Gina ist in, Hertha ist out Die Tops und Flops der Leichtathletik-EM in Berlin

Berlin · Sieben EM-Tage in Berlin haben eine Vielzahl an Geschichten und Gesichtern hervorgebracht. Der Sport-Informations-Dienst nennt Gewinner und Verlierer des Leichtathletik-Großereignisses.

 Sprinterin Gina Lückenkemper konnte sich in die Herzen der Fans laufen.

Sprinterin Gina Lückenkemper konnte sich in die Herzen der Fans laufen.

Foto: dpa/Michael Kappeler

TOP:

  • Die Speerwerfer: Gold für Thomas Röhler, Gold für Christin Hussong - dazu Silber für Andreas Hofmann: Die starken deutschen Speerwerfer holten gleich drei Medaillen, mit deutlichem Abstand zur Konkurrenz. Ihre Leistungen sind nicht nur in Europa, sondern weltweit medaillenwürdig, die Olympischen Spiele in Tokio könnten für die Speerwerfer eigentlich sofort stattfinden.
  • Robert Harting: Es zeugt von seinem sportlichen Ehrgeiz, dass der London-Olympiasieger nicht ganz mit seinem letzten Auftritt auf der internationalen Bühne zufrieden war. Platz sechs, gehandicapt von einer Knieverletzung, dazu gefeiert von "seinen" Berliner Fans - es war aber auch ohne Medaille ein würdiger Abschied.
  • Arthur Abele: Über den Mehrkämpfer könnte locker eine mehrbändige Abhandlung der gängigen Sportverletzungen geschrieben werden. In Berlin zeigte der neue Zehnkampf-Europameister nun, was man mit viel Willen und Durchhaltevermögen erreichen kann. Es dürfte wohl niemanden geben, der dem Ulmer seinen Titel nicht gönnt.
  • Gina Lückenkemper: Sie ist jung, sie ist schnell, sie ist unterhaltsam - und damit ein Glücksfall für die deutsche Leichtathletik. Lückenkemper machte in Berlin den nächsten Schritt, ihr 100-m-Silber gegen starke Konkurrenz ist nicht hoch genug einzuschätzen. Mit einer gewissen Katrin Krabbe hat Lückenkemper nur Geschwindigkeit und Haarfarbe gemein. Und das ist auch gut so.
  • Die Springer: Ob Showman Mateusz Przybylko in vertikaler oder die eher sachliche Malaika Mihambo in horizontaler Richtung: Es wird wieder veritabel gesprungen in Deutschland. Przybylko ist 26, Mihambo 24. Und wenn dann der erst 22 Jahre alte Dreispringer Max Heß anders als bei seiner EM-Pleite wieder die Kurve bekommt, sieht die Zukunft richtig erfreulich aus.
  • Jakob Ingebrigsten: Der Bursche hat etwas, etwas Großes sogar. Mit gerade einmal 17 Jahren stürmte der jüngste der drei norwegischen Ingebrigtsen-Laufbrüder in Berlin zu den EM-Titeln über 1500 und 5000 m, kochte kalt wie eine Hundeschnauze die teils fast doppelt so alte Konkurrenz ab. Wächst da ein europäischer Läufer heran, der es dereinst mit den Afrikanern aufnehmen kann?

FLOP:

  • Christoph Harting: Vom Weltrekord hatte er selbst geredet, in der Form seines Lebens hatten ihn andere gesehen. In Berlin brachte Christoph Harting dann drei maximal verunglückte Versuche zustande und scheiterte in der Qualifikation. Jetzt, wo sein Bruder Robert in den Ruhestand geht, muss sich Christoph Harting emanzipieren. Und zeigen, dass sein Rio-Olympiasieg nicht nur ein schöner Unfall war.
  • Raphael Holzdeppe: Mit 23 war er Weltmeister, mit 28 Jahren ist er ein Rätsel. Zum dritten Mal in Serie setzte Stabhochspringer Holzdeppe eine große Meisterschaft in den Sand, verpasste das Finale. Was für den hochveranlagten Zweibrücker, der kurz vor der EM wieder mit einer Verletzung zu kämpfen hatte, spricht: Er ist immer noch in einem Alter, in dem gute Stabhochsprungjahre noch kommen können.
  • Abteilung Langstrecke: Richard Ringer träumte offen von einer Medaille über 10.000 m - und gab nach etwas mehr als der Hälfte der Distanz schwer geschlagen auf. Philipp Pflieger wollte einen Doppelstart über 10.000 m und den Marathon einklagen, beendete letztlich aber nicht einmal ein Rennen. Langstreckenlauf boomt unter ambitionierten deutschen Freizeitsportlern - an der Spitze kommt (zu) wenig an.
  • Russland: Oder besser: das nicht vorhandene Russland. Die als neutrale Athleten und damit offiziell als Einzelkämpfer in Berlin angetretenen Sportler aus der Skandalnation der Leichtathletik überzeugten selten wie beim Triumph der Hochspringerin Maria Lassizkene. Hürden-Favorit Sergej Schubenkow patzte und musste sich mit Silber begnügen, Hochsprung-Goldkandidat Danil Lyssenko war gar nicht erst am Start, weil der Weltverband sein neutrales Startrecht wieder kassiert hatte. Vielversprechender Nachwuchs? In Berlin kaum zu sehen. Schwere Zeiten für eine einstige Erfolgsfabrik.
  • Hertha BSC: Nicht am Start, aber dennoch stets ein Thema - meist allerdings in Form von bösen Spitzen. Von der Stimmung vor allem der letzten EM-Tage könne sich die in der Stadt nicht übermäßig geliebte Kicker-Fraktion bei ihren oft trostlosen Heimspielen etwas abschneiden, hieß es. Dass Hertha-Sportdirektor Michael Preetz öffentlich irrlichternd einst eine Beseitigung der Laufbahn im historisch so bedeutenden Olympiastadion ins Spiel gebracht hatte, kostete ihn in der Leichtathletik viel Kredit.
(pabie/sid)
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