„Wird aggressiver sein“ Das muss Rhein Fire in der neuen Saison verbessern

Analyse | Düsseldorf · Rhein Fire war 2022 bereits ein gutes Team in der European League of Football, hatte aber auch klare Schwachstellen. Was für die Düsseldorfer in der neuen Saison besser laufen muss.

Rhein Fire: Der aktuelle Kader für die ELF 2023
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Das war der Kader von Rhein Fire 2023

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Foto: Rhein Fire/Justin Alexander Derondeau

Rhein Fire hat in der Saisonpause aus einem guten Team ein sehr gutes gemacht, ja vielleicht das beste der European League of Football (ELF) – so liest und hört man es aktuell immer wieder. Das Team von Head Coach Jim Tomsula gilt deshalb als einer der großen Favoriten auf das Finale am 24. September in Duisburg. Erst vor kurzem hat man selbst verkündet: „Rhein Fire muss in diesem Endspiel stehen.“ Dafür habe man „hart gearbeitet und versucht, sich in allen Bereichen weiter zu verbessern“. Das haben natürlich auch alle anderen 16 Teams der ELF – doch es gibt gute Gründe dafür, dass Rhein Fire sich 2023 mit dem verbesserten Kader tatsächlich steigern und mehr als sieben Siege holen kann.

Denn dieses gute Team aus dem Vorjahr hatte auch seine offensichtlichen Schwächen. Die Defense zum Beispiel ließ ligaweit die neuntmeisten Yards (Raumgewinn des Gegners) und achtmeisten Touchdowns zu (von zwölf Mannschaften). Nicht selten waren es Turnover zur rechten Zeit, die schlimmeres verhinderten: Mit 13 eroberten Fumbles und 16 Interceptions belegte Rhein Fire jeweils Rang zwei, was natürlich positiv zu erwähnen ist.

Doch insgesamt war es eine so genannte „bend but don’t break“-Defense, also „biegen, aber nicht brechen“. Mit dieser eher vorsichtigen Art zu verteidigen sollen vor allem die Big Plays von 20 und mehr Yards verhindert werden, dafür nimmt man kleinere Raumgewinne des Gegners in Kauf. Je näher es vor die eigene Endzone geht, desto weniger Raum hat der Gegner und dann gilt es, ihn maximal bei einem Field Goal für drei Punkte zu halten oder eben den Ball zu erobern.

Exemplarisch dafür, schauen wir einmal auf den Sieg über Frankfurt Galaxy vom 12. Spieltag der Vorsaison: In fast 60 Prozent aller Spielzüge ließ Rhein Fire sieben Spieler den Pass verteidigen, vier übten Druck auf den Quarterback aus. Das ist üblich. In rund 35 Prozent aller Fälle jedoch attackierten sogar nur drei Spieler den Quarterback und acht ließen sich zurückfallen. Bei nur gut fünf Prozent der Spielzüge wurde ein Bliz ausgeführt, bei dem fünf oder mehr Spieler auf Quarterback-Jagd gehen. Eine Woche später bei den Cologne Centurions war die Blitz-Quote ähnlich niedrig und ansonsten lag der Fokus gegen die starke Passing-Offense noch deutlich mehr auf der Absicherung: In fast zwei Drittel aller Spielzüge schickte Rhein Fire acht Spieler in Coverage.

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Foto: Rhein Fire/Justin Alexander Derondeau

„Es war meine Entscheidung und es war kein aufregender Stil“, erklärte Tomsula im Gespräch mit unserer Redaktion. Als alter Defensive-Line-Coach entspricht es auch nicht seinem naturell, auf diese Art zu spielen – und dass es dadurch nur acht Quarterback-Sacks gab, dürfte ihn wahnsinnig gemacht haben. Weniger Sacks hatte in der ELF niemand. Zum Vergleich: Spitzenreiter Hamburg Sea Devils hatte 43. Doch Tomsula sagte auch, er freue sich dieses Jahr auf seinen Pass Rush. Und er hat auch allen Grund dazu: Zugang Alejandro Fernandez von den Barcelona Dragons hatte 2022 allein 15,5 Sacks. Und auch von Martin Pinter, im Vorjahr mit 5,5 Sacks der beste Spieler in dieser Kategorie bei Rhein Fire, darf man einiges erwarten.

Doch nicht nur die Front wurde verbessert: „Wir sind auch sehr glücklich mit unserer Secondary“, sagte Tomsula. Die wurde mit TJ Morrison durch einen weiteren US-Import verstärkt, die anderen Leistungsträger sind noch da. Das alles wird jetzt geleitet vom erfahrenen Defensive Coordinator Richard Kent, vergangene Saison noch in Leipzig tätig. „Es wird aggressiver sein“, kündigte Tomsula an.

