Düsseldorf Doping im Hobbysport – eine tödliche Gefahr

Düsseldorf · Der Fall Frederik Zierke wirft ein Schlaglicht auf die Zustände unter hochambitionierten Freizeit-Athleten.

Als die Polizei Frederik Zierkes Wohnung durchsuchte, fand sie ein beängstigendes Arsenal an Dopingmitteln: ein Anabolikum, Testosteron, ein Herzmittel und ein Präparat aus der Tiermedizin, das in der Dopingszene als Stimmungsaufheller eingesetzt wird. Der Mountainbiker Zierke, ein hochambitionierter Amateur, lag tot in seiner Wohnung in Leutkirch im Allgäu – hinter von innen verschlossener Toilettentür. Er hatte sich Epo gespritzt, ein Mittel, das die Sauerstoffaufnahme-Kapazität des Blutes erhöht und deshalb bei Ausdauerathleten verbreitet ist, die für den Erfolg mehr als das Erlaubte tun.

Zierke starb am 10. September im Alter von 44 Jahren. Der Fall schlägt Wellen, weil die zuständige Staatsanwaltschaft Versäumnisse einräumen muss, als das Magazin "Der Spiegel" in der Angelegenheit recherchierte. Die Staatsanwaltschaft Ravensburg hatte "Tod durch Medikamentenmissbrauch" festgestellt, ihre Untersuchungen jedoch nach einem Tag beendet. Sie gab ihre Informationen nicht an die schwerpunktmäßig für Delikte rund um Doping zuständigen Kollegen in Freiburg weiter. Und sie versäumte es, Zierkes Computer oder Telefon zu konfiszieren. Möglicherweise hätten sich Hinweise auf Hintermänner und Strukturen des Dopings im Bereich des ambitionierten Freizeitsports gefunden. Der Fall wird nun neu aufgerollt.

Zierke, ein gebürtiger Niederländer, war im vergangenen Jahr von Frankfurt ins Allgäu gezogen. Sein Wettkampfrad kostete 9000 Euro. Er fuhr täglich bis zu 80 Kilometer, am Wochenende auch mehr. "Ich reize manche Dinge gern aus und gehe an meine Grenzen", sagte Zierke im vergangenen Jahr, als er mit Freunden das Team TBB gründete. Zierke bezeichnete sich als "Extremist" in seiner Sportart. Zuletzt fuhr er zusammen mit dem ehemaligen Telekom-Profi und Henninger-Turm-Sieger Kai Hundertmarck im Duo in Wettkämpfen.

Gerade in den Ausdauersportarten sind Dopingmittel unter Hobbyathleten nicht selten: im Radsport, beim Triathlon, beim Langstreckenlauf. "In Deutschland sind bisher keine Dopingfälle bei Breiten- und Freizeitsporttreibenden nachgewiesen geworden", heißt es zwar in einem Bericht des Robert-Koch-Instituts und des Statistischen Bundesamts. Die Forscher schicken aber eine Begründung hinterher: "Das liegt daran, dass dieser Bereich des Sports nicht kontrolliert wird."

Schätzungen, wie viele Teilnehmer des Ötztaler Radmarathons verbotene Mittel einnehmen, schwanken zwischen zehn und 25 Prozent. Für Belgien liegen Untersuchungen vor, nach denen zehn bis 15 Prozent von 400 auf freiwilliger Basis getesteten Radsport-Amateuren Anabolika oder Amphetamine nahmen.

Auch wenn Schmerzmittel nicht auf der Dopingliste stehen, macht ihr Einsatz doch die Mentalität vieler Hobbysportler deutlich, die nur schneller als der Freund, Kollege, Nachbar sein wollen und mit Tabletten nachhelfen. In einer Umfrage beim Bonn-Marathon 2009 räumte jeder zweite Läufer ein, vor dem Start Schmerzmittel zu nehmen.

Der Kölner Dopingforscher Mario Thevis sagte mit Blick auf die Fitness-Szene, aber auch auf die Ausdauersportler: "Es ist verhältnismäßig leicht und mittlerweile kostengünstig, an Dopingpräparate heranzukommen. Sie bekommen sogar, je nachdem, bei wem Sie sie bestellen, eine Garantie, dass, wenn diese Präparate im Zoll konfisziert werden, sie eine Ersatzlieferung kostenfrei bekommen."

(RP)
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