Kölnerin erklärt ihre Sportart Wie Meul zur Weltklasse-Kletterin wurde und nun um Medaillen kämpft

München · Das Klettern ist eine boomende Sportart und steht bei den European Championships im Fokus. Hannah Meul aus Köln gilt als aussichtsreiche Medaillenkandidatin in mehreren Disziplinen. Uns erklärt sie die Faszination.

 Hannah Meul in der Lead-Qualifikation bei den European Championships.

Hannah Meul in der Lead-Qualifikation bei den European Championships.

Foto: dpa/Angelika Warmuth

Als wäre der Königsplatz mit all seinen klassizistischen Gebäuden mitten in München nicht schon Anziehungspunkt genug, pilgern in diesen Tagen besonders viele Menschen dorthin. Direkt vor den Propyläen, die von König Ludwig I. seinerzeit in der Form eines Tempeleingangs errichtet wurden, türmen sich derzeit meterhohe künstliche Wände auf.

Hier finden während der European Championships die Kletterwettbewerbe statt, bei denen 199 Sportlerinnen und Sportler spektakulär die Wand hochrennen oder sich für spezielle Griffe unter größter Körperspannung verbiegen. Die Sportart, die sich seit einigen Jahren größter Beliebtheit erfreut und immer mehr Freizeitsportler in die vielen Hallen des Landes zieht, soll in München zu einem Aushängeschild des Multisportevents werden.

Mittendrin ist die Kölnerin Hannah Meul. Die 21-Jährige gilt als großes Klettertalent in Deutschland, verpasste bei der letzten EM nur knapp die Medaillen. Im Gespräch mit unserer Redaktion freute sie sich besonders darauf, direkt in der Stadt vor viel Publikum ihre Sportart auszuüben und präsentieren zu können. Schließlich sei das Klettern für sie „die natürlichste Art der Fortbewegung“, wie sie sagt.

Mit sieben Jahren stand Meul das erste Mal an einer Kletterwand, mit zehn Jahren bestritt sie ihren ersten Kids-Cup und ein Jahr später stand der Berufswunsch fest: „Im Alter von elf Jahren habe ich in einem Englisch-Aufsatz geschrieben, dass ich professionelle Kletterin werden möchte. Ich habe damals schon von einer Olympia-Teilnahme geträumt.“

Seit den Spielen von Tokio 2021 ist das Klettern olympisch, für Meul kam die Veranstaltung damals zwar noch zu früh, doch der Blick geht schon jetzt zwei Jahre voraus, wenn in Paris die nächsten Olympischen Spiele ausgetragen werden. Dann will sie sich ihren Traum erfüllen und dabei sein in der Mixed-Disziplin aus Bouldern und Lead, die auch bei den European Championships erstmals im Rahmen einer EM geklettert wird und in der sie sich durchaus eine Medaillenchance ausrechnet. Meul kommt das Mixed nach eigener Aussage entgegen. „Der Mix gefällt mir: Beim Bouldern geht es um Maximalkraft, beim Lead um die Ausdauer. Ich sehe mich inzwischen als Kombiniererin“, sagte sie im Gespräch mit der RP.

Ihre bisher größten Erfolge sammelte sie allerdings in der Teildisziplin Bouldern. Erst vor einigen Wochen holte sie sich bei einem Weltcup im italienischen Brixen die Silbermedaille – als erste Deutsche seit sieben Jahren. „Beim Bouldern klettern wir ungesichert auf Absprunghöhe und da geht es um die Schwierigkeit. Das Ziel ist es, nach ganz oben zu kommen – so häufig wie möglich in einem gewissen Zeitrahmen“, erklärt sie den besonderen Reiz dieser Art des Kletterns. Dass sie sich vor allem dort zu Hause fühlte, hat einen einfachen Grund. „Ich bin in das Bouldern reingewachsen, weil in meiner Heimhalle auch Jan Hojer und Juliane Wurm trainieren, die im Bouldern große Erfolge gesammelt haben. Die Disziplin wurde hier stark gefördert und ich habe mich früher wohler gefühlt, weil man mehr Versuche hatte. Der Druck war nicht so groß wie beim Lead“, so die Teilzeitstudentin der sozialen Arbeit.

Großes Problem zudem beim Lead: man hat nur einen Versuch, wenn es bis zu 18 Meter die künstliche Wand hochgeht. Pro erfolgtem Griff sammeln die Athletinnen und Athleten Punkte. In München gelingt es ihr aber herausragend. Souverän kletterte sie sich in das Finale am Samstagabend und gilt dort nun sogar als Medaillenkandidatin. „Es ist immer noch was in den Tanks“, sagte sie.

Ohnehin lässt sich Meul, die gerade erst eine Corona-Infektion überstanden hat, nicht verunsichern. „Wir haben nie die gleiche Strecke, nie den gleichen Griff, immer eine neue Herausforderung. Das muss man sich wie ein Puzzle vorstellen, das man lösen muss. Man weiß nie, was auf einen zukommt. Man ist auf sich allein gestellt und muss eine Lösung finden“, schwärmt sie. Deshalb könne sie auch Wettkämpfe schnell abhaken, bei denen es vielleicht mal nicht ganz nach den eigenen Vorstellungen läuft.

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Foto: dpa/Caroline Seidel

Froh ist Meul, dass sie Klettern als Leistungssport betreiben kann. „Der Klettersport – generell der Leistungssport – hat in anderen Ländern einen ganz anderen Stellenwert. Wenn man in Deutschland eine Randsportart betreibt, ist es schwierig, vorn mitzuhalten, weil man sich auf den Sport konzentrieren muss. Das geht aber oft nicht“, sagt Meul, die selbst von Sponsoren und der deutschen Sporthilfe unterstützt wird und so neben dem Leistungssport und dem Studium nicht noch arbeiten gehen muss. Das wäre wohl auch kaum möglich, schließlich ist „Klettern ein Ganzkörpersport, man muss 100 Prozent fit sein“, gibt Meul zu bedenken. Sechs bis sieben Mal steht sie an fünf Tagen der Woche an der Wand, im Winter kommt das Training mit Gewichten im Kraftraum hinzu. Wettkampftage sind ebenfalls vollgepackt. Zwei Stunden vor ihrem ersten Start steht Meul dann parat. „Da gehört das Mobilisieren dazu, ich mache Theraband-Übungen und Yoga. Eine Stunde vor dem Start geht es an die Wand. Ich versuche so viele verschiedene Bewegungen wie möglich an der Wand zu machen, um auf alles vorbereitet zu sein“, erklärt sie.

Klettern ist Hochleistungssport. Für die Zukunft erhofft sich Meul daher ein größeres Ansehen: „Wer ist noch nie auf einen Baum geklettert? Ich glaube, dass viele Menschen Freude an diesem Sport finden. Ich hoffe auf einen Boom.“ Die Auftritte bei den European Championships könnten dazu beitragen.

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