Nach Aus am Hockenheimring Donnerwetter für Vettel in Italiens Medien

Hockenheim · Sebastian Vettel versuchte, seinen Totalschaden von Hockenheim zügig abzuhaken. Die italienische Presse aber ging mit dem Ferrari-Hoffnungsträger hart ins Gericht. Der Druck wächst.

Formel 1 - Großer Preis von Hockenheim: Sebastian Vettel muss sich Donnerwetter in den italienischen Medien stellen
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Als das heftige Unwetter über dem Hockenheimring längst abgezogen war, braute sich über Sebastian Vettel schon das nächste Ungemach zusammen. Die italienische Presse kannte mit dem Ferrari-Star nach dem weggeworfenen Sieg beim Großen Preis von Deutschland kein Erbarmen. Zweifel werden immer lauter, dass der viermalige Formel-1-Weltmeister seinem Idol Michael Schumacher nacheifern und den Titeldurst der Scuderia stillen kann.

"Man kann eine WM-Chance nicht so verschwenden! Nein, sein Fehler ist verheerend und kann zum Verlust des WM-Titels beitragen", titelte die Gazzetta dello Sport. Ferrari habe ihm ein "außerordentliches Auto" an die Hand gegeben, doch der 31-Jährige münze das Potenzial nicht in Punkte um, urteilte Italiens Sportorgan Nummer eins weiter.

Der Corriere dello Sport sprach von einem "Albtraum", Vettel "ruiniert alles Gute". La Reppublica und La Stampa schrieben unisono von einer "weiteren verschwendeten Gelegenheit". Dass Vettel zum wiederholten Mal die Schuld ausschließlich bei sich selbst suchte, konnte die Weltuntergangsstimmung rund um die Scuderia nicht aufhellen.

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Im Gegenteil: Unterschwellig wird Vettel vorgeworfen, durch derartige Eingeständnisse gezielt besänftigen zu wollen. Ebenso unterschwellig trauert die italienische Medienlandschaft der Tatsache nach, dass sich Weltmeister und Hockenheim-Gewinner Lewis Hamilton erst in der vergangenen Woche bis 2020 an Mercedes gebunden hat - und die Silbernen womöglich in diesem Jahr zum fünften Mal in Folge zum Konstrukteurstitel führen wird.

"Das Verhalten der beiden Starpiloten macht den Unterschied", schrieb der Corriere della Sera: "Hamilton siegt mit einem Meisterwerk von Durchsetzungskraft und Konzentration." Von Platz 14 hatte tatsächlich auch der fulminante Brite zuvor noch nicht gewonnen. Ein Sieg, der ihm allerdings nur gelingen konnte, weil Vettel unter leichtem Druck des Mercedes-Piloten bei Nässe in der engen Sachs-Kurve zu viel riskierte.

Vettel verlor 25 Punkte. Hamilton, zum Zeitpunkt von Vettels Blackout erster Verfolger des Ferrari, gewann durch das Aus seines einzigen realistischen Titelrivalen und die Übernahme von Rang eins sieben weitere Zähler hinzu. Jede Menge Holz in einem WM-Duell, das weiterhin vollkommen unberechenbar mal in die eine und mal in die andere Richtung pendelt.

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Mit 17 Punkten Vorsprung auf Vettel geht Hamilton, der vom "Rennen meines Lebens" schwärmte, in die letzte Runde vor der Sommerpause in Ungarn (Sonntag, 15.10 Uhr/RTL). Ein Polster, das dem viermaligen Champion gut tut. Immerhin schrillten bei Mercedes nach dem Qualifying am Samstag zum wiederholten Mal in dieser Saison die Alarmglocken.

Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff sprach angesichts eines Defizits von 0,5 Sekunden gegenüber Ferrari auf den Geraden von einem "ernsthaften Weckruf". Der Österreicher musste anerkennen, dass die Scuderia im Entwicklungsrennen mit dem seit 2014 lange unantastbaren Mercedes-Team derzeit klar die Nase vorn hat. Manipulationsgerüchte wollte er nicht befeuern, er widersprach ihnen aber auch nicht entschieden.

Dass sein Bolide derzeit der beste ist, machte Vettel wiederum schnell Mut. "Es war meine Schuld, ich entschuldige mich beim Team. Aber wir haben ein gutes Auto, das ist Trost genug", erklärte der Heppenheimer knapp. Dann verließ er hastig den Hockenheimring, der mit 71.000 Zuschauern so gut besucht war wie seit 2005 nicht mehr, als Vettels Freund Schumacher als amtierender Weltmeister seinen Ferrari über die Strecke hetzte.

Es ist nun an Vettel, für bessere Stimmung zu sorgen und auch die mächtige italienische Presse zu besänftigen. Keine leichte Aufgabe - zumal die Sorge um den schwer erkrankten Sergio Marchionne, der aus gesundheitlichen Gründen am Samstag als Ferrari-Boss abgelöst wurde, für weitere Betrübnis sorgte. Die Hoffnung heißt Budapest: Auf dem engen Hungaroring war Vettel im Vorjahr nicht zu schlagen. Und mit dem aktuellen Auto ist er erst recht favorisiert.

(rent/sid)
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