„Großteil sind Ehrgeiz und Wille“ Warum Gogulla und Barta froh sind, wenn ihr 1000. Spiel vorbei ist

Interview | Düsseldorf · Die beiden Eishockeyprofis der Düsseldorfer EG erleben am Sonntag und am Dienstag jeweils ihr 1000. DEL-Spiel. Ein Gespräch über die Entwicklung des Sports, wie man jahrzehntelang mithält und wie es um die DEG steht.

Stehen vor ihrem 1000. Spiel in der DEL: Philip Gogulla und Alexander Barta.

Stehen vor ihrem 1000. Spiel in der DEL: Philip Gogulla und Alexander Barta.

Foto: RP/Birgit Häfner

Bei der Düsseldorfer EG läuft es nicht nur sportlich, dieser Tage werden auch Jubiläen gefeiert. Am Sonntag (15.15 Uhr) gegen München erlebt Alexander Barta sein 1000. Spiel in der Deutschen Eishockey-Liga (DEL), am Dienstag (19.30 Uhr) gegen Schwenningen ist Philip Gogulla dran. Vorher traf unsere Redaktion die beiden Routiniers zum Kabinen-Gespräch an der Brehmstraße.

Herr Barta, Herr Gogulla, können Sie sich noch an Ihr erstes DEL-Spiel erinnern?

Alexander Barta Ich glaube, das war ein Derby zwischen Eisbären und Preussen, die damals Capitals hießen. Und ich weiß, dass das eigentlich nichts Schönes war, weil ich total überfordert war. Viel zu schnell, viel zu laut, viel zu intensiv, viel zu groß alles. Am Ende habe ich gedacht: Wow, das ist jetzt DEL-Eishockey, was mache ich hier eigentlich? Ich weiß gar nicht, ob ich drei oder fünf Wechsel bekommen habe, aber ich bin da rausgegangen und dachte: Das ist noch ein langer Weg, bis ich da mitspielen kann.

Philip Gogulla An das erste DEL-Spiel kann ich mich gar nicht mehr erinnern, aber an das erste Vorbereitungsspiel. Und an mein erstes DEL-Tor, das war gegen Wolfsburg, da habe ich noch mit Tino Boos in einer Reihe gespielt.

Wie viel von dieser Nervosität, von dieser kindlichen Freude auf ein Spiel haben sie sich knapp 20 Jahre und 1000 Spiele später erhalten?

Barta Du musst dir etwas davon bewahren, weil es sonst schwierig wird, da noch mitzuspielen. Natürlich wird es weniger, wenn man älter und erfahrener wird, aber es gibt immer noch Spiele und Situationen, wo es fast genauso ist wie am ersten Tag. Ich glaube, dass im Sport eine gewisse Nervosität dazugehört – und diese wichtig ist, damit man seine Leistung bringen kann.

Gogulla Ein bisschen nervös sein, ist nie verkehrt. Klar, wir reden über ein Eishockeyspiel, aber es kann trotzdem viel passieren. Wenn du irgendwann nicht mehr vorbereitet bist und nicht mehr das machst, was dich dahin geführt hast, dass du 20 Jahre in dieser Liga spielst, dann solltest du darüber nachdenken, auch den nächsten Schritt zu gehen. Wenn du den Respekt verlierst, ist das nicht mehr richtig.

Aber ist es trotzdem irgendwann Business und kein Spiel mehr?

Barta Das Geschäft ist verdammt schnelllebig. Ich will nicht sagen, dass alles vergessen wird, aber egal, was vorher war: Man kann Verträge haben, der Local Hero und erfolgreich sein, aber am Ende trennt man sich dann vielleicht doch nicht so schön. Wir wissen schon lange, dass dieser ganze Sport sehr schnelllebig ist.

Das funktioniert aber auch andersrum. In Ihrem ersten Jahr bei der DEG lief es gar nicht, die Zeichen standen auf Abschied. Im Jahr danach schießen Sie 25 Tore und sind der neue Held, noch ein Jahr später sind Sie Kapitän.

Barta Natürlich, es geht in beide Richtungen. Ich persönlich habe nach dem diesem ersten Jahr Menschen im Verein und im Umfeld gebraucht, die an mich geglaubt haben. Sonst wäre ich weggegangen oder hätte mich vielleicht noch zwei Jahre auf die Tribüne gesetzt.

Sie haben beide anfangs noch mit Spielern gespielt, die in den 1960ern geboren sind. Jetzt sind manche aus den 2000ern. Wie haben sich die Kabine verändert und das Eishockey und die DEL an sich?

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Foto: dpa/Daniel Karmann

Gogulla Die Liga ist um einiges professioneller geworden. Ich kann mich an Zeiten erinnern, da saßen die erfahrenen Spieler auf ihrem Platz, haben einen Kaffee getrunken, ihren Schläger getaped, kurz so gemacht [hebt den Arm, Anm.d.Red.] und sind aufs Eis gegangen.

