"Die beste Trainerin für den DFB"

DFB-Präsident Theo Zwanziger über Silvia Neid, das Krisenmanagement im Fall Birgit Prinz, den langen Weg, Frauenfußball in der Bundesliga auch im Fernsehen zu etablieren, und die Aufarbeitung der fußballerischen Leistungen bei der Weltmeisterschaft.

Herr Zwanziger, Silvia Neid wollte sich ein paar Wochen Zeit nehmen, um darüber nachzudenken, ob sie Bundestrainerin bleiben möchte. Wie haben Sie sie überzeugt, sich so schnell klar zum Amt zu bekennen?

Theo Zwanziger Bundestrainerin ist ja nicht der schlechteste Job, deshalb war gar keine große Überzeugungsarbeit des Präsidenten nötig. Nein, im Ernst, dass Silvia Neid nach dem gerade auch für sie persönlich enttäuschenden Abschneiden bei der Heim-WM alles hinterfragt und auch kurzzeitig an Rücktritt denkt, ist normal und legitim. Aber sie hat, sicher auch wegen der breiten Unterstützung, schnell ihre große Motivation wiedergefunden, und darüber bin ich sehr froh.

Was zeichnet Neid aus?

Zwanziger Silvia Neid ist Welttrainerin des Jahres, das sagt doch eigentlich schon alles. Sie ist in allen Bereichen des Trainerjobs eine akribisch arbeitende Fachfrau. Und zudem sehr erfolgreich. Die Nationalmannschaft hat unter ihrer Leitung von 87 Spielen nur 15 verloren, ist Welt- und Europameister geworden. Der DFB kann sich keine bessere Bundestrainerin wünschen.

Der DFB hat das Ausscheiden der deutschen Mannschaft recht geräuschlos abgehakt. Fehlt im Frauenfußball noch die Konfliktkultur?

Zwanziger Zunächst einmal finde ich schon, dass es in der Öffentlichkeit reichlich Kritik gegeben hat. Das ist auch in Ordnung, schließlich zeigt es das gesteigerte Interesse an der Frauen-Nationalmannschaft. Aber was hätten wir als DFB denn bitte schön machen sollen? Über die Bundestrainerin oder die Mannschaft öffentlich herfallen und nach einer bitteren Niederlage alles in Frage stellen, was in den vergangenen Jahren so hervorragend funktioniert hat? Damit wäre doch niemandem geholfen gewesen.

Aber es ist doch offenbar einiges schief gelaufen.

Zwanziger Unsere Mannschaft hat im Viertelfinale gegen den Weltranglisten-Vierten Japan nicht ihr Leistungspotenzial abgerufen und deshalb das erste WM-Spiel nach zwölf Jahren verloren. Das ist traurig, aber Erfolg im Fußball ist eben nicht planbar, und wir waren ohnehin nie so blauäugig zu glauben, dass wir auf jeden Fall Weltmeister werden. Natürlich werden wir die Gründe dafür, dass wir das Minimalziel verpasst haben, kritisch und sachgerecht analysieren.

Mal ehrlich, Joachim Löw hätte es in vergleichbarer Situation doch schwerer gehabt, seinen Posten zu behalten?

Zwanziger Das sehe ich anders. Seit ich Präsident des DFB bin, gestalten wir die Verträge mit unseren sportlichen Verantwortlichen, von deren Qualitäten wir restlos überzeugt sind, mittelfristig, perspektivisch und möglichst unabhängig von sportlichen Rückschlägen. Das gilt für Silvia Neid, Matthias Sammer, Oliver Bierhoff und auch Joachim Löw. Mit dem Bundestrainer haben wir doch gerade erst bis 2014 verlängert. Über einen Zeitraum also, in dem zwei große Turniere stattfinden, deren Ausgang auch ungewiss ist. Der DFB ist in vielen Bereichen sehr gut aufgestellt und stark genug, sich nicht von öffentlichen Diskussionen in seinen Entscheidungen beeinflussen zu lassen.

Ist es denkbar, die sportliche Leitung zu erweitern und mit einer ehemaligen Nationalspielerin wie Martina Voss-Tecklenburg zu ergänzen?

Zwanziger Solche Dinge sind bei den Männern und Frauen allein Sache der sportlichen Leitung, da mische ich mich nicht ein. Wenn die Bundestrainerin sinnvolle Veränderungen oder Neuerungen wünscht, dann werden wir darüber sprechen.

Hat das "Krisenmanagement" der deutschen Mannschaft im Fall Birgit Prinz aus Ihrer Sicht optimal funktioniert?

Zwanziger Was für ein Krisenmanagement? Birgit Prinz hat vor dem Spiel gegen Frankreich gesagt, dass sie sich nicht in der Lage sieht, von Beginn an zu spielen. Dann hat die Mannschaft ein ganz gutes Spiel gemacht, und die Trainerin hat gegen Japan wieder auf Inka Grings und Celia Okoyino da Mbabi in der Startformation gesetzt. Nun wird diskutiert, ob es nicht besser gewesen wäre, Birgit Prinz spielen zu lassen oder wenigstens einzuwechseln. Wenn sie gespielt hätte, und wir hätten dennoch verloren, hätten die Kritiker gesagt, warum hat man sie und nicht jemand anderes stürmen lassen.

Sportlich war die WM für den DFB enttäuschend, finanziell dagegen durchaus zufriedenstellend. Wie bewerten Sie das Turnier unterm Strich?

Zwanziger Es war organisatorisch eine rundum gelungene Veranstaltung. Die Stadien waren zumeist gut besucht, und es herrschte eine freundliche und friedliche Stimmung. Leider hat das Wetter nicht ganz so mitgespielt wie vor fünf Jahren, aber ich denke dennoch, dass sich Deutschland und der DFB wieder als sehr gute Gastgeber präsentiert und den Frauenfußball weltweit gestärkt haben.

Kann durch die WM dem Frauenfußball ein entscheidender Schritt gelingen, um sich als eine beachtete Sportart im Fernsehen zu etablieren?

Zwanziger Für die Nationalmannschaft ist dies schon längst gelungen. Die Einschaltquoten bei Frauen-Länderspielen waren schon vor der WM sehr zufriedenstellend und werden dies hoffentlich auch nach dem Turnier noch sein. In der Frauen-Bundesliga sieht es dagegen etwas anders aus, dort sind Bilder im Fernsehen eher selten. Diesbezüglich haben wir noch eine lange Entwicklung vor uns. Diese Spielklasse in Sachen Zuschauer- und Medieninteresse irgendwann in die Nähe der 3. Liga der Männer zu führen, ist die große Herausforderung.

Was hat Sie bei dieser WM am meisten beeindruckt?

Zwanziger Zum einen diese friedliche und fröhliche Stimmung in den Stadien, gerade auch bei Spielen ohne deutsche Beteiligung. Und natürlich diese überraschende Einladung, die der Sportminister Nordkoreas an die Nationalmannschaft der USA ausgesprochen hat. Das war schon ein besonderer Moment. Ansonsten hat Nordkorea bei dieser Weltmeisterschaft aber eher wenig Werbung in eigener Sache machen können und wird nun auch noch mit massiven Dopingvorwürfen konfrontiert.

Im Finale stehen sich Japan und die USA gegenüber. Ihr Tipp?

Zwanziger Die USA haben sich im Turnierverlauf von Spiel zu Spiel gesteigert und sind als Weltranglisten-Erster sicher etwas in der Favoritenrolle. Aber dass dies gegen Japan nichts heißen muss, wissen wir ja aus eigener Erfahrung.

Gianni Costa führte das Gespräch.

(RP)
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