Doppelspitze bei der EM Das kuriose Experiment der deutschen Radfahrer mit Ackermann und Bauhaus

München · Mit Pascal Ackermann und Phil Bauhaus stehen am Sonntag gleich zwei starke Sprinter im Team der Deutschen bei der EM am Start. Das birgt Konfliktpotenzial. Für wen wird gefahren?

 Pascal Ackermann gilt als aussichtsreicher Medaillenkandidat bei der EM.

Pascal Ackermann gilt als aussichtsreicher Medaillenkandidat bei der EM.

Foto: dpa/Darek Delmanowicz

Im Radsport ist es inzwischen ja fast üblich, dass man sich nicht mehr auf den einen Fahrer im Team verlässt – es sei denn, man fährt zur Tour de France und hat Tadej Pogacar oder Jonas Vingegaard in seiner Mannschaft. Andere Teams haben bei den meisten Rennen und Rundfahrten aber fast immer zwei Siegkandidaten mit dabei. So verwundert es auf den ersten Blick nicht, dass der Bund Deutscher Radfahrer für das Straßenrad-Rennen bei der Heim-Europameisterschaft in München am Sonntag (ab 10.15 Uhr/ARD und Eurosport) mit einer nominellen Doppelspitze ins Rennen geht. Die beiden Sprinter Pascal Ackermann und Phil Bauhaus (Bocholt) sollen am Sonntagnachmittag um Gold bei der EM mitfahren. Ganz konfliktfrei ist das aber nicht.

Sowohl Bauhaus als auch Ackermann gewannen kürzlich bei der Polen-Rundfahrt je eine Etappe. Der Formaufbau stimmt also bei beiden für die EM vor heimischem Publikum. Und mit Fahrern wie Nils Politt oder John Degenkolb sind ihnen großartige Helfer zur Seite gestellt. Mit Alexander Krieger ist zudem einer der besten Anfahrer für einen Schlusssprint im deutschen Trikot dabei. Doch wer darf am Ende wirklich um Gold sprinten? Beide – das wissen sie – werden es nicht sein.

„Wir haben 207 Kilometer Zeit, im Rennen darüber zu sprechen, was sein könnte und wer sich wie fühlt", sagte Ackermann vor dem Rennen. „Wir werden uns definitiv einig, wie wir es machen und auf die beste Karte setzen.“ Bauchgefühl, Tagesform – all das soll am Sonntag den Ausschlag geben. Deshalb betonte Bauhaus: „Wir können nur als Mannschaft um den Sieg fahren. Wir ziehen an einem Strang.“

Klar ist, dass sie wirklich die Fahrer selbst finden müssen. Denn anders als bei World-Tour-Rennen während der Saison dürfen die Aktiven nicht mit den Sportlichen Leitern in den Begleitfahrzeugen kommunizieren, es besteht keine Funkverbindung. Rein von der Erfahrung her dürfte Ackermann die besten Chancen haben. Bereits zwei Mal wurde er bei Europameisterschaften im Straßenrennen schon Dritter, während Bauhaus das erste Mal im Nationaltrikot mit dem Adler dabei sein wird.

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Foto: dpa/Caroline Seidel

Pro Erfahrung also? Schwierig. Sprinter sind ein spezieller Schlag Radfahrer. Sie sollen und müssen oft erst auf den letzten Metern eines Rennens ihr Können abrufen und können sich nach Erfolgen für ihre Fähigkeiten feiern lassen. Das Ego von ihnen ist in der Regel ausgeprägt. Wie passt es also zusammen, dass nun zwei solche starken Fahrer im deutschen Team am Sonntag gleichberechtigt ins Rennen gehen, wenn der Startschuss in Murnau am Staffelsee fällt und das Feld nach 209,4 Kilometer durch das malerische Voralpenland auf dem Odeonsplatz ins Ziel kommt? „Wir werden eine gute Lösung finden“, ist sich Bauhaus sicher.

Nötig sein wird die auf jeden Fall. Denn die internationale Konkurrenz ist ungleich größer als die im eigenen Verband. Schließlich haben sich Fabio Jakobsen (Niederlande), Arnaud Demare (Frankreich), Alexander Kristoff (Norwegen) oder Tim Merlier (Belgien) auch mehrere Tour-Etappensieger angekündigt. Zudem steht in Ex-Weltmeister Mads Pedersen (Dänemark) ein extrem starker Fahrer auf dem Meldezettel, der es nicht unbedingt auf einen Massensprint in der Münchener Innenstadt ankommen lassen will und muss. Ist am Ende also all das Gerede um den deutschen Final-Sprinter eh hinfällig, weil sich Ausreißer durchsetzen werden? „Wenn es einige Nationen auf einen Sprint ankommen lassen wollen, wird es sehr schwer für andere. Es gibt wenig Chancen für Ausreißergruppen", ist sich Jens Zemke, der Sportliche Leiter der Deutschen, sicher.

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