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Foto: Rhein Fire/Justin Alexander Derondeau

In der Offensive wird es darauf ankommen, weniger ausrechenbar zu werden. Zu Beginn der Saison 2022 definierte sich Rhein Fire über das Laufspiel. In den ersten sechs Spielen waren es im Schnitt fast 33 Laufspielzüge pro Spiel, dagegen standen 23 Pässe. In der zweiten Saisonhälfte waren es im Schnitt 33 Pässe und nur 21 Läufe. Im besten Fall haben Teams hier ein ausgeglichenes Verhältnis. Aus 157 erlaufenen Yards pro Spiel in den ersten sechs Partien wurden nur noch 97 in den letzten sechs, die Passing-Yards pro Spiel stiegen von 162 auf 349 an.

In der zweiten Saisonhälfte und mit Quarterback Jadrian Clark wurde Rhein Fire somit zu dem, was die eigene Defense verhindern wollte: Eine Big-Play-Offense. Das war laut Tomsula nicht unbedingt so gewollt, sondern hat sich aus der Situation heraus ergeben. Auch das kann klappen wie in Istanbul oder Köln, wo Clark für 545 und 488 Yards sowie insgesamt 13 Touchdowns warf. Doch das waren eben auch die schwächsten Defenses der Liga.

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Foto: Rhein Fire/Justin Alexander Derondeau

Tomsula wird es lieber sein, dass seine Mannschaft das Spiel kontrollieren kann, dass sie mehr Ballbesitz hat. Das war in neun von zwölf Spielen 2022 nicht so. Alle drei Spiele, bei denen das der Fall war, kamen in der ersten Saisonhälfte. Am wenigsten Ballbesitz gab es bei der Niederlage in Barcelona in Woche neun: Nur 22:31 Minuten von 60 hatte Rhein Fire hier den Ball. Das war sogar noch weit unter dem eigenen Schnitt von gut 28 Minuten. Und doch hätte man auch dieses Spiel gewinnen können. Am Ende lag es nicht am Ballbesitz, sondern vor allem an gleich zwei Defense-Touchdowns, die die Dragons erzielen konnten. Denn das Potenzial für Big Plays hat Rhein Fire nun mal – und Stärken im Passspiel sind natürlich keineswegs etwas schlechtes, im Gegenteil. Die Problematik liegt darin, auf diese Big Plays angewiesen zu sein und darin, dass der Gegner weiß, was kommt.

Für 2023 ist nun der Auftrag, die anderen Teams mit den eigenen Big Plays öfter auf dem falschen Fuß zu erwischen. „Wir wollen laufen und passen können“, sagte Tomsula. Beides, jederzeit, ohne dass der Gegner diktiert, was funktioniert und was nicht. Die Basis dafür bildet die Offensive Line. Die ist unter anderem mit Leander Wiegand, Yasir Raji oder All-Star-Center Joachim Christensen erheblich verstärkt worden. Dahinter läuft im besten Fall ab Woche fünf nach seiner Sperre in Glen Toonga der beste Running Back der Vorsaison. Doch auch ansonsten ist Fire auf dieser Position gut besetzt – auch ohne Toonga kann es funktionieren. Und wenn dann gepasst werden soll, dann hat Clark mit Nathaniel Robitaille und Harlan Kwofie zwei seiner besten Wide Receiver des Vorjahres wieder an Bord, verstärkt noch durch Anthony Mahoungou.

Und bei all dem Personal sei ein Name nicht vergessen: Andrew Weidinger, der neue Offensive Coordinator. Als Head Coach der Dragons war er es, der Rhein Fire bei 22 Minuten Ballbesitz hielt. Seine Passing-Offense war die zweitbeste der vergangenen Saison, insgesamt belegte sie Rang fünf. Weidinger formte aus den Dragons ein Play-off-Team und wurde zum Trainer des Jahres gewählt. Er soll nun den Angriff von Rhein Fire auf ein neues Level heben. „Das Playbook ist sehr komplex“, meinte Jadrian Clark vor kurzem in Rhein-Fire-Podcast. Aber auch: „Wir haben das Personal dafür.“

Omari Williams bei einem Kickoff-Return gegen die Barcelona Dragons.

Omari Williams bei einem Kickoff-Return gegen die Barcelona Dragons.

Foto: Justin Alexander Derondeau

Fazit: Rhein Fire hat in der Offseason zweifelsfrei gute Arbeit geleistet und personell alles dafür getan, um die Schwachstellen zu beseitigen und in der kommenden Saison ein Titelkandidat zu sein. Mit Frankfurt Galaxy gibt es direkt am ersten Spieltag einen Härtetest.

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