Analyse Schalke feiert Politik der kleinen Schritte

Gelsenkirchen · Nach dem 1:1 gegen Bayern München gehen die Königsblauen mit etwas mehr Ruhe in die Länderspielpause. Auch Trainer Jens Keller kann erstmal durchatmen. Doch niemand rechnet damit, dass sich im Umfeld wirklich etwas ändern wird.

Bundesliga: Benedikt Höwedes erzielt den Ausgleich mit der Hand
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Benedikt Höwedes erzielt Ausgleich mit der Hand

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Ein paar Tage durchatmen. Ein paar Tage nicht alles zerreden. Ein paar Tage nicht die Krise nach der Krise ausrufen. Auf Schalke ist man durchaus erfreut über die Länderspielpause. Nach dem 1:1 gegen den FC Bayern München hat man zudem das beruhigende Gefühl gewonnen, mit den ganz Großen der Branche mithalten zu können. Irgendwie jedenfalls. Nun glaubt niemand wirklich bei den Königsblauen, es könne etwas grundsätzlich anders werden. Es würden sich an diesem Standort wohl selbst dann ein paar Nörgler finden, die nach dem Gewinn der ersten Meisterschaft seit 1958 etwas zu mosern hätten. Dementsprechend ernüchternd fällt die Analyse von Kapitän Benedikt Höwedes aus. "Ruhe gibt's hier nicht", befindet er. "Vieles wird uns kaputt geredet."

Beim großen FC Schalke 04 leistet man sich den Luxus, nach dem DFB-Pokal-Aus bei Drittligist Dresden und der Ligapleite zum Auftakt in Hannover alles, aber auch alles in Frage zu stellen. Im Speziellen die Arbeit von Trainer Jens Keller. Der wird von einigen nach wie vor als ein Missverständnis verkauft. Die unmittelbar Handlungsbeteiligten schwanken zwischen ratlos, hilflos und schwer genervt.

Es war schon spekuliert worden, ob Keller angesichts der ständigen Kritik hinschmeißt. Diesen Gefallen macht er glücklicherweise der nicht greifbaren Zahl an Störern nicht. Er überlege sich aber sehr gut, wie er damit umgehe, hatte er nach dem 1:2 in Hannover gesagt. Doch von möglichen Rücktrittsgedanken wollte er nichts wissen. Er habe weiter Spaß an seiner Arbeit, "wenn es irgendwann mal auf die Gesundheit geht, werde ich es rechtzeitig sagen".

Keller hat ein neues Schalke geformt. Er hat viele junge Spieler eingebunden. Er hat Ergebnisse abgeliefert - wenngleich, und das ist möglicherweise der größte Makel, nur selten verbunden mit einer spektakulären Show. Und auch er selbst taugt nicht als Lautsprecher in der Vermarktung der eigenen Person. Letzteres ist indes durchaus wohltuend in einer Branche der verbalen Überflieger. Am Ende der Saison läuft sein Vertrag aus. "Jetzt muss der Verein auf mich zukommen", sagt Keller. Schalke, in Person von Sportvorstand Horst Heldt, wird sich aber wohl maximal viel Zeit mit dieser Entscheidung geben - und damit weiter für Verunsicherung sorgen.

Die Arbeit wird nicht leichter. Alleine schon aufgrund der angespannten personellen Situation. Der starke Torhüter Ralf Fährmann hat sich eine Schädigung des Trommelfells zugezogen, Jan Kirchhoff laboriert an einer leichten Sehnenblessur im linken Knie. Verteidiger Felipe Santana hat es am härtesten getroffen: Er fällt mit einem Muskelbündelriss im Adduktorenbereich wohl einige Wochen aus.

Schalke muss enger zusammenrücken. "Ich habe gesagt, dass alle an einem Strang ziehen müssen, dass wir nur als Mannschaft stark sind. Wenn einer nicht richtig mitzieht, funktioniert es nicht", berichtet Höwedes von seiner Ansprache an die Kollegen in der Halbzeitpause. Die Rede sollte in Endlosschleife vor jedem Training abgespielt werden. Schließlich geht es um die Grundtugenden des Spiels.

Gegen die Bayern brachte genau diese Einstellung die Wende. Und Anführer Höwedes belohnte sich mit dem Ausgleich, als er mit freundlicher Unterstützung seines Unterarms den Ball über die Linie bugsierte (62.). Die Münchner protestierten wild und forderten die Rücknahme des Treffers. Der Schiedsrichter verwehrte ihnen allerdings diesen Wunsch. Zu Recht, wie Höwedes fand: "Wenn mir einer aus 30 Zentimetern an die Hand schießt, ist es ein reguläres Tor."

(RP)
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