"Weltklasse in Zürich" Ecker wie Gold-Heide - Mikitenko mit Rekord

Zürich (sid). Der Letzigrund bebte unter dem Jubel der 24.000 Fans, doch die Leistungsexplosion fand 35 Tage vor dem Olympia-Auftakt in Sydney nicht statt. Ausgerechnet zum Abschied erlebte Res Brügger (73), beim Blitzbesuch von IOC-Chef Juan Antonio Samaranch mit dem Olympischen Orden ausgezeichnet, zum zweiten Mal in seinen 28 Jahren als Macher von "Weltklasse in Zürich" das dritte Sportfest in Serie ohne Weltrekord (zuvor 1976-78). "Das toppen wir", versprach Istaf-Chef Rudi Thiel mit Blick auf das Berliner Golden League-Finale am 1. September. Zürich erlebte zwei Saisonbestmarken durch Hicham El Guerrouj (Marokko) in 3:27,21 Minuten über 1.500 m und Gabriela Szabo (Rumänien) in 8:26,35 über 3.000 m.

Für die deutschen Höhepunkte sorgten zwei WM-Vierte von 1999: 30 Jahre nach dem Weitsprung-Sieg seiner Mutter Heide Rosendahl triumphierte Danny Ecker (Leverkusen/5,85 m) mit dem Stab von Weltrekordler Sergej Bubka. "Meine Stangen waren zu weich und da er schon ausgeschieden war, fragte ich den Meister. Er war schon mein Held, als ich zehn war. Obwohl er nur zögernd Ja sagte, war das eine besondere Motivation", meinte Ecker. Der 23-Jährige ist der erste Deutsche, der im Letzigrund mit dem Stab siegte und auch der erste, der im Olympiajahr in der Golden League erfolgreich war.

Irina Mikitenko, die in Sydney eine Medaille über 5.000 m anstrebt, unterbot auf der nicht olympischen 3.000-m-Strecke in 8:30,39 Minuten den deutschen "Uralt-Rekord" von Brigitte Kraus (Köln), die im Stadion miterlebte, wie ihre 8:35,11 vom WM-Silber 1983 in Helsinki ausgelöscht wurden.

Für Diskus-Olympiasieger Lars Riedel (Chemnitz) brachte Rang vier mit 66,08 m die Erkenntnis, dass sich der Lette Virgilius Alekna (trotz Windstille 71,12 m) bei Olympia nur selbst schlagen kann und der Griff nach einer Medaille für ihn nach WM-Bronze 1999 schwieriger denn je wird. "Wenn die Hüfte mitmacht, sind bis Sydney 68,50 m drin", meinte der siebenmalige Zürich-Sieger. Neuen Auftrieb erhielten seine Ambitionen beim Werfer-Meeting im schweizerischen Rüdlingen, wo er mit 66,31 m einmal mehr US-Weltmeister Anthony Washington in Schach hielt.

Bei Dreisprung-Weltmeister Charles Friedek (Leverkusen) platzte mit 17,31 m trotz der knappen Niederlage gegen Weltrekordler Jonathan Edwards (17,36) der Knoten, und Trainer Bernd Knut sprach "vom wichtigsten Wettkampf des Jahres". Der 34 Jahre alte Brite klagte über Schmerzen im linken Fuß, die seine Medaillenhoffnungen für Sydney beeinträchtigen könnten.

Heike Drechsler (Ludwigshafen) landete als Dritte bei 6,91 m und fühlt sich nun "bereit für die sieben Meter". Nur knapp zog sie den Kürzeren gegen die auch über 100 m (in 10,95 zum 30. Mal unter elf) nur hauchdünn siegreiche Marion Jones (USA/6,93).

Ebenso wie Drechsler warteten drei andere mit deutschen Saisonbestmarken auf: Thomas Goller (Leipzig), der in 48,82 Sekunden die achtbeste 400-m-Hürdenzeit lief, Dieter Baumann, der in seinem ersten großen Rennen seit Ende der Doping-Suspendierung in 13:13,84 Minuten 15. über 5.000 m wurde, und seine Leverkusener Klubkameradin Claudia Gesell, die in 1:58,83 Sechste des 800-m-Laufs war.

Eine weitere nationale Saisonbestmarke wackelte in Rüdlingen, wo Ex-Weltmeister Heinz Weis mit 80,13 m erstmals die 80-m-Marke übertraf, damit aber nur Hammerwurf-Dritter hinter einem Russen-Duo mit Wassili Sidorenko (81,57) und Ilja Konowalow (80,19) wurde. Als Fünfter enttäuschte Weltmeister Karsten Kobs mit 76,31. Die Schlagzeilen am Rhein gehörten unterdessen der Polin Kamila Skolimowska, die mit 70,62 m einen Juniorinnen-Weltrekord (U19) im Hammerwurf aufstellte.

Höhepunkt des gut sieben Millionen Mark teuren Meetings von Zürich war ohne Zweifel ein 1.500-m-Lauf der Superlative: Kein anderer außer El Guerrouj selbst rannte jemals 3:27,21 Minuten, nie zuvor wurde jemand in 3:28,12 wie der Kenia-Rekord laufende Noah Ngeny nur Zweiter, nie jemand wie dessen Landsmann Bernard Lagat in 3:28,51 nur Dritter. "In Sydney will ich mit Weltrekord gewinnen", meinte der 25-Jährige. Dagegen sparte Äthiopiens Haile Gebrselassie im letzten Rennen vor Sydney Kraft, um sich in 12:57,95 unerwartet knapp ins 5.000-m-Ziel zu retten.

Ähnlich Marion Jones. "Mein Fehlstart hat mich irritiert, aber ich habe es noch zusammen gebracht", meinte die Weltmeisterin, deren Projekt "fünfmal Olympia-Gold" nicht nur wegen des Zittersieges gegen 200-m-Weltmeisterin Inger Miller (ebenfalls USA/10,96) auf wackligen Füßen steht. Jamaikas Sprintkönigin Merlene Ottey stürmte nach Aufhebung des Dopingbanns in 11,06 Sekunden überraschend auf Rang drei und drohte ihrem Verband: "Entweder laufe ich auch über 100 m bei Olympia oder gar nicht." Die Diva ist nach verpasster Einzel-Qualifikation nur für die Staffel nominiert, die ohne sie nur geringe Medaillenchancen hätte.

(RPO Archiv)
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