Kolumne Gegenpressing Schöne Tage am TV

Düsseldorf · Olympia war gestern, European Championships sind heute. Es gibt auch Fernsehtage ohne Fußball, dafür mit vielen anderen Sportarten - und diese Tage sind richtig schön im Moment.

 Jede freie Minute hängt unser Autor vor dem Fernseher und erlebt dort Sportübertragungen ohne Fußball.

Jede freie Minute hängt unser Autor vor dem Fernseher und erlebt dort Sportübertragungen ohne Fußball.

Foto: dpa/Michael Kappeler

Mein Leben hat wieder einen Sinn. Das verdankt es den European Championships im Allgemeinen und ausdauernden TV-Übertragungen im Besonderen. Jede freie Minute hänge ich vor der Flimmerkiste und erlebe dort Sportübertragungen ohne Fußball. Endlich mal.

Dem Erfindungsreichtum europäischer Funktionäre ist es zu verdanken, dass sich der Alltag plötzlich ganz olympisch anfühlt. Interessiert studiere ich Startlisten von 110-m-Hürden-Vorläufen, sehe mit Begeisterung, wie sich Athleten mit Tränen in den Augen darüber freuen, vor großem Publikum mal in einem Vorlauf zu starten. Ich lerne, dass es im Bahnradfahren die Disziplin Madison gibt, in der zwei Mann in einem wilden Feld von Mitbewerbern mehr als 100 Runden über das Holzoval brettern. Nach ein paar Tagen traue ich mir zu, am Geräusch des Eintauchens ins Springbecken zu erkennen, welche Wertung die Kampfrichter den Wasserspringern verpassen werden. Und ich weiß jetzt, dass es beim Schwimmen für die Deutschen auf Bahn zwei oder sieben immer besonders darauf ankommt, Kontakt zur Konkurrenz zu behalten.

Ganz nebenbei werde ich mit Einsichten in ein Sportlerleben verwöhnt, dass aus extrem viel Training, reichlich Entbehrung und vergleichsweise kargem Lohn besteht. Ich registriere mit großer Bewunderung, dass sich Athleten nach einer soeben verpassten großen Chance vor den Kameras atemlos zu ihrem Versagen bekennen. Und ich bin gerührt, als Robert Harting, diese menschliche Festung von zwei Meter Höhe, ein paar Tränchen zum Abschied von den großen Meisterschaften verdrückt.

Für zehn Tage vergesse ich, dass wieder mal ein Durchschnittsfußballer für 30 Millionen Euro vom englischen Klub A zum englischen Klub B wechselt, dass der Deutsche Fußball-Bund neue Strukturen braucht, dass Mesut Özil und seine Berater ebensoviele Eigentore schießen können wie DFB-Präsident Reinhold Grindel. Und dass am Sonntag Eintracht Frankfurt gegen Bayern München im Supercup spielt. Zum Glück sind da noch die European Championships. Danke, mir geht’s gut.

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