Bahnradsportlerin Emma Hinze verrät Darum ist die EM-Bahn in München so schwierig zu fahren

Interview | München · Die Bahnradsprinterin Emma Hinze spricht im Interview über Einschränkungen durch die Periode, die Liebe zum Legday und der Geschwindigkeit sowie dem Traum vom ersten EM-Titel bei den Seniorinnen.

 Emma Hinze.

Emma Hinze.

Foto: imago images/frontalvision.com/Arne Mill via www.imago-images.de

Mit gerade einmal 24 Jahren ist Emma Hinze eine der besten Sprinterinnen im Bahnrad-Velodrome – und greift bei den European Championships in München nun nach ihrem ersten EM-Titel. Gleich mehrere Chancen hat die gebürtige Hildesheimerin. Im Interview spricht sie über den Rausch der Geschwindigkeit und wie die Periode sie an Renntagen einschränkt, sie sich dennoch jedes Mal wieder durchbeißt.

Emma Hinze, der Bahnradsport ist einer, in dem man viel Disziplin braucht, kein Millionär wird und gefährlich lebt. Warum haben Sie sich als Kind dafür entschieden?

Hinze Ich habe mit sieben Jahren mit dem Radsport angefangen und auf der Bahn hat es mir besonders gut gefallen. Ich bin nebenbei noch auf der Straße gefahren, war dort aber nicht so gut. Ich hatte damals ja auch keine Vorstellungen davon, was es heißt, Profi zu sein und was man mit meinem Sport verdienen kann. Ich hatte auch nie den klassischen Traum, dass ich unbedingt zu den Olympischen Spielen will. Für mich war es ein Hobby, das Spaß gemacht hat. Heute ist es mein Job, das ist super.

Was macht die Faszination Bahnrad für Sie aus?

Hinze Es ist kurz und knackig! In kürzester Zeit muss ich das Maximum rausholen. Ich habe vielleicht etwas mehr Talent für die Sprintdistanzen als andere und das Mentale liegt mir. Ich kann mich gut auf die Gegnerinnen einstellen und bin im Kopf stark.

Haben Sie nie Angst vor Verletzungen? Ihre ehemalige Teamkollegin Christina Vogel sitzt nach einem Unfall inzwischen leider im Rollstuhl.

Hinze Darüber denke ich nicht nach. Ja, ich weiß, dass wir hohe Geschwindigkeiten erreichen und Stürze schwerwiegende Konsequenzen haben können. Aber ich blende das aus. Anders geht es ja auch gar nicht. Ich hatte bisher aber auch zum Glück nur ein paar Abschürfungen.

Leben Sie die Geschwindigkeit auch außerhalb der Bahn?

Hinze Ich fahre schon ganz gern schnell Auto – natürlich im Rahmen des Erlaubten. Die meisten Sprinter fahren etwas sportlicher. Vielleicht ist das bei uns eine Krankheit (lacht).

Der Sport ist trainingsintensiv. Würden Sie nicht gern auch mal den berühmten Leg-day überspringen?

Hinze Den mache ich tatsächlich am liebsten (lacht). Ich gehe lieber drei Stunden in den Kraftraum, als drei Stunden auf Ausdauer Rad zu fahren.

Apropos Rad. Wie häufig gibt es eigentlich neue?

Hinze FES baut das Fahrrad für uns. Wir bekommen in der Regel vor den Olympischen Spielen ein neues Rad. Den Rahmen fahren wir dann vier Jahre. In regelmäßigen Abständen gibt es dann mal neue Lenker, Sattel oder Räder. Bei der EM starte ich also mit meinem Silber-Rad aus Tokio. Wir arbeiten aber auch immer wieder an anderen Dingen.

Zum Beispiel?

Hinze Wir haben kürzlich einen Aerodynamiktest gemacht und dabei ist herausgekommen, dass ich ein paar Watt sparen kann, wenn ich anders auf dem Rad sitze. Das haben wir dann geändert und am Anfang war es wirklich merkwürdig. Ich hatte das Gefühl, dass ich es nicht so unter Kontrolle habe. Aber nach zwei, drei Wochen ging es dann. Bei den letzten Rennen hat es sich schon gut angefühlt.

Können wir dann von Ihnen neue Spitzenzeiten bei der EM erwarten?

Hinze Da spielen viele Faktoren mit rein. Ich will natürlich in Form sein, aber man weiß ja nie, ob das wirklich klappt. Zudem ist die Bahn in München mit 200 Metern 50 Meter kürzer als eine normale. Solch enge Radien bin ich zuletzt vor einigen Jahren gefahren. Durch die hohen Geschwindigkeiten, die wir erreichen, ist es in den Kurven noch schwieriger als sonst.

