"Habe aus Überzeugung keinen Pay-TV-Decoder" Ex-Sportreporter Rudi Michel wird 80

Baden-Baden (rpo). Der ehemalige Sportchef des Südwestfunks (SWF), Rudi Michel, feiert am Donnerstag seinen 80. Geburtstag.

Geschenke will Michel nicht haben. Schon gar keinen Pay-TV Decoder. "Ich habe aus Prinzip keinen", erklärte er in einem dpa-Gespräch, "weil ich die Kirch-Gruppe nicht gerade für seriös halte." Schmunzelnd fügte er hinzu: "Obwohl man sagen muss, dass Leo Kirch mit der "ran"-Sendung am vergangenen Samstag wohl ungewollt Werbung für seinen Bezahl-Kanal gemacht hat."

1921 als Sohn eines Kaufmanns geboren, kam Rudi Michel schnell in Kontakt mit dem Fußball. "Mein Vater hat mich bei der Hand genommen und ist mit mir ins Stadion gegangen, da war ich gerade mal zehn", erinnerte er sich: "Wir sind viel gereist in Sachen Fußball und haben uns die Spiele der süddeutschen Liga angeschaut." Wenn er an Spieltagen nicht unterwegs war, harrte der kleine Rudi vor dem Verlagshaus in Kaiserslautern aus, bis die Ergebnisse der Liga von einem Mitarbeiter in einem Glaskasten ausgehängt wurden. Dann rannte er so schnell es ging nach Hause, um den kompletten Spieltag zu vermelden.

"Ich wäre so gern Nachrichtenredakteur geworden, aber leider war keine Stelle frei." So kam Michel in die Sportredaktion des SWF, deren Leiter er 1962 wurde. Von 1954 bis zu seiner Pensionierung 1988 war er bei allen Fußball-Weltmeisterschaften dabei und kommentierte fünf WM-Endspiele. Auch die Tour de France, seine größte Liebe im Sport, begleitete er acht Mal, meist auf dem Motorrad.

Doch Michel, der nicht wie 80 aussieht und sich schon gar nicht so fühlt, hat noch längst keine Lust auf eine Partie Rasenschach mit den vielen Altersgenossen in der Rentnermetropole Baden-Baden. Mit Argusaugen beobachtet er die Entwicklung der Medienlandschaft. Vor allem die Sport-Moderatoren erregen den Unmut des Vollblut- Journalisten. "Es gibt doch heute längst keine Fußballsendungen mehr", beklagte der Mit-Erfinder von Hintergrundsendungen wie "Sport unter der Lupe": "Es gibt nur noch Unterhaltungsshows rund um den Fußball."

Auch über die bei der WM 2006 zu erwartenden 30 Kamerapositionen im Stadion schüttelt Michel nur den Kopf. "Bei der Europameisterschaft 1988 waren 14 Kameras das höchste der Gefühle", erzählte er: "Ich sage ihnen, der Fußball-Fan will das gar nicht sehen. Denn je mehr Kameras sie haben, desto mehr wird die Realität verfälscht."

Und aus der Geburtstagslaune heraus gibt es Lob vom Meister- Kommentator für die Ausnahmen von der Regel. "Marcel Reif ist für mich mit Abstand der Beste", begeisterte er sich für den Chefkommentator von Premiere World. "Er kann druckreif sprechen, er hat den Mut, die eigene Meinung zu sagen und was besonders wichtig ist: Er kann während eines Spiels auch mal den Mund halten." Auch an den ZDF-Männern Bela Rethy und ­ dem laut Michel viel zu oft unterschätzten - Rudi Cerne hat er seinen Spaß.

Den aktuellen Streit zwischen der ARD und der Kirch-Gruppe sieht Michel als Folge von Versäumnissen. "Die öffentlich-rechtlichen Anstalten haben nicht die notwendigen gerichtlichen Entscheidungen herbeigeführt, obwohl sie genügend fähige Juristen und gute Aussichten auf Erfolg hatten", sagte Michel, der selbst 20 Jahre zu einer Kommission gehörte, die mit dem DFB um die Fußballrechte stritt.

Die Pläne der Deutschen Fußball-Liga (DFL), einen eigenen Fernsehkanal zu starten, hält er für mehr als bedenklich: "Ich prophezeie ihnen, dann werden die alle Tretereien und Spuckereien rauslassen. Es muss doch noch einen Unterschied zwischen Veranstalter und Berichterstatter geben. Hier geht es um die Grundfragen des Journalismus."

(RPO Archiv)
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