Eishockeyprofi dankt seinem Lebensretter „Und dann haben wir alle ein bisschen geweint“

Augsburg/Düsseldorf · DEG-Teamarzt Ulf Blecker hat einem Spieler des Gegners das Leben gerettet. Nach dem Spiel bedankte sich der Augsburger für die Hilfe in größter Not. Es flossen Tränen.

 Dramatische Szenen im ISS Dome: DEG-Arzt Ulf Blecker (3. v. re.) begleitet den Abtransport des verletzten Augsburger Stürmers Christoph Ullmann. Links DEG-Kapitän Alexander Barta.

Dramatische Szenen im ISS Dome: DEG-Arzt Ulf Blecker (3. v. re.) begleitet den Abtransport des verletzten Augsburger Stürmers Christoph Ullmann. Links DEG-Kapitän Alexander Barta.

Foto: Birgit Haefner

Es ist ein bewegender Moment auf dem Parkplatz des Augsburger Curt-Frenzel-Stadions. Lange vor dem Beginn des siebten Viertelfinalspiels der Deutschen Eishockey Liga zwischen den heimischen Panthern und der Düsseldorfer EG kommt Ulf Blecker dort an, der DEG-Mannschaftsarzt ist zeitig losgefahren. So steht nur ein anderer Wagen auf dem Parkplatz, deren Insassen schon auf den Mediziner warten. Was dann folgt, bereitet Gänsehaut.

„Ich habe mich sehr gefreut, als Christoph Ullmann und seine Frau auf mich zukamen“, berichtet Blecker. „Beide haben mich fest in den Arm genommen und sich immer wieder bedankt. Und dann haben wir alle ein bisschen geweint.“ Selten waren auch Freudentränen so angebracht wie in diesem Moment. Zwei Tage zuvor, am späten Freitagabend, hat der DEG-Arzt dem Augsburger Stürmer das Leben gerettet.

Ausgangspunkt war ein schwerer Check des DEG-Stürmers John Henrion gegen Ullmann in der 34. Spielminute des sechsten Viertelfinals. Das Bittere dabei: Ullmann sah den Angriff des Düsseldorfers nicht kommen, wurde bereits beim Aufprall bewusstlos. „Ich habe das von der Bank aus gesehen und musste gleich an den schlimmen Unfall des deutschen Handballers Jo Deckarm vor vielen Jahren in Ungarn denken“, berichtet Blecker. Ullmann schlug ungebremst mit dem Kopf auf das Eis auf, der Arzt ließ sich sofort zum Augsburger Stürmer bringen.

„Als ich bei ihm ankam, hatte Ullmann schon blaue Lippen“, erklärt der Mediziner. „Es war klar, dass er seine Zunge verschluckt hatte.“ Oder ganz korrekt: Ullmanns Zunge war so weit in seinen Rachen gerutscht, dass sie ihm die Luftröhre komplett versperrte. „Ich musste mich blitzschnell entscheiden: Die Zunge musste aus dem Hals, aber da er schon beim Sturz bewusstlos war, bestand das Risiko, dass er durch den Ruck beim Herausholen der Zunge eine Querschnittslähmung erleidet. Ich konnte ja nicht wissen, inwieweit Christophs Wirbelsäule durch den unkontrollierten Sturz Schaden genommen hatte. Aber ohne das Eingreifen wäre er in kürzester Zeit erstickt.“ Die Entscheidung war also de facto keine – und Blecker und Ullmann hatten Glück. Die Wirbelsäule blieb unverletzt, und der 35-Jährige konnte wieder atmen.

Sieht man einmal von der besonderen Komplikation durch die sofortige Bewusstlosigkeit des Eishockeyprofis ab, ist das Zurücksinken, sprich das „Verschlucken“ der Zunge im Sport wie im Alltagsleben gar nicht so selten. Auf Profiebene wurden einige spektakuläre Fälle bekannt – zum Beispiel der des Fußball-Weltmeisters von 1990, Guido Buchwald. Bei der EM 1992 rutschte dem Stuttgarter nach einem Zusammenprall im Spiel gegen Schottland seine Zunge in den Rachen. Die Hilfe von Masseur Adolf Katzenmaier rettete ihn. Vor fünf Jahren machte Jaba Kankawa Schlagzeilen, Profi des ukrainischen Klubs Dnjepr Dnjeprpetrowsk. Er zog seinem Gegenspieler Oleg Gusew von Dynamo Kiew die Zunge aus dem Hals und rettete ihm so auf dem Platz das Leben.

Blecker hatte trotz des glimpflichen Ausgangs der Szene in Düsseldorf eine schlaflose Nacht, „denn eine so dramatische Szene hatte ich bei aller beruflichen Erfahrung noch nicht erlebt“. Doch das Happy End folgte. „Danke Ulf Blecker“, sagte Ullmann, der gegenüber der „Augsburger Allgemeinen“ betonte: „John Henrion hat mir direkt eine längere Nachricht gesendet, dass keine Absicht dahinter stand, mich zu verletzen. Das nehme ich ihm auch ab. Ich bin weder sauer noch böse.“

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