Wie muss sich ein Laie das vorstellen?

Hinze Die Kurven sind enger und dadurch wird es schwieriger, die perfekte Linie zu treffen. Die Geschwindigkeit treibt einen nach oben, man braucht also mehr Kraft, um unten zu bleiben, den kürzesten Weg zu nehmen. Zudem fahren wir mehr Kurven als auf einer normalen Bahn. Wir bereiten uns in Augsburg darauf vor, wo solch eine Bahn vorhanden ist. Aber es ist ja nicht nur die Bahn: Wie fühle ich mich an dem Tag? Wie habe ich geschlafen? Habe ich meine Tage? Das beeinflusst bei uns Frauen die Leistungen.

Die Periode der Frau ist im Sport leider oft noch ein Tabuthema.

Hinze Was es überhaupt nicht sein darf! Jede Frau hat sie und deshalb sollten wir darüber reden und sie normalisieren. Es kann für uns Sportlerinnen eine schwierige Phase sein. Ich habe dann Unterleibsschmerzen und gehe damit an den Start, ich will mich durchkämpfen. Danach würde ich mich gern aufs Sofa legen – das geht aber nicht. Solche Tage sind bescheiden. Aber wir halten das aus. Ich glaube, dass wenige Frauen darüber reden, weil es eine Schwäche ist. Und im Leistungssport wird man für Schwächen schnell verurteilt. Es muss in die Köpfe rein, dass es fast jede Frau betrifft – und Leistungssportlerinnen da keine Ausnahme bilden.

Müsste es nicht auch eher normalisiert werden, dass Frauen dann auch auf einen Start verzichten können?

Hinze Ich persönlich bin der Typ, der sich trotzdem durchbeißen will. Aber ja, jeder kann über seinen Körper entscheiden und das sollte dann auch von allen anderen akzeptiert werden. Mein Ehrgeiz ist aber zu groß. Ich arbeite lange auf Rennen hin, deshalb will ich sie auch durchziehen. Wenngleich die Krämpfe danach schon extrem sein können, weil wir ohnehin sehr angespannt sind in unserem Sport. Aber unser Arzt hat einen Griff, mit dem er diese Krämpfe lösen kann.

Mit welchen Erwartungen gehen Sie dann bei den Unwägbarkeiten in die EM?

Hinze Ich will bei jeder Meisterschaft gewinnen, bei der ich am Start stehe. Ich will aber bei der WM später im Jahr in Topform sein, deshalb ist die EM für mich eine Vorstufe, um ein paar Dinge zu testen. Wir trainieren aber auf die EM hin, um hier auch vorn zu sein. Ich habe bei der Elite noch nie einen Europameister-Titel gewonnen. Deshalb wäre es eine tolle Sache, wenn ich mir ein Europameister-Trikot überziehen könnte.

Was bedeutet es Ihnen, dass die EM in München stattfindet?

Hinze Ich bin bei der WM schon in Berlin vor Heimpublikum gefahren. Das war eine coole Erfahrung und die Stimmung hat mich damals durch die Halle getragen. Ich hoffe, dass es wieder so sein wird. Es ist super, dass wir überhaupt wieder Zuschauer haben. Das pusht ungemein und meine Eltern und Freunde werden auch da sein.

Die Bahnrad-EM findet im Rahmen der European Championships statt. Es ist das größte Mehrsport-Event seit den Olympischen Spielen 1972. Können die sogenannten Randsportarten nur so überleben?

Hinze Ich finde es super, dass sich so viele Verbände zusammengeschlossen haben und ihre Europameisterschaften zeitgleich austragen. Ich weiß ganz genau, dass es kaum jemand mitbekommen würde, wenn wir im Bahnrad einzeln unsere EM austragen würden. Ich erhoffe mir deutlich mehr Fernsehpräsenz und Zuschauer vor Ort. Die European Championships wurden im Vorfeld ja schon ganz anders beworben.

Werden Sie die Chance nutzen und sich auch andere Sportarten angucken?

Hinze Während der Wettkampfzeit wird das schwierig. Wenn ich so fahre, wie ich es mir vornehme, habe ich jeden Tag Rennen. Aber wir haben danach Zeit und ich werde mir da sicher Zeit für nehmen.

Ist so ein Event nötig, um den Sportstandort Deutschland nach vorn zu bringen und auch die Förderung wieder in den Fokus zu rücken?

Hinze Es kann auf jeden Fall helfen. Zum Beispiel der Bahnradsport ist einer, in dem man nicht so viel Geld verdient. Durch die European Championships können sich unsere Sportarten besser präsentieren. Das ist wichtig.

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