Mönchengladbach Favre arbeitet in Gladbach auf vielen Baustellen

Mönchengladbach · Wie ein harter Hund sieht der Mann nicht aus. Daran ändert auch die Trillerpfeife nichts, die im modernen Fußball wie ein Relikt aus der Steinzeit der Trainingsarbeit anmutet. Lucien Favre grinst, als er auf das kleine schwarze Ding, das um seinen Hals baumelt, angesprochen wird. "Die benutze ich selten", sagt Borussia Mönchengladbachs neuer Trainer in seinem französisch-deutschen Akzent. Wäre er ein harter Hund, hätte er ordentlich in seine Pfeife gepustet an diesem Vormittag im Borussia-Park. Retter müssen laut sein, denkt man sich. Aber Favre ist ein ruhiger Mensch, ein Gentleman aus der Westschweiz. So recht traut man diesem netten Herrn den Feuerwehrmann nicht zu. Er wirkt eher wie ein Fußball-Philosoph. Trotzdem: Er will die Retterrolle beim Tabellenletzten spielen. Auf seine Art.

Favre trägt eine schwarze Mappe unter dem Arm. Vielleicht ist er da drin, sein Nicht-Abstiegsplan für Borussia. Soeben sind seine ersten beiden Trainingsstunden in Gladbach zu Ende gegangen. Favre fühlt sich bedrängt. Hinter ihm steht die bei Interviews inzwischen übliche Werbetafel, und um ihn herum drängeln die Journalisten. Er habe einen guten Eindruck von seinem neuen Team, sagt Favre und lächelt. Ein wenig verlegen wirkt er dabei, vielleicht ein bisschen unsicher. Der Rummel, den er natürlich aus seiner Zeit bei Hertha BSC Berlin kennt, ist derzeit groß in Mönchengladbach. Und Favre ist eigentlich keiner, der gern im Rampenlicht steht. Er will am liebsten in Ruhe werkeln. Es gibt reichlich Baustellen in einer Mannschaft, die abgeschlagenes Schlusslicht ist in der Bundesliga. Doch nun soll Favre erst mal erzählen, was er gesehen hat auf dem Platz.

Immer, wenn er etwas gesehen hat, was ihm nicht gefällt, hat er das Trainingsspiel unterbrochen. Diese Fehleranalyse hatte er angekündigt. In diesen Situationen wirkt Favre wie ein Dirigent: Seine Arme wirbeln durch die Luft, zeigen Laufwege und Positionen an, er schiebt die Fußballer, die zum Standbild eingefroren sind, hin und her. Favre ist ein akribischer Mann, einer, der einen genauen Plan hat.

Sein Plan ist, die Borussen so aufzustellen, dass sie am Sonntag gegen den FC Schalke gewinnen können. Normalerweise braucht so etwas Zeit, aber die hat der Schweizer nicht. Vielleicht dauert seine Antrittsansprache in der Kabine deswegen auch nur sieben Minuten. Das Training beginnt um Punkt zehn Uhr. "Pünktlich wie ein Schweizer Uhrwerk", sagt einer. "Präzise" war eines der Worte, das Favre tags zuvor gebrauchte, um einen Ansatz seiner Arbeit zu beschreiben. Das passt zusammen.

An seinem ersten Tag im neuen Job probiert Favre viel aus. Neu ist in Gladbach, dass er nur einen Sechser aufbietet, wie es scheint. Dafür gibt es zwei "Achter", also zwei Mittelfeldspieler auf den Halbpositionen, von denen aber einer in der Rückwärtsbewegung in die Mitte einrückt. Und, zumindest in der Offensivbewegung, gibt es zwei Flügelstürmer und eine zentrale Spitze. Ein 4-3-3-System also? Oder ein 4-1-4-1? Oder 4-2-3-1? "Wir probieren verschiedene Lösungen aus. Aber so groß sind die Unterschiede nicht", sagt Favre.

Es gibt viele Gesprächsrunden auf dem Rasen. Favre ist immer das Zentrum. Er versammelt seine Co-Trainer um sich, "meinen Staff", dann spricht er mit einzelnen Spielern, später im großen Kreis und nach dem Training ausführlich mit Dante. Und nun, da die Arbeit verrichtet ist, spricht er mit den Berichterstattern. Favres wache braune Augen schauen in die Runde. Keine Fragen mehr. Favre geht in die Kabine. Auf dem Weg gibt er Autogramme. Ein älterer Herr stellt sich vor und sagt, es wäre nett, wenn er den Trainer ab und an ansprechen dürfe. Favre lächelt und sagt: "Merci."

(RP)
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