Streit um Alternativmotor Ecclestone: "Lassen uns Formel 1 nicht zerstören"

Sao Paulo · Mercedes und Ferrari gegen Ecclestone und FIA: Darauf lässt sich der Streit um den geplanten Billigmotor zuspitzen. Die vermeintliche Lösung der Motorenkrise sorgt für noch tiefere Gräben - und könnte sportlich verheerende Folgen haben.

Das ist Bernie Ecclestone
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Foto: dpa/Erwin Scheriau

Der Ton in der Motorenkrise wird rauer, und die Formel 1 steht vor einer Zerreißprobe. In seinem gläsernen Büro an der Rennstrecke in Sao Paulo sprach Bernie Ecclestone am Wochenende markige Worte. "Wir lassen uns die Formel 1 nicht von gewissen Leuten zerstören", sagte der Chef der Königsklasse am Rande des Großen Preises von Brasilien - und spätestens jetzt verläuft mitten durch das Fahrerlager ein tiefer Graben.

Denn die derart beschuldigten "Leute" sitzen gleich nebenan, es sind die Motorenhersteller Mercedes, Ferrari, Renault und Honda. Die Vorwürfe: Sie verkaufen ihre Antriebe viel zu teuer an die kleinen Teams, die unter der finanziellen Last ächzen, die Werksteams vergeben Motoren zudem nicht an direkte Konkurrenten - und haben die Macht über Erfolg und Misserfolg damit de facto an sich gerissen. "Sie denken dabei nicht an den Sport, sondern nur an sich", sagte Ecclestone dem Fachmagazin auto motor und sport.

Schon seit Monaten bleibt der Konflikt über eine Kostenregulierung ungelöst, es scheiterte immer wieder am Veto der Branchenführer. Daher planen der Weltverband FIA und Ecclestone nun eine Lösung im Alleingang. Der lange gehegte Plan zum Alternativmotor soll umgesetzt werden, schnell und gegen alle Widerstände.

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Schon ab 2017 soll der vereinfachte Antrieb verfügbar sein, in Sao Paulo brachte die FIA bereits die Ausschreibung auf den Weg. Die Kandidaten müssen bis zum 23. November ihr Interesse formal bekunden - zugelassen sind dabei nur Hersteller, die unabhängig von den großen Konzernen sind, etwa Cosworth oder Ilmor.

Und der neue Motor soll auf die erst 2014 eingeführte, eigentlich zukunftsweisende Hybridtechnik verzichten. Kostenpunkt: lediglich rund ein Drittel der aktuellen Aggregate, die bei rund 20 Millionen Euro liegen. Unterstützt wird das Vorhaben von den meisten kleinen Teams und von Red Bull.

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Foto: dpa/Mark Thompson

Doch es gibt zahlreiche Gegner, und auch die haben gute Argumente. So lächelt Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff angesprochen auf das Thema nur müde. "Mal wieder eine interessante Idee von nebenan", sagte er voller Ironie, "das kommt ja öfter vor." Der Österreicher hält die dann nötige Leistungsangleichung zwischen den Motoren schlicht für nicht praktikabel. "Es ist nicht so, dass da jemand ein Kaninchen aus dem Hut gezogen hat", sagte er: "Das Prinzip ist bekannt, und es funktioniert auch in anderen Serien nicht."

Das Problem einer "Balance of Performance": Soll der Motor konkurrenzfähig sein, muss er mit Mercedes mithalten, etwa durch eine Leistungsbegrenzung des Silberpfeilantriebs. Eine derartige Angleichung würde jedem Entwicklungs-Wettbewerb widersprechen, ein "Billigmotor" könnte die modernste Technologie schlagen. Das brächte auch neue Fragen am motorsportlichen Wert der Königsklasse - auf die Außendarstellung der ohnehin kriselnden Serie könnte das schlimme Auswirkungen haben.

Der Plan muss es vor der Umsetzung noch durch die Strategiegruppe, die Formel-1-Kommission und den FIA-Weltrat schaffen. Sollten die nötigen Mehrheiten nicht zustandekommen, droht Ecclestone bereits mit einer Beschwerde bei der EU-Kommission.

Eine solche liegt dort übrigens bereits gegen den 85-Jährigen vor, Absender sind die kleinen Teams. Die Brandherde sind zahlreich in der Formel 1.

(sid)
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