DEG-Arzt Blecker im Interview „Junge, bitte beweg’ kurz deinen Finger“

Düsseldorf · DEG-Mannschaftsarzt Ulf Blecker hat einem Augsburger Spieler das Leben gerettet. Die Bilder seines Einsatzes wird er so schnell nicht los. Als Held will er nicht bezeichnet werden. Er habe nur seinen Job gemacht.

 DEG-Arzt Ulf Blecker (M.) begelitet Panther-Spieler Chrstoph Ullmann vom Eis.

DEG-Arzt Ulf Blecker (M.) begelitet Panther-Spieler Chrstoph Ullmann vom Eis.

Foto: dpa/Marius Becker

Beim Viertelfinal-Spiel in den Play-offs der Deutschen Eishockey Liga lag der Augsburger Spieler Christoph Ullmann nach einem Zusammenprall bewusstlos auf dem Eis. Ullmanns Zunge war so weit in seinen Rachen gerutscht, dass sie ihm die Luftröhre komplett versperrte. Er drohte zu ersticken.

Herr Blecker, wie geht es Ihnen?

Blecker Nett, dass Sie das fragen, es geht mittlerweile wieder ganz gut.

Welche Bilder haben Sie verfolgt?

Blecker Dieser Einsatz war nicht gewöhnlich. Es ging um Leben oder Tod eines jungen Menschen. Du siehst ihn da liegen, und dir ist sofort der Ernst der Lage bewusst. Ich war in dem Moment einfach im Tunnel, habe die Kälte des Eises nicht gespürt, kein Geräusch der Zuschauer wahrgenommen. Ich wusste, der Junge braucht mich.

Was war Ihre Sorge?

Blecker Es bestand mindestens ein hohes Risiko, dass ich mit einem Handgriff dafür verantwortlich bin, dass Christoph Ullmann querschnittsgelähmt gewesen wäre. Ich musste bei dem Versuch, seine Zunge wieder nach vorne zu ziehen, seinen Kopf so überstrecken, dass bei einer Vorschädigung ein Bruch des Halswirbels wahrscheinlich gewesen wäre.

Die Alternative dazu wäre wenig verheißungsvoll gewesen.

Blecker Er wäre gestorben, ja.

Wann wussten Sie, der Einsatz würde vergleichsweise glimpflich enden?

Blecker Nach acht bis zehn Minuten ist er langsam zum Bewusstsein gekommen. Ich habe ihm gesagt, er solle kurz seinen Finger heben. Als er das gemacht hat, ist ein unfassbarer Druck von mir abgefallen. Ich war in diesem Moment ein sehr glücklicher Mensch.

Sie sind dafür ausgebildet, um in genau solchen Situationen zu funktionieren.

Blecker Stimmt, deshalb empfinde ich mich auch nicht als Held. Ich habe versucht, mit meinen Möglichkeiten zu helfen. Und es hat in diesem Fall zum Glück alles gepasst. Es hätte auch anders ausgehen können, und wir müssten nun leider über ganz andere Dinge sprechen. Es ist manchmal ein schmaler Grat, ob du gefeiert wirst oder dich dafür rechtfertigen musst, weil etwas leider nicht geklappt hat.

In Augsburg wurden Sie von den Zuschauern gefeiert. Für Sie auch eine Möglichkeit der Aufbereitung?

Blecker Ich bin davon ehrlich ein wenig überrollt worden. Die Menschen haben mich tief berührt. Ich habe vermutlich noch nie zuvor in meinem Leben so viele Hände geschüttelt. Wildfremde Leute haben mich umarmt und geweint, ich habe Kisten mit Wein überreicht bekommen und ein Dutzend Fanschals. Die emotionalste Begegnung war aber natürlich mit Christoph Ullmann und seiner Frau. Sie hatte mich um ein Gespräch gebeten, sie stand noch immer unter dem Eindruck, beinahe ihren Mann verloren zu haben. Es war ein wichtiges Gespräch für uns beide. Es hat Kraft gegeben, wieder nach vorne zu blicken.

Viele Menschen zögern davor zurück, als Ersthelfer aktiv zu werden, aus Angst davor, einen Fehler zu machen.

Blecker Dieses Phänomen gibt es leider immer wieder. Und es ist natürlich absoluter Quatsch. Es ist immer besser zu helfen, als gar nichts zu tun.

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