Gold im Marathon Ringer nach vielen harten Jahren am Ziel der Träume

München · Der 33-Jährige vom Bodensee gewinnt sensationell den Marathon. Die Frauen sind im Team ganz vorn. Die ehemalige Langstrecklerin Sabrina Mockenhaupt gratuliert aus der Ferne.

European Championships: Die deutschen Medaillengewinner von München
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Die deutschen Medaillengewinner von München

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Foto: AFP/ANDREJ ISAKOVIC

Als könne er es nicht wirklich glauben, zeigte Richard Ringer mit den Fingern immer wieder auf sich selbst, in der Hand noch das Zielbanner. Noch auf dem Podium, als er endlich die Medaille umgehangen bekam, schüttelte er immer wieder den Kopf. Sensationell gewann der Langstreckenläufer vom Bodensee am Montagmittag Gold im Marathon. „Es war erst mein vierter Marathon, alle davor waren hart. Aber heute war es leicht, weil wir das Team hatten. Das hat total motiviert. Dass im Einzel dieses Ergebnis rauskommt, ist Wahnsinn“, sagte Ringer.

Mit einem beherzten Schlussspurt auf dem letzten Kilometer schob er sich an den Mitfavoriten Amanal Petros und den Israelis Maru Teferi und Gashau Ayale vorbei. In 2:10:21 Stunden lief Ringer als erster Deutscher zu einem Marathon-EM-Titel.

„Das war sensationell, wirklich toll. Ich hatte Gänsehaut“, freute sich die ehemalige Langstreckenläuferin Sabrina Mockenhaupt im Gespräch mit unserer Redaktion. Sie kennt den 33-jährigen Ringer schon lange, trainierte während ihrer aktiven Karriere immer wieder mit ihm zusammen. „Das ist die Krönung seiner Karriere.“

European Championships 2022 – Medaillenspiegel​: Alle Medaillen-Gewinner
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Der Medaillenspiegel European Championships 2022

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Foto: AP/Martin Meissner

Und wie. Zwar galt Ringer immer als eines der größten deutschen Lauf-Talente, doch bei großen Wettkämpfen brachte er es selten auf die Bahn und noch seltener auf die Straße. Viele Verletzungen und Krankheiten stoppten ihn in den vergangenen Jahren, Trainerwechsel kamen dazu. „Er hatte viele harte Jahre“, brachte es Mockenhaupt auf den Punkt.

Nun also die Belohnung dafür, dass er niemals aufgegeben hat. Der bescheidene Ringer, der inzwischen auch alternative Trainingsformen anwendet, wusste direkt nach dem Zieleinlauf, bei wem er sich bedanken muss. Als wären die 42,195 Kilometer nicht schon weit genug, der Zielsprint nicht schon anstrengend genug gewesen, rannte er im Ziel weiter in die Arme seiner Freundin Nada-Ina Pauer. Kurz darauf schlug er auch mit seinen Teamkollegen ab, mit denen er in der Marathon-Teamwertung noch zusätzlich die Silbermedaille gewann.

Noch besser im Team machten es nur die deutschen Frauen. Sie gewannen gar die Goldmedaille. Im Einzel reichte es aber schlussendlich trotz einer aufopferungsvollen Leistung von Miriam Dattke nur zu Platz vier. Nur wenige Zentimeter fehlten ihr am Ende gegenüber der Niederländerin Nienke Brinkmann. Gold ging souverän an die Polin Aleksandra Lisowska, Silber an die Kroatin Matea Parlov Kostro. Enttäuscht war Dattke dennoch nicht. „Die letzten Meter waren extrem schmerzhaft. Für mich ist der vierte Platz ein Traum, damit habe ich nie gerechnet.“

Ganz sicher nicht mit seiner Gold-Medaille gerechnet hatte auch Ringer. Erst 2020 lief er seinen ersten Marathon, zuvor war er auf den Stadionrunden über die Langdistanzen zu Hause. Doch schon bei den Olympischen Spielen 2021 in Tokio war er als 26. bester Deutscher. Das bestätigte er am Montag wieder, nachdem er sogar den Mitfavoriten Petros aus dem eigenen Land abhängte, der in München eine Medaille als Ziel ausgab.

Ringer war am Montag mit Köpfchen gelaufen. Als sich die beiden Israelis und Petsos ein Kopf-an-Kopf-Rennen lieferten, hielt er sich raus, lag fast zu weit zurück, um überhaupt in den Medaillenkampf einzugreifen. Doch dann nahm er sich auf der Zielgeraden am Odeonsplatz ein Herz, zog einen fulminanten Schlussspurt an und ließ kurz vor der Ziellinie auch noch Teferi stehen. Allerdings: international gesehen war die Zeit nicht besonders berauschend. In WM- oder Olympia-Marathons, wenn auch die starken Afrikaner mitlaufen, würde Ringers Zeit wohl nicht einmal für einen Top-Zehn-Platz reichen.

 Grund zum Jubeln: Richard Ringer mit der Goldmedaille.

Grund zum Jubeln: Richard Ringer mit der Goldmedaille.

Foto: AFP/INA FASSBENDER

Seine Leistung bei den europäischen Titelkämpfen schmälert das aber nicht. In den sozialen Netzwerken feierten seine Teammitglieder des Deutschen Leichtathletik-Verbands Ringer ausgelassen. DLV-Präsident Jürgen Kessing hofft, dass diese Leistung zusätzliche Motivation für andere ist: „Es ist genau das eingetreten, was wir uns alle gewünscht und erhofft haben. Ich gehe davon aus, dass der Funke im Team gezündet hat.“

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