Tönisvorst Abitur mit Puck und Pauken

Tönisvorst · Sinan Akdag gilt als großes Talent im deutschen Eishockey. Der 22 Jahre alte Tönisvorster mit türkischen Wurzeln gehört seit dem Frühjahr der Nationalmannschaft an und ist bei den Krefeld Pinguinen Stammspieler in der DEL.

 Sinan Akdag zeigt sein Abiturzeugnis. Bei den Pinguinen hat der 22-jährige Tönisvorster das Trikot mit der Rückennummer Acht.

Sinan Akdag zeigt sein Abiturzeugnis. Bei den Pinguinen hat der 22-jährige Tönisvorster das Trikot mit der Rückennummer Acht.

Foto: Thomas Lammertz

Wenn Leistungssportler an einer Weltmeisterschaft teilnehmen, dann gilt ihre volle Konzentration vom Aufstehen bis zur Bettruhe einzig und allein ihrem Sport. Sinan Akdag aus Tönisvorst hat in diesem Frühjahr gegen diese eiserne Grundregel ganz bewusst verstoßen – und das ausgerechnet bei seiner ersten Teilnahme an einer Eishockey-Weltmeisterschaft. Allerdings hatte der Verteidiger der Krefeld Pinguine dazu einen guten Grund: Während seine Mannschaftskollegen mit Puck und Schläger über die Eisfläche kurvten, kümmerte sich der 22-Jährige um Goethe und Kurvendiskussionen in der Mathematik. Denn: Der gebürtige Rosenheimer büffelte für sein Abitur. Das hat er jetzt am Weiterbildungskolleg des Kreises Viersen am Standort Ter-Meer-Schule in Uerdingen abgelegt. Und das gar nicht mal schlecht: 2,7 ist der Abischnitt des Tönisvorsters.

"Abends zuhause rumzusitzen war mir zu langweilig. Ich habe mir gedacht, dass ich meine Abende sinnvoller verbringen könnte, als vor dem Fernseher zu hocken. Darum habe ich mich im Sommer 2010 entschlossen, mein Abitur zu bauen", erzählt Sinan Akdag, der für das Abitur auch in Kauf nahm, eine Trainingseinheit unter dem damaligen Bundestrainer Jakob Kölliker zu verpassen. Bis dato hatte er sein Fachabitur in der Tasche. 2009 hatte er dies am Berufskolleg Vera Beckers in Krefeld gemacht, wie so viele der jungen Talente, die bei den Pinguinen Eishockey spielen.

"Sinan Akdag war ein disziplinierter Student", sagt Karl-Heinz Loch, der Schulleiter des Weiterbildungskollegs. Die Einrichtung sei eine Chance für junge Sportler, die früh einen Profi-Vertrag unterschreiben und die Schule abbrechen müssen. "Es ist toll, dass unser Weiterbildungskolleg mit flexiblen Angeboten jungen Menschen wie Sinan Akdag eine Perspektive bietet", sagt Lothar Thorissen, der Leiter des Amtes für Schulen, Jugend und Familie im Kreis Viersen.

Gelernt hat der Nationalspieler vor den Unterrichtsstunden oder abends. "Die Mitspieler haben anfangs schon gelacht. Von den anderen geht ja keiner mehr zur Schule", sagt er. "Für meine Trainer stand das aber nie zur Debatte." Auf den weiten Auswärtsfahrten zu Spielen in Berlin, Hamburg oder Mannheim blieben die Lernsachen aber zuhause. "Da schauen wir Filme oder spielen Karten."

Bereut hat der junge Eishockey-Profi seine Entscheidung, den Spagat zwischen Leitungssport und Schulstress nicht – im Gegenteil. "Die zwei Jahre waren durchweg positiv: Die Lehrer am Weiterbildungskolleg haben uns immer unterstützt, falls wir Probleme oder Fragen hatten", sagt er. Physik und Philosophie waren seine Lieblingsfächer. "Im Physikunterricht haben wir häufig Lehrfilme angeschaut, und die Philosophie-Stunden haben wir häufig ins Freie verlegt", erzählt er.

Mit dem bestandenen Abitur soll aber für Sinan Akdag die Büffelei noch lange nicht zu Ende sein. Er möchte demnächst an einer Fern-Universität ein Studium der Betriebwirtschaftslehre beginnen, um für die Zeit nach dem Eishockey entsprechend gerüstet zu sein. "Ich habe vor, bis zu meinem 35.Geburtstag noch auf dem Eis zu stehen. Danach möchte ich einen normalen Beruf ausüben. Deshalb ist es schon mal sehr gut, dass ich das Abi in der Tasche habe. Und ich hoffe, dass ich auch mein Studium packe. Lernen kann ich ja auch während der Saison", sagt Akdag und grinst.

(RP)
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