Formel-1-Weltmeister fährt nur hinterher Saison der Rückschläge macht Vettel nur stärker

Montreal · Die Dominanz ist weg, der WM-Titel wohl ebenfalls - für Sebastian Vettel könnte 2014 dennoch einen Fortschritt bringen. Der Weltmeister schärft sein Profil.

Rosberg fährt vor Hamilton und Vettel auf die Pole
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Rosberg fährt vor Hamilton und Vettel auf die Pole

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Wie sehr Sebastian Vettel Rückschritte hasst, wird immer dann deutlich, wenn es endlich wieder vorwärts geht für den Weltmeister. Die Erleichterung strömt dann aus jeder Pore seines Körpers, der 26-Jährige scherzt herum, und jedes seiner Worte wird begleitet von einem Lächeln. Das Rennwochenende in Kanada bot einige dieser Momente, und sie sagten eine Menge aus über den Menschen Sebastian Vettel.

Denn der viermalige Champion, das zeigt sich in diesen Tagen, kann sich auch für kleinste Erfolge begeistern. Das ist eine kaum bekannte Seite des langjährigen Dominators, Vettel schärft sein Profil - und könnte dieser schwierigsten Phase seiner Karriere tatsächlich einen Fortschritt abringen.

"Ich habe immer den Anspruch", sagte der Red-Bull-Pilot nach Platz drei im Qualifying von Montreal, "das beste aus mir und das beste aus dem Auto herauszuholen." Das ist eine einfache Formel, aber es ist auch eine wichtige Anmerkung. Denn Vettels Glück misst sich eben nicht allein an Siegen und Titeln. Das ist ein beliebtes Vorurteil, es stammt aus einer vierjährigen Ära, in der Vettel alles gelang.

Sebastian Vettels Red Bull am Haken
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Sebastian Vettels Red Bull am Haken

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Vormachtstellung für Mercedes

Nach dem Start in das Turbo-Zeitalter ist nun aber alles anders. Vettel und Red Bull verloren ihre Vormachtstellung an Mercedes, der Titelverteidiger fuhr mit technischen Problemen häufig nur hinterher, während Nico Rosberg und Lewis Hamilton in den Silberpfeilen einen Doppelsieg an den anderen reihten. Die Welt schaute nun ganz genau hin, wie der Perfektionist reagiert - und Vettel zeigt durchaus Größe.

"Wenn ich ein Rennen fahre, bei dem ich alles raushole", sagt der Hesse, "dann ist es nicht so schlimm: Dann kann ich auch Dritter, Fünfter oder Sechster werden." Dass dies nicht bloß eine Floskel ist, hat er jüngst bewiesen, etwa nach seinem vierten Platz in Spanien.

Formel 1: Nico Rosberg führt im Quali-Duell gegen Lewis Hamilton
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Quali-Duelle aller Formel-1-Teams 2014

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Doch alles rausholen, das kann Vettel in diesem Jahr eben nur selten. Immer wieder wird er zurückgeworfen, tritt auf der Stelle, kämpft mit seinem unzuverlässigen Boliden. Und in diesem Kampf, sagt er, "bin ich nicht da, wo ich sein will. Das Auto macht immer noch nicht das, was ich will." Diese Machtlosigkeit ist es, diese Warteschleife, die den Titelverteidiger viel härter trifft, als die Überlegenheit der Silberpfeile. Und das merkt man ihm durchaus an. "Er ist ein starker Typ", sagte Red Bulls Motorsportberater Helmut Marko in der Tageszeitung Die Welt, "aber das Ganze ist nicht einfach für ihn."

Zwar ist Vettel auch 2014 ein glänzender, schlagfertiger Unterhalter. Interviews mit dem Weltmeister sind fast immer launig, nie langweilig, daran hat sich nichts geändert. Doch der Hesse wirkt auch nachdenklicher, dünnhäutiger, reagiert schnell genervt. Vor allem dann, wenn er sich ungerecht beurteilt fühlt, wenn an seinen Fähigkeiten als Fahrer gezweifelt wird. "Es wird schnell was gesagt, schnell was geschrieben", sagt Vettel dann, und vieles davon sei "Blödsinn". Daran habe er sich fast schon gewöhnt.

In diesem Zusammenhang benutzt Vettel häufig eine beliebte Wendung: Wichtig sei, dass er in den Spiegel schauen und seine Leistung vor sich selbst verantworten könne. Dafür arbeitet der Heppenheimer nun vorrangig, denn der Titel dürfte ohnehin im Mercedes-Duell ermittelt werden. Erfüllt Vettel aber diese eigenen Ansprüche, darf man ihm durchaus glauben, dass er trotzdem noch seinen Frieden macht mit der Saison - selbst ohne den fünften WM-Titel. Und das wäre ja auch ein Fortschritt.

(sid)
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