„Einfach nur enttäuschend“ Das deutsche Eishockey-Team lässt bei der WM eine große Chance liegen

Analyse | Helsinki · Nach der besten Gruppenphase der deutschen WM-Geschichte scheidet die Eishockey-Nationalmannschaft gleich im Viertelfinale aus. Danach herrscht Katerstimmung, denn die Gelegenheit, weit zu kommen, war günstig.

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Foto: AP/Pavel Golovkin

Es ist wieder kälter geworden in Helsinki. Fast zwei Wochen lang schien die Sonne, blauer Himmel, wohin man auch sah. Jetzt ist das wieder anders, am Freitag pfiff ein ungemütlicher Wind durch die finnische Hauptstadt, es regnete. Ein guter Tag um abzureisen, wie es das deutsche Eishockey-Team dann auch tat. Was aber natürlich nichts mit dem Wetter zu tun hatte. Am Nachmittag zuvor war es bei der 85. Weltmeisterschaft ausgeschieden, nach einem 1:4 im Viertelfinale gegen Tschechien.

So war bereits die WM 2019 in der Slowakei geendet. Damals hieß es gar 1:5, doch den kleinen Fortschritt wollte sich am Donnerstag niemand schönreden. „Wir waren einfach nicht gut genug“, sagte der 21 Jahre alte Abwehrchef Moritz Seider. „Einfach nur enttäuschend“, ergänzte sein nur ein Jahr älterer Kollege Leon Gawanke. Denn auch sie wussten, dass die Gelegenheit, weit zu kommen, in Finnland besonders günstig war. Die deutsche Gruppe war wegen des Ausschlusses der Russen dankbar wie lange nicht, auch der Viertelfinalgegner hatte zwar einen großen Name, aber kein ganz großes Team. „Bei Fünf-gegen-fünf waren wir besser“, sagte Gawanke. Drei Pfosten- und Lattentreffer zeugten davon, aber was die Tschechen besser machten: Sie nutzen ihre Überzahlspiele und machten die Räume eng. Das stellte die Deutschen immer wieder vor Probleme: „Bei Zweikämpfen in der offensiven Zone müssen wir besser werden“, stellte Bundestrainer Toni Söderholm grundsätzlich fest.

So war das keine unverdiente Niederlage, aber eine, die weh tat. Denn nach der historisch besten Gruppenphase mit fünf Siegen am Stück und insgesamt 16 Punkten waren die Deutschen mit dem Selbstverständnis ins Viertelfinale gestartet, auch die Tschechen besiegen zu können. Aber dafür ging zu viel schief, also bleibt es dabei: Will ein deutsches Eishockey-Team einen Großen schlagen, muss alles passen, und selbst dann ist es meist hauchdünn. Bei Olympia 2018 gab es auf dem Weg zu Silber mehrere Siege erst nach Verlängerung. Auch bei der WM 2021 hatte die DEB-Auswahl ihr Viertelfinale erst im Penaltyschießen gewonnen.

Was also sagt das Turnier in Helsinki aus? Zunächst mal, dass die Olympia-Enttäuschung im Februar kein Zeichen eines nachhaltigen Schadens war. In Peking hätten sie „den Schneeball nicht ins Rollen gebracht. Das kann mal passieren. Wir haben gezeigt, dass das ein Ausrutscher war“, sagte Routinier Korbinian Holzer. Was auch daran lag, dass nun wieder Spieler aus Nordamerika dabei waren. Zwar galt das nicht für Superstar Leon Draisaitl, zudem verletzte sich Toptalent Tim Stützle aus Tönisvorst früh, dafür zeigten Moritz Seider oder Lukas Reichel ihre Klasse. Und es gab auch Erfolgsgeschichten aus der eigenen Liga: Kai Wissmann, Samuel Soramies oder die Düsseldorfer Daniel Fischbuch und Alexander Ehl.

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Foto: dpa/Christian Kolbert

Auch deswegen war DEB-Vizepräsident Andreas Niederberger angetan von seinem Team, sprach gar etwas zu euphorisch von einem „sensationellen Turnier“. Und wenn das deutsche Eishockey so weitermache, gehe es irgendwann automatisch den nächsten Schritt. „Der Tag wird kommen“, sagte Niederberger und sieht die Nachwuchsarbeit „komplett auf dem richtigen Weg“. Viele Beobachter sind da weniger überschwänglich. Ein neuer Stützle oder Seider ist in den nächsten U-Jahrgängen nicht zu erkennen, auch die Breite fehlt. Und für viele die Perspektive. Bundestrainer Söderholm mahnt immer wieder an, dass in der heimischen Liga zu wenig auf die Jugend gesetzt wird. Zwar gibt es in der DEL seit einigen Jahren eine U23-Regel, nach der junge Spieler eingesetzt werden sollen. Aber wenn er das in Skandinavien erzähle, „glauben die, dass wir nicht ganz dicht sind“, sagte Söderholm. „Du brauchst keine künstliche Regel, um junge Spieler zu fördern, du brauchst einen Willen.“

Ob es den Willen gibt, das werden die nächsten Jahre zeigen. Die Richtung stimmte zuletzt, zahlreiche Toptalente wechselten nach Nordamerika, stehen dort vor Millionenkarrieren in der NHL. Die Frage wird sein, ob es dem deutschen Eishockey gelingt, nicht nur die Spitze, sondern auch die Basis zu verbreitern. Damit steht und fällt der Erfolg des Nationalteams. Und die Frage wird sein, was überhaupt als Erfolg gilt. Einigen reichte dafür in Finnland die starke Vorrunde, andere wollen längst mehr als das Viertelfinale. Allein das ist schon eine Entwicklung.

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