauptsächlich Deutsch gesprochen, was ganz angenehm war. Aber generell hat es für uns nichts geändert. Jetzt sehe ich das anders: Wir sind von fünf auf zwei gefallen. Wenn Sebastian Vettel jetzt von heute auf morgen aufhören würde, würde nur noch Nico Hülkenberg übrig bleiben.“

Ist Deutschland demnach überhaupt noch Formel-1-Land?

Glock „Die Einschaltquoten sind immer noch gut mit über viereinhalb Millionen Zuschauern im Schnitt. Aber zu den Hauptzeiten, als Schumacher die ersten Male Weltmeister geworden ist, da waren wir bei über zehn Millionen Zuschauern. Doch das ist normal. Die Einschaltquoten beim Tennis sind seit Boris Becker und Steffi Graf ja auch eingebrochen. Wenn jemand in eine neue Sportart kommt, in der vorher noch kein Deutscher Erfolg hatte, dann gibt es immer erstmal einen riesigen Boom. Alles was danach kommt, flacht ab.“

Apropos Schumacher: Formel-3-Pilot Mick Schumacher, der Sohn von Michael, saß jetzt zum ersten Mal in einem DTM-Wagen. Findet er darüber den Weg in die Formel 1?

Glock „Ich war das ein oder andere Mal schon zusammen mit ihm unterwegs. Ich gucke bei seinen Rennen öfter zu und schaue, was er macht. Der bessere Weg für ihn ist durch die GP3 und GP2 zu gehen, weil es näher an der Formel 1 dran ist.“

Was würde es für die Formel 1 bedeuten, wenn der Name Schumacher wieder mitfahren würde?

Glock „Da brauchen wir nicht lange drum herum reden: Der Name würde natürlich richtig was ankurbeln. Ich würde mich freuen, wenn er es schafft. Das wäre auch schön für mich persönlich, weil ich bei RTL immer mal wieder bei einem Rennwochenende vor Ort bin. Das zu kommentieren, wäre natürlich ein Traum für mich.“

Momentan fahren Sie aber ja hauptsächlich selbst. Ihre DTM-Rennkollegen sind allerdings ausschließlich Männer. Woran liegt das? Sind Frauen etwa die schlechteren Rennfahrer?

Glock „Ich habe keine Ahnung. Das muss man die Frauen fragen. Ich weiß es wirklich nicht. Vielleicht ist es die Angst, der Respekt.“

Wie könnte man Frauen im Motorsport denn fördern?

Glock „Die Frage ist, ob man parallel die Frauen-DTM oder die Frauen-Formel-1 einführt. Wie beim Männer- und Frauen-Fußball. Ich weiß nicht, ob es genügend gibt, die es machen oder sich trauen würden. Aber in fast jeder Sportart gibt es etwas Dementsprechendes. Es ist eine gute Frage, wieso das im Motorsport nicht so ist.“

Wie viele Kilometer fahren Sie eigentlich neben der Rennstrecke? Kommen Sie mit der Standard-Versicherung über 10.000 Kilometer aus?

Glock „Auf keinen Fall (lacht). Dieses Jahr bin ich nicht viel gefahren, jetzt bin ich bei 15.000 oder sowas. Ich denke schon, dass ich im Jahr auf 30.000 bis 40.000 Kilometer komme. Das macht aber nichts. Autofahren macht mir auch privat sehr viel Spaß. Ich habe zum Beispiel keine Flugangst oder so, aber wenn ich im Flieger sitze, dann habe ich es einfach nicht selbst in der Hand.“

Wer ist bei Ihnen am häufigsten Beifahrer? Und was würde der- oder diejenige über Ihren Fahrstil sagen?

Glock „Meine Frau, mein Sohnemann macht ihr aber schon Konkurrenz. Sie würde hoffentlich sagen, dass ich einen guten Fahrstil habe: vorausschauend, entspannt. Richtig Gas gegeben wird nur auf der Rennstrecke. Wenn man zwei Kinder und die Frau im Auto hat, muss man es nicht übertreiben. Wenn ich alleine bin und die Autobahn frei ist, fahre ich aber auch mal schneller, klar. Der Vorteil bei uns Rennfahrern ist, das man die Voraussicht hat und besser weiß, was passieren kann.“

Nochmal zurück auf die Rennstrecke. Wenn Sie am Start stehen und die Ampel auf Grün springt: An was denken Sie als letztes, bevor Sie losfahren?

Glock „Aktiv kann ich nicht sagen, was mir da durch den Kopf geht. Ich weiß es nicht. Da bist du so mit dir selbst beschäftigt, dass kein Raum für Gedanken ist. Das läuft alles automatisch ab, du konzentrierst dich auf die Ampel, du spannst das Auto vor. Das ist ein sehr schwieriger Moment, den Start optimal hinzubekommen. Da ist man so fokussiert, dass da nicht viel Platz für anderes ist.“

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