Neuer 300-Millionen-Euro-Kurs Die Formel 1 kommt nach Indien

Neu-Dehli (RP). Nach der Blamage bei den Commonwealth Games vor einem Jahr will Indien sein lädiertes Image in der Sportwelt aufmöbeln. 300 Millionen Euro investierte ein privater Konzern bislang in die neue Strecke.

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Noida ist nicht gerade ein Ort, in den sich Indien-Urlauber verirren. Nur einmal machte die reizlose Neubauten- und Industrie-Region vor den Toren Delhis größere, wenngleich makabere Schlagzeilen. 2007 wurden im Garten eines Hauses die Leichen von einem Dutzend Slumkinder gefunden, die ein Serienkiller missbraucht, getötet und zerstückelt hatte. Nun dürfte Noida ins Rampenlicht zumindest der Sportwelt rücken, wenn vom 28. bis 30. Oktober die Formel-1-Autos über den neuen Buddh International Circuit rasen.

Doch nicht nur der Rennzirkus gibt ein Gastspiel. Auch Lady Gaga und Metallica sollen ihr Indien-Debüt in Noida geben. Schon diese Wahl zeigt, dass die Veranstalter Indien als weltoffenes, hippes Land präsentieren wollen. Auch Indiens Prominenz fehlt nicht, wenn Weltmeister Sebastian Vettel & Co. vor 100.000 erwarteten Fans um den Sieg fahren. Immerhin geht es für das Gandhi-Land um die Ehre. Die stolzen Inder knabbern noch daran, dass sich die aufstrebende Wirtschaftsmacht bei den sportliochen Commonwealth Games vor einem Jahr mit Pleiten, Pech und Pannen böse blamierte.

Die Formel 1 soll nun beweisen, dass Indien sehr wohl internationale Sportereignisse glänzend organisieren kann. Teils erleichtert, teils verblüfft registrieren die Medien, dass bisher alles reibungslos läuft. Planmäßig wurde vor drei Tagen der Circuit der Öffentlichkeit präsentiert. Der Grund: Nicht der Staat, sondern der Privat-Konzern Jaype betreibt das Projekt.

Firmengründer Jaiprakash Gaur schlug 2009 alle Ratschläge in den Wind und unterschrieb mutig den Vertrag mit dem exzentrischen Formel-1-Chef Bernie Ecclestone. Binnen zwei Jahren stampfte Jaypee rund 60 Kilometer von Delhis Zentrum entfernt eine 5,14-km-Rennstrecke aus dem Boden. Auch bei den Sportlerquartieren ließ sich Jaypee nicht lumpen. Während die Athleten bei den Commonwealth Games über schmutzige Badezimmer und verdreckte Schlafquartiere mäkelten, soll es nun an nichts fehlen. Auf 1000 Hektar entstand ein luxuriöses Wellness-Resort mit Golfplatz, Swimmingpool, Tennisplätzen, einem ayurvedischen Spa und einer Diskothek.

"Nach den Commonwealth Games haben wir unsere Köpfe in Scham gesenkt", sagte Manoj Gaur vom Jaypee Konzern. "Deshalb haben wir die Formel 1 als Herausforderung angesehen. Wir wollten die Strecke so beeindruckend machen, dass sie unseren Stolz wieder herstellt." Finanziell erscheint das ehrgeizige Unterfangen nicht ohne Risiko. Das Projekt hat bisher 300 Millionen Euro verschlungen, aber nur ein Bruchteil davon dürfte über den Ticket-Verkauf wieder eingespielt werden, auch wenn angeblich bereits fast 70 Prozent der Plätze verkauft sind. Man werde einen langen Atem brauchen, räumt der Streckenbetreiber Jaypee Sports ein. Man setzt darauf, dass auch die Immobilienpreise rund um die Rennstrecke in die Höhe schnellen. Dort will Jaypee Wohngebäude, Büros und Einkaufszentren bauen.

Bisher begeistert nur Kricket die Massen und sichert Millionenumsätze. Allenfalls noch Hockey und Fußball finden ein größeres Publikum. Rennsport liegt vielen Indern fern, zumal die meisten sich nicht einmal ein Moped leisten können. Erst 2005 gelang Narain Karthikeyan als erstem Inder der Sprung in ein Formel-1-Cockpit. Um Geld einzunehmen, überlegt Jaypee Sports, die Strecke privaten Autonarren zu öffnen. Für den gepfefferten Preis von über 100 Dollar könnten sie einige Runden drehen.

Während Indiens Elite die Formel 1 als neuerliches Zeichen für den unaufhaltsamen Aufstieg in die erste Liga der Welt bejubelt, ziehen die Verlierer des Prestigeprojekts erzürnt auf die Straße. Um Platz zu schaffen, hatte die Landesregierung von Uttar Pradesh insgesamt 3000 Hektar Land aufgekauft und einen Teil an Jaypee weiterverkauft. Dafür versprach sie den Bauern und Landbesitzern Wohngebäude und Jobs.

Doch nun fühlen sich viele betrogen. "Wir haben unser Land aufgegeben in der Hoffnung, dass hier Industrien entstehen und uns Beschäftigung geben. Sie haben uns unsere Lebensgrundlage weggenommen, aber keine Alternativen geliefert", klagen Bewohner.

(RP)
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