Barta Vielleicht nicht mal... (lacht)

Gogulla Ja, es ist alles athletischer geworden, du musst heute viel, viel mehr für den Körper machen. Und du musst diesen Anspruch an dich selber haben. Das beste Beispiel ist ja der Barts [Barta, Anm.d.Red.]: Wenn du mit 40 noch in dieser Liga spielst, hat das auch mit etwas Glück zu tun, mit Verletzungen, aber der Großteil sind Ehrgeiz und Wille, es nach wie vor zu 100 Prozent zu machen. Wenn du nicht mehr gern dafür aufstehst, solltest du einen Cut machen.

Barta Der Maxi Kammerer hat letztens bei Youtube unseren Berliner Meisterfilm von 2005 gefunden und mir geschrieben: „Hoch schießen konnte wohl keiner.“ Ich habe mir das dann angesehen und gedacht: „Wow, wie haben wir früher Eishockey gespielt?“ Da sieht man schon, dass es schneller und athletischer geworden ist. Früher wurde auch viel mehr gefoult, gehakt und gehalten. Und natürlich haben sich auch die Generationen verändert. Jetzt gibt es Handys, Netflix und Instagram. Alles ein bisschen anders.

Besser, schlechter oder anders?

Barta Ach, ich bin ein Gegner von „früher war alles besser“. Ich versuche immer so zu leben, dass ich sage, es war einfach anders. Früher war nicht alles gut, auch jetzt ist nicht alles gut. So ist das Leben, so ist die Gesellschaft, alles entwickelt sich. Und man muss bereit sein, diese Entwicklung mitzugehen.

Halten einen die jungen Leute in der Kabine denn wirklich jung oder ist das ein Klischee?

Gogulla Was man da mitbekommt, ist schon witzig. Aber wir waren damals ja nicht anders. Wenn du mit Anfang 20 mittags nach Hause kommst und hast keinen Auftrag im Leben, wird halt die Playstation angeschmissen...

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Foto: dpa/Rolf Vennenbernd

Barta Das vergessen wir aber gern. Wir müssen uns immer wieder reflektieren, dass wir früher genauso waren. Und jetzt muss man bereit sein, mit den Jungen umzugehen, mal einen Witz zu machen oder auch sie mal erzählen zu lassen. Sie bringen sehr viel Spaß in die Kabine, aber dass sie mich jung halten, halte ich für ein Klischee.

Bei der DEG gibt es gerade besonders viele junge Spieler und trotzdem stehen Sie weit oben in der Tabelle. Kann hier etwas entstehen?

Barta Definitiv. Als Gugi [Gogulla, Anm.d.Red.] zum ersten Mal hier war, da dachten wir auch schon, dass es in die richtige Richtung geht und wir vielleicht irgendwann wieder oben angreifen können. Aber dann ist es etatmäßig doch wieder ein bisschen runtergegangen. In der Zeit, in der ich jetzt hier bin, war man immer in einer guten Position, dass es in die richtige Richtung gehen kann, aber es muss auch alles passen. Manche sagen, weil wir jetzt gut dastehen, wird es rosig. Das weiß ich nicht, das wird die Zukunft zeigen. Das Fundament ist da, aber so ist das seit Jahren, dass die DEG in einer guten Position ist, um sich zu entwickeln. Dazu gehört natürlich das Finanzielle, dass man noch mal einen großen Schritt macht. Irgendwie wartet man bei der DEG ja fast schon drauf, dass mal etwas nicht klappt. Dass nicht jede Verpflichtung und jede Umstellung funktioniert. Es wird auch mal Phasen geben, in denen Mannschaft und Trainerteam nicht überperformen. Aber selbst dann wäre nicht alles schlecht.

Aktuell läuft es erstaunlich gut. Es gäbe also schlimmere Phasen, um sein 1000. DEL-Spiel zu erleben, oder?

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Foto: Birgit Häfner

Gogulla Wenn ich mir vorstelle, dass wir gegen den Abstieg kämpfen würden, wäre das schon viel unentspannter. Wir sind in einer tollen Position, können aus eigener Kraft die Top sechs schaffen. Man sollte das zwar nicht zu hoch bewerten, aber man sollte auch nicht sagen, dass wir nur Glück gehabt haben. Wir haben uns das erarbeitet. Und wir haben sehr gute Torhüter. Ich sage das bewusst so – man sieht das im Training, was viele nicht mitkriegen –, weil auch der Hank [Hendrik Hane, Anm.d.Red.] es sehr, sehr gut macht. Dafür brauchst du natürlich auch eine Nummer eins, die vorangeht, die das jeden Tag vorlebt, das haben wir mit Hauki [Henrik Haukleland, Anm.d.Red.]. Deswegen ja, es gibt schlechtere Phasen für ein 1000. Spiel.

Barta Und trotzdem glaube ich, dass wir ein Häkchen dahinter machen, wenn es am Dienstag vorbei ist. Das ist ja auch kein optimaler Zeitpunkt gewesen, weil es so spät in der Saison ist und schon im Sommer drüber gesprochen wurde. Wir beide wussten, dass noch 50+ Spiele zu spielen sind. Also über was reden wir hier? Da kann so viel passieren. Uns begleitet dieses Spiel schon so lange. Nicht, weil wir selbst darüber reden, sondern von außen seit neun Monaten. Deswegen sind wir beide froh, wenn am Dienstag alles vorbei ist.

Ist so ein 1000. Spiel größer für die Außenwelt als für Sie selbst?

Gogulla Es ist eine schöne Zahl, keine Frage. Irgendwann nach der Karriere schaut man gern darauf zurück. Aber immer wieder drauf angesprochen zu werden, gerade über so einen langen Zeitraum... Wir wollen es genießen, hoffentlich mit zwei Siegen. Und dann ist auch gut.

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Foto: Ralph-Derek Schröder

Barta Wenn die Zeremonie vor dem Spiel los geht, werden wir stolz und sicherlich ein Stück emotional sein. Aber man muss es jetzt auch nicht dramatisieren. Für alle anderen ist es ein normales Eishockeyspiel.

Aber bedeutet es nicht gerade Ihnen etwas, Herr Barta? Nach Ihrem 800. Spiel sagten Sie noch, dass Sie es wohl nicht schaffen, weil Sie ja zwei Jahre in Schweden spielten.

Barta Es bedeutet, dass ich sehr lange auf sehr hohem Niveau meine Leistung gebracht habe und eine tolle Karriere damit hatte. Was mich stolzer macht als die 1000 ist aber, dass ich mit 40 Jahren noch Eishockey spiele. Das hätte ich weder am Anfang noch zwischendurch gedacht. Und das macht mich sehr stolz.

Greifen Sie, Herr Gogulla, noch den ewigen Rekord von Mirko Lüdemann an? Dafür fehlen noch knapp 200 Spiele.

Gogulla Da gehört, wie gesagt, neben dem Willen auch Glück zu. Wenn du eine schwere Verletzung hast, ist es vor allem mental sehr schwer, da noch mal rauszukommen. Als Außenstehender glaubt man das vielleicht nicht, aber mit Mitte Dreißig wird das sehr schwierig. Stand heute macht es mir sehr viel Spaß, Eishockey zu spielen. Aber es wäre falsch zu sagen, dass ich den Rekord auf jeden Fall angreife. Vielleicht sage ich in zwei Jahren auch: Ich will nicht mehr, es reicht. Wenn es so kommt, wäre das schön, aber ich muss jetzt nicht Rekordspieler der DEL werden.

Barta Wenn ich in den letzten ein, zwei, drei Jahren eine große Verletzung gehabt hätte, dann weiß ich nicht, ob ich noch spielen würde, ob ich die Kraft gehabt hätte. Ich war zweimal schwer verletzt und weiß, was es bedeutet, da noch mal zurückzukommen. Und ich weiß nicht, ob ich mit Mitte Dreißig diese mentale Stärke dafür gehabt hätte.

Stimmt es eigentlich, dass Sie in der Corona-Zeit nicht aufhören wollten, weil Sie nicht ohne Zuschauer ihre Karriere beenden wollten?

Barta Das ist ja so eine Überschrift geworden. Aber ich weiß nicht, ob mir das mal rausgerutscht ist. Ich habe gesagt, dass es schön ist, dass ich jetzt noch mal vor Zuschauern spiele, weil das ohne Zuschauer nicht schön war. Aber das war jetzt nicht der Grund, warum ich noch mal verlängert habe.

Habe Sie bereut, es nicht länger im Ausland versucht zu haben?

Barta Ich wäre gern ein, zwei Jahre länger in Schweden geblieben. Das wäre vom Sportlichen her auch möglich gewesen, aber ich bereue das trotzdem nicht, weil dann München ums Eck kam. Und aus finanziellen Gründen wollte ich das nicht ausschlagen, so ehrlich bin ich. Ich war damals schon 30. Aber ich hätte mir gewünscht, zwei, drei Jahre jünger zu sein, um dann länger in Schweden zu bleiben.

Gogulla Ich sehe das ähnlich. Also nicht, um danach noch etwas zu unterschreiben, sondern, dass ich vorher rüber gegangen [nach Nordamerika, Anm.d.Red.] wäre und es vielleicht länger versucht hätte. Wer weiß, wo der Weg hingegangen wäre? Aber ich sage jetzt nicht, dass ich das jeden Tag bereue. Es hat hier ja auch einigermaßen funktioniert.

Barta Und es ist hier ja auch eine Komfortzone als deutscher Spieler. Du verdienst vernünftiges Geld, du spielst in einer vernünftigen Liga, die Hallen sind gut, es macht Spaß, du bist zu Hause.

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