Fankurven-Besuchsverbot für Neuer

Die Spannungen zwischen Bayern Münchens neuem Torwart und der Fangruppierung "Schickeria" halten an. Die Ultras sollen ihm angeblich vorschreiben, weder in die Südkurve zu laufen, noch sein Trikot in die Menge zu werfen oder Gesänge anzustimmen.

Mainz/München Der erste größere Auftritt für den neuen Arbeitgeber verlief nicht dringend nach Manuel Neuers Geschmack. Der Nationaltorhüter war maßgeblich an einem Gegentreffer beim 1:2 gegen den Hamburger SV beteiligt, der ins "kleine Finale" des "Liga-total-Cups" in Mainz führte. Er wurde von Teilen des Publikums ausgepfiffen. Und er hatte keine große Lust, nach dem Ende des 60 Minuten kurzen Testspiels jubelnd in die Kurve zu laufen. Wenn es nach der Ultra-Gruppierung "Schickeria" geht, wird es dazu ohnehin nicht mehr kommen. Sie soll ihm mit vier anderen Ultra-Gruppen einen Kodex verordnet haben, der Besuche in der Fankurve ebenso verbietet wie das Werfen des Trikots in die Menge, das Liebkosen des Vereinswappens oder das Anstimmen von Gesängen. Neuer hat sich dazu nicht geäußert. Seine Kollegen schon. Kapitän Philipp Lahm erklärte der "Sportbild": "Proteste gegen Neuer treffen das ganze Team, die eigenen Fans sollen ihre Spieler bedingungslos unterstützen." Klubchef Karl-Heinz Rummenigge hat sich mehrmals irritiert über das Verhalten der Ultras geäußert. Aber selbst ein Krisengespräch hat die Lage nicht entschärft.

So kam es zu dem Zerwürfnis: Die "Schickeria" wirft dem Nationaltorwart nicht vor, sein bisheriges Fußballleben im Dienst von Schalke 04 verbracht zu haben. Sie kreidet dem Tormann auch nicht an, dass er vor Jahren einen Schalker Erfolg in München mit einer Parodie auf Oliver Kahns legendären Meisterjubel mit der Eckfahne feierte. Sie kann nur nicht verzeihen, dass Neuer durch seinen Wechsel nach München die Mitgliedschaft bei der Gelsenkirchener Ultra-Truppe "Buerschenschaft" aufkündigen musste. Im Selbstverständnis der Ultras hat Neuer durch den Transfer die gute Sache der Fanbewegung an sich verraten. Und das muss natürlich gesühnt werden.

Das könnte als Ergebnis pubertärer Selbstüberschätzung mit einem Achselzucken abgetan werden. Oder es könnte durch die Münchner Klubführung mit der Androhung von finsteren Strafen bis hin zum Stadionverbot geahndet werden. Damit hätten die Bayern sich allerdings das nächste Problem eingehandelt. Die Fankurve gilt in der Münchner Arena, die weitgehend von einem vergleichsweise vornehmen Publikum besucht wird, als Hort jener Form von Stimmung, die gemeinhin mit dem Fußball in Verbindung gebracht wird. Die braucht der Klub, und deshalb sind die Ober-Bayern im Umgang mit diesen sehr besonderen Fans so ungewohnt zurückhaltend.

Das ist gefährlich, denn es geht dabei auch um zwei wesentliche Fragen. Die eine ist: Wem gehört der Klub – den Ultras, den Anteilseignern, den 160 000 Mitgliedern, den Dauerkarten-Besitzern, den Millionen Fans, der Stadt München oder dem Vorstand? Die zweite, unmittelbar verbundene: Wer ist Hüter von Moral und Anstand?

Für die Ultras sind beide Fragen beantwortet. Nach ihrem Verständnis sind sie nicht nur die Stimmungsgaranten im Stadion. Sie halten sich auch für die letzte Bastion des eigentlichen, des urtümlichen Fußballs und seiner Werte im Kampf gegen die Auswüchse von Kommerz und Showgeschäft.

Dass ihnen dieses Showgeschäft eine Bühne zur Selbstdarstellung bietet, und dass die großen Geldgeber erst für die Erfolge sorgen, die den Besuch beim FC Bayern attraktiver machen als einen Abstecher zum FC Unterföhring, unterschlagen die Ultras gern. Es würde vielleicht ihr Weltbild erschüttern.

(RP)
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