Die Zukunft des deutschen Eishockeys Der Verband macht sich klein

Meinung | Düsseldorf · Wie der Deutsche Eishockey-Bund auf den Abgang von Bundestrainer Toni Söderholm reagiert, ist verwunderlich. Es erweckt den Eindruck, als sei der Posten nur das Sprungbrett für einen Coach.

Eishockey: Das ist Bundestrainer Toni Söderholm
12 Bilder

Das ist Toni Söderholm

12 Bilder
Foto: dpa/Armin Weigel

Es sei eine „ganz normale Situation, die tagtäglich passiert“, hat Andreas Niederberger dieser Tage gesagt. Gemeint hatte der Sportvorstand des Deutschen Eishockey-Bundes (DEB) damit den zumindest vom Zeitpunkt her überraschenden Abgang von Bundestrainer Toni Söderholm zum Schweizer Spitzenklub SC Bern. Nun liebäugelte der 44-Jährige schon länger mit einem Job bei einem Verein, aber hatte er nicht erst am Sonntag den Turniersieg beim Deutschland-Cup in Krefeld gefeiert und danach die „neue Breite“ im deutschen Eishockey gelobt? Hatte er.

Und auch wenn Wechsel im Profisport in der Tat jeden Tag und manchmal auch spontan vorkommen, war die Reaktion vonseiten des DEB mindestens merkwürdig. Söderholm hatte seinen Vertrag ja erst im März bis 2026 verlängert. Ganz zur Freude seiner Vorgesetzten, die ihren wichtigsten Trainerposten über Jahre in guten Händen sahen.

Doch als sich Söderholm dann diese Woche verabschiedete, konnte man den Eindruck bekommen, es käme für den DEB einer Art Auszeichnung gleich, wenn der Nationaltrainer trotz laufenden Vertrags zum Tabellensechsten der Schweizer Liga wechselt. Niederberger empfand das „nicht mal annähernd als Niederlage“. Christian Künast klang ähnlich: „Es entwertet uns nicht – im Gegenteil: Es wertet uns auf und zeigt, wie gut wir Trainer ausbilden“, sagte der Sportdirektor, der natürlich wusste, dass das nun bereits zum zweiten Mal passiert war. Auch Söderholms Vorgänger Marco Sturm, der das deutsche Team 2018 zur Olympischen Silbermedaille geführt hatte, war ja einige Monate später weg, er ging als Co-Trainer nach Los Angeles in die NHL. Aber auch das konnte Künast die Laune nicht verhageln. Söderholm sei nun „der zweite Bundestrainer, der bei uns ausgebildet wurde und den nächsten Schritt macht.“

Die Nationalmannschaft also nicht mehr als Krönung einer Trainerlaufbahn, sondern als Sprungbrett? So kam es rüber. Ein Verband macht sich klein, fühlt sich sogar wohl in der Rolle als Ausbilder für den Klubbetrieb. Also der Verband, der das wichtigste deutsche Eishockey-Team unterhält und vor viereinhalb Jahren morgens um 5 Uhr Millionen Menschen für ein Olympia-Finale vor die Bildschirme gelockt hatte. Selbst WM-Spiele erreichen regelmäßig siebenstellige TV-Zahlen – im Gegensatz übrigens zu sämtlichen Ligaspielen in Deutschland.

 Toni Söderholm leitet bereits das Training beim SC Bern.

Toni Söderholm leitet bereits das Training beim SC Bern.

Foto: dpa/Anthony Anex

Das soll nicht bestreiten, dass Ligen und Klubs im internationalen Eishockey das Sagen haben. Sie bestimmen nicht nur den Kalender, sie entscheiden auch, wen sie für große Länderturniere abstellen. Und dennoch ist die Nationalmannschaft nicht irgendwer, sie ist das „Zugpferd“, wie der neue DEB-Präsident Peter Merten bei seiner Wahl im Mai treffend bemerkte. Wer Niederberger und Künast am Mittwoch zuhörte, bekam einen anderen Eindruck.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort