Verschwörungstheorie statt Einsicht Sebastian Vettel verspielt Sympathien

Spielberg · Sebastian Vettel verspielte in Österreich weitere Sympathien. Dass er bei Sieger Valtteri Bottas einen Fehlstart gesehen haben wollte, sorgte für viel Kopfschütteln.

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Foto: dpa, her hel abl

Eigentlich hätte Sebastian Vettel viele Gründe gehabt, bestens gelaunt aus Spielberg abzureisen. Der WM-Vorsprung des Ferrari-Stars auf Lewis Hamilton wuchs auf 20 Punkte, dazu stand er erstmals überhaupt in Österreich auf dem Podium und hielt auf der Powerstrecke gut mit Mercedes mit. Doch der viermalige Formel-1-Weltmeister meckerte, grantelte - und verspielte schon wieder viele Sympathien.

Dass Vettel einfach nicht einsehen wollte, dass Sieger Valtteri Bottas in Spielberg keinen Frühstart hingelegt, sondern sich nachweislich innerhalb der Regularien bewegt hatte, sorgte für viel Kopfschütteln. Wie ein trotziges Kind vertrat der Zweitplatzierte seinen Standpunkt und ließ sich selbst von der Datenanalyse des Weltverbandes FIA nicht überzeugen. "Ich sage, dass ich es nicht glaube, weil ich es eben nicht glaube", betonte Vettel. Die Medien reagierten. "Vettel wettert wieder", titelte der Schweizer Blick am Montag.

Es dauerte lange, bis der Heppenheimer doch etwas Freude empfinden konnte. "Mit ein bisschen Abstand schaue ich zurück und sage, dass es ein sehr, sehr schönes Wochenende war." Trotzdem ärgerte ihn sein zweiter Platz maßlos. Nur 0,6 Sekunden fehlten auf Bottas und den möglichen vierten Saisonsieg. "Jetzt kann man von außen sagen, dass es ein bisschen gierig ist. Aber darum geht es ja im Sport, gierig zu sein", sagte Vettel, der zwei Plätze vor Dauerrivale Hamilton landete: "Heute bin ich stinkig, dass es nicht gereicht hat. Wenn man das Gefühl hat, dass es besser hätte sein können, dann kann man nicht zufrieden sein."

Es wirkt, als fresse der Ehrgeiz Vettel förmlich auf. Diese recht neue Verbissenheit überrascht, denn der 30-Jährige hat in diesem Geschäft schon alles erlebt, alles gewonnen. Der mögliche fünfte WM-Titel, der erste mit Ferrari, scheint ihn in einer Art anzuspornen, die für viele immer befremdlicher wirkt. Mit seiner ganz eigenen Sicht der Dinge eckt er immer öfter an, scheint sich daran jedoch selbst nicht zu stören.

Ferrari möchte die Zusammenarbeit mit dem Hessen jedenfalls unbedingt über die aktuelle Vertragslaufzeit hinaus fortsetzen. "Ich habe ihm sehr deutlich gesagt, dass wir sofort bereit sind, wenn er bei uns bleiben will. Es liegt allein an ihm", sagte Ferrari-Boss Sergio Marchionne im Gespräch mit italienischen Medien in Spielberg.

Vielleicht hätte am Sonntag eine Runde mehr gereicht, um Bottas noch abzufangen, philosophierte Vettel. Doch diese Runde gab es eben nicht. Immerhin stellte er noch klar: "Ich will Valtteri diesen Erfolg nicht wegnehmen, er hat einen tollen Job gemacht und diesen Sieg verdient. Aber meines Erachtens war das am Start ein Fehler."

Das System, das das richtige Startverhalten überprüft, wird seit fast zwei Jahrzehnten eingesetzt. Es erlaubt eine minimale Toleranz bei der Reaktionszeit, die bei Bottas etwa 0,2 Sekunden betrug. "Es war der perfekte Start, der beste meines Lebens", sagte der Finne. Vettel erwiderte: "Ich bleibe dabei. Der Mensch kann reagieren, und da gibt es eine Grenze. Er hat einfach Glück gehabt."

Durch Bottas' zweiten Saisonsieg wird aus dem WM-Duell nun ein Dreikampf. Vettel (171 Punkte) führt weiter vor Hamilton (151), aber Bottas (136) holt auf. "Ich guck' mir die Punkte nicht an. Es ist noch sehr früh, deswegen kümmere ich mich noch nicht so sehr darum", sagte Vettel, bevor es in dieser Woche nach Silverstone geht. Zum Heimspiel von Lewis Hamilton. "Ihn trennen bereits 20 Punkte von der deutschen Nemesis Sebastian Vettel", schrieb die englische Sun. Und im Nacken hat Hamilton nun auch Bottas "mit seinen blauen Augen und seinem schlauen Lächeln" (Gazzetta dello Sport).

(sid